Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Peter Füssl · 08. Dez 2021 · CD-Tipp

Joan As Police Woman / Tony Allen / Dave Okumu: The Solution Is Restless

Ein Zufall? Ja, aber ein glücklicher! Denn eigentlich war dieses Album nie als solches geplant. Die amerikanische Singer-Songwriterin und Multiinstrumentalistin Joan Wasser, besser bekannt als Joan As Police Woman, lernte über Gorillaz-Chef Damon Albarn den legendären nigerianischen Schlagzeuger und musikalischen Langzeit-Direktor der Fela Kuti Band Tony Allen kennen, der als einer der Begründer des Afrobeat Berühmtheit erlangte. Anlässlich einer Tour-Pause von Joan traf man sich an einem Abend im November 2019 spontan zu einer völlig unvorbereiteten Jam-Session in einem Pariser Studio. Dritter im Bunde war der – übrigens in Wien geborene und aufgewachsene – in London lebende The Invisible-Frontman Dave Okumu, der als gefragter Musiker und Produzent unter anderem auch schon mit Jessie Ware, Amy Winehouse, Anna Calvi oder St. Vincent zusammengearbeitet hatte.

Die Chemie stimmte auf Anhieb, man verstand sich bestens, hatte eine Menge Spaß – und ließ glücklicherweise ein Band mitlaufen. Aber erst nach dem überraschenden Tod Tony Allens im April 2020 begann Joan Wasser – Lockdown-bedingt vom üblichen Musikbetrieb ferngehalten – in ihrem Heimstudio in New York das Material zu strukturieren, zu überarbeiten, mit Texten und Gesang zu Songs zu formen und zusätzliche Instrumentalpassagen hinzuzufügen. Die Streicherparts übernahm die gelernte Geigerin gleich selber. Entstanden ist ein untypisches Joan As Police Woman-Album, das fast durchgängig von den unverwechselbaren, polyrhythmischen Mid-Tempo-Grooves Allens und Okumus vorangetrieben wird, die eine nahezu hypnotische Sogkraft entfalten. Auch prominente Gäste wie Meshell Ndegeocello, die beim fast 12-minütigen Opener „The Barbarian“ den Bass zupft, oder Damon Albarn, der auf „Get My Bearings“ singt und auf dem Piano klimpert, fallen da nicht weiter ins Gewicht. Die Texte sind ganz Joan Wasser, die wie immer mit äußeren, vorwiegend aber mit inneren Dämonen zu kämpfen hat, über Tod und Verluste rätselt oder über philosophische Themen nachdenkt - gerne widersprüchlich, selbstironisch oder kryptisch. Manchmal auch aufbegehrend und kämpferisch, etwa in „Take Me To Your Leader“, wo sie imaginiert, man könnte die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern bitten, der völlig desolaten US-Regierung bei der Pandemie-Bekämpfung hilfreich unter die Arme zu greifen. In Summe beinhaltet dieses Album eine knappe Stunde entspannten Improvisierens – im Spannungsfeld von Afrobeat, Ambient, Trip-Hop, Dub, Funk, Soul, Fusion-Jazz und Psychdelics ­– ­und Joans verhaltene Gesänge. Ein stetig vor sich hin mäandernder Fluss, ohne großartige Höhepunkte oder Überraschungen, aber trotzdem irgendwie faszinierend. Am besten laut aufdrehen und – wie Joan As Police Woman es ausdrückt – „mit dem Denken aufhören und die Musik durch sich hindurchfließen lassen“.

(Pias)