Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Peter Füssl · 01. Jun 2016 · CD-Tipp

Klaus Doldinger’s Passport: Doldinger

Im Sommer 1973 zockelte ich als 17-Jähriger auf meinem lahmen Puch-Moped von Dornbirn zum Open-air Festival nach Wangen im Allgäu, wo neben Volker Kriegels Spectrum vor allem Klaus Doldingers Passport das Objekt meiner Begierde war. Klaus Doldinger war damals 37 und die Band – sozusagen Deutschlands Antwort auf „Weather Report“ – existierte gerade mal seit zwei Jahren. Nun legt Deutschlands bekanntester Jazz-Musiker und erfolgreicher Filmmusikkomponist, zu dessen „Tatort“-Titelmelodie sich seit 1970 jeden Sonntagabend die Krimi-Fans vor der Glotze versammeln, anlässlich seines 80. Geburtstags am 12. Mai ein beeindruckendes „Best of“ vor.

Dafür hat der Altmeister nicht einfach die Archive geplündert, sondern aus seinem ungemein umfangreichen Repertoire einige absolute „Top-Hits“, aber auch etwas in Vergessenheit geratene Songperlen mit zwei Bands neu eingespielt. Die drei Klassiker „Abracadabra“, „Will-O’the Wisp“ und „Jadoo“ werden von Passport Classic neu interpretiert – mit Curt Cress an den Drums und Wolfgang Schmid am Bass, die mich schon damals in Wangen begeistert hatten, sowie dem in den 1990ern zur Band gestoßenen Keyboarder Roberto Di Gioia. Genauso mitreißend werden die leicht in die Ohren gehenden Melodien und die höchst expressive Doldinger’sche Spielart des nie ins Seelenlose abdriftenden Jazz-Rock aber auch vom aktuellen Septett mit Martin und Patrick Scales an Gitarre und Bass, Michael Hornek an den Keyboards und Christian Lettner, Ernst Ströer und Biboul Darouiche an Drums und Percussion in Szene gesetzt. Mit Dialogpartner Helge Schneider – hier einmal völlig ernsthaft an den Keyboards aktiv – liefert Doldinger eine klassische Version von „St. James Infirmary“, für die zauberhafte Ballade „Auryn“ holte er sich den Sting-Gitarristen Dominic Miller und mit dem schwedischen Posaunisten Nils Landgren duelliert er sich auf „Soul Town“. Der vokale Höhepunkt ist sicher Max Mutzkes äußerst spannungsgeladene und intensive Auseinandersetzung mit Marvin Gayes „Inner City Blues“, Pop-Sänger Sasha serviert „New Moon“ massenkompatibel. Klaus Doldinger lässt keinerlei Ermüdungserscheinungen erkennen, bläst sich auch mit 80 noch die Seele aus dem Leib und ist selbst der beste Beweis, dass sein aus mehr als 400 Eigenkompositionen und 35 Plattenproduktionen bestehendes Oeuvre, im besten Sinne zeitlos ist. Oder wie es Udo Lindenberg, Drummer der 1971-er Passport-Urformation, auf seine unnachahmliche Weise so treffend daher nuschelt: „Der Greis ist heiß“!

(Warner Music)