Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Peter Füssl · 25. Dez 2017 · CD-Tipp

Joe Henry: Thrum

„Thrum“ ist das 14. Album des 57-jährige Joe Henry, der von Kritikern regelmäßig gefeiert und vom Massenpublikum mehr oder weniger ignoriert wird. Jenen breiten Erfolg, der ihm als vierfach Grammy-dekoriertem Produzenten von Stars wie Solomon Burke, Ramblin’ Jack Elliot, Allen Toussaint, Aimee Mann, Aaron Neville, Elvis Costello oder Bonnie Raitt zuteil wurde, wird Henry voraussichtlich auch mit den elf exquisiten neuen Songs auf „Thrum“ nicht erreichen, denn die atmosphärisch dichten Stücke sind nicht so leicht zugänglich.

Der Album-Titel „Thrum“ steht laut Joe Henry für das Vibrieren einer vor Elektrizität pulsierenden Musik, und in der Tat scheint sich der von alten Kumpeln wie Jay Bellerose, David Piltch, John Smith oder Patrick Warren und seinem Sohn Levon Henry zwischen Folk, Country und Jazz angelegte und von Toningenieur Ryan Freeland an den Reglern in Real Time gemixte und manipulierte Sound in einer seltsamen Art von unruhigem Schwebezustand zu befinden. Die durchwegs warmen, an den Soundidealen der 1960-er Jahre-Platten von Ray Charles orientierten, mitunter etwas schräg wirkenden Klänge sollen „das Unbekannte und Sprunghafte willkommen heißen“, erklärt Joe Henry, der als Einflüsse für dieses Album nicht wie üblich Bob Dylan oder Randy Newman nennt, sondern mystische Poeten wie Rilke, Whitman, Rimbaud und Rumi: „Sie beschäftigten sich damit, wie es gelingen soll, gänzlich zu leben, während man sich gleichwohl des zwangsläufigen Endes bewusst ist. Nicht trotzdem zu leben, sondern gerade deswegen. Der Geist dieser Dichter war in ihrer ungezähmten Menschlichkeit verwurzelt und drückte sich durch erotisch aufgeladene Lust für das Leben aus – jenseits aller Dogmen und Doktrinen.“ Natürlich leben die atmosphärisch manchmal etwas an Tom Waits erinnernden Songs vor allem auch von Joe Henrys poetischen, metaphernreichen Texten, denen er mit markanter Stimme Ausdruck verleiht. Auf Gastauftritte prominenter Jazz-Größen wie einst von Ornette Coleman, Bill Frisell oder Don Byron verzichtet Henry gänzlich, dafür bietet er Americana vom Feinsten.

(earMUSIC)