Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Peter Füssl · 05. Jun 2017 · CD-Tipp

Bill Frisell/Thomas Morgan: Small Town

Der 65-jährige, mit allen musikalischen Wassern gewaschene Bill Frisell hat im dreißig Jahre jüngeren Kontrabassisten Thomas Morgan den idealen Partner gefunden, um in einem unkonventionellen Duo-Projekt einige mit seiner musikalischen Biographie verbundene Meilensteine abzuklopfen und in einem gänzlich neuen Gewand zu präsentieren.

„It Should Have Happened A Long Time Ago“ denkt man sich anhand des exquisiten Ergebnisses, so heißt zugleich aber auch die als Opener fungierende Paul Motion-Komposition – bei der letzten Produktion des 2011 verstorbenen legendären Schlagzeugers und Bandleaders waren auch Frisell und Morgan dabei. Frisells Eigenkomposition „Song for Andrew No.1“ ist ebenfalls einem Drummer gewidmet, nämlich Andrew Cyrille. Und weil im März 2016 im New Yorker Village Vanguard bei den Liveaufnahmen für dieses Album der Saxophonist Lee Konitz, mit dem Frisell auch öfters gespielt hat, im Publikum saß, zauberten die beiden noch spontan dessen Komposition „Subconscious Lee“ aus dem Ärmel. „Wildwood Flower“ ist eine relativ nah am Original gespielte Hommage an die innovative Country-Gitarristin und Johnny Cash-Schwiegermutter Maybelle Carter, deren große Zeit in den 1930-er und 40-er Jahren mit der Carter Family war und die Frisell immer wieder als Einfluss nennt. Fats Dominos 1961-er Hit „What A Party!“ machen sich die beiden ebenso selbstbewusst zu eigen wie John Barrys auch schon mehr als 50 Jahre alten Bond-Klassiker „Goldfinger“, der in Frisell Jugenderinnerungen weckt. Im für ihn typisch zwischen Jazz und Americana angesiedelten Titelstück „Small Town“ kann Bill Frisell einmal mehr seine ganze gitarristische Brillanz ausspielen. „Thomas ist fast wie ein Zeitreisender, als ob er vorausblickend auf die Musik schauen und alles ordnen könnte, bevor er eine Note spielt. Er spielt niemals etwas, das nicht eine Antwort auf mein Spiel ist, er sieht jederzeit voraus, was ich mache. Dieser Rückhalt verleiht mir ein Gefühl der Schwerelosigkeit, ich kann wirklich abheben“ – zeigt sich Bill Frisell von Thomas Morgan begeistert, der wiederum über die Gitarrenkünste seines Partners schwärmt: „Sein Sound ist so expressiv wie eine Stimme, und er verwebt die rhythmischen und melodischen Parts dermaßen ineinander, dass man letztlich irgendwie mehr hört als tatsächlich gespielt wird.“ In der Tat harmonieren die beiden dermaßen perfekt und inspirieren sich wechselseitig in einem Maße, wie dies zuletzt Charlie Haden und Pat Metheny vor zwanzig Jahren auf „Beyond The Missouri Sky“ taten. Nur finde ich persönlich Frisell/Morgan wesentlich spannender!

(ECM/www.lotusrecords.at)