Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Peter Füssl · 12. Dez 2011 · CD-Tipp

Enrico Rava: Tribe

Meilensteine des Freejazz oder Ausflüge in den Jazzrock sind in der langen Karriere des italienischen Trompeters Enrico Rava ebenso zu finden wie die Beschäftigung mit Opernarien oder Filmmusik. All diese Einflüsse vereinen sich im ausgereiften Alterswerk des 72-Jährigen auf unglaublich stimmige Weise zu einem musikalischen Fluss von großer Schönheit, der vor allem durch seine lyrische Intensität besticht.

Mit seinem kultivierten, an Miles Davis erinnernden Ton führt Rava durch die zehn teils neuen, teils bereits auf älteren Alben erschienenen Eigenkompositionen, die seinen Mitstreitern jede Menge an kreativen Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Allen voran ist der Posaunist Gianluca Petrella zu erwähnen, der als 20-Jähriger von Rava entdeckt wurde und sich nun schon seit fünfzehn Jahren spannende Duelle mit dem Meister liefert. Aber auch auf  „Tribe“ wird Rava seinem Ruf als Talente-Scout vollauf gerecht, denn sein glückliches Händchen für Pianisten – man denke an Stefano Bollani – beweist er dieses Mal am erst 26-jährigen Giovanni Guidi, der vor allem mit seinem einfühlsamen Balladenspiel zu überzeugen weiß. Nochmals drei Jahre jünger ist der Kontrabassist Gabriele Evangelista, der mit dem erfahrenen Drummer Fabrizio Sferra ein perfektes Rhythmusgespann abgibt. Auf einigen Stücken wird dieses vielversprechende neue italienische Quintet durch den Gitarristen Giacomo Ancillotto komplettiert, der die einfallsreichen Kompositionen Enrico Ravas mit zusätzlichen Klangfarben anreichert. Hier ist ein ganz und gar nicht alt wirkender Altmeister am Werk, dessen abgeklärtes Musizieren offensichtlich auch auf die jüngste Generation exzellenter Musiker ausgesprochen inspirierend wirkt. Ein Hörvergnügen!  
(ECM: Vertrieb: www.lotusrecords.at)