Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Peter Füssl · 08. Nov 2021 · CD-Tipp

Anna Gréta: Nightjar in the Northern Sky

Das renommierte Münchner Jazz-Label ACT hat wahrlich keinen Mangel an exzellenten nordischen Sängerinnen (Josefine Cronholm, Rigmor Gustafsson, Janne Mark, Caecilie Norby, Ida Sand, Solveig Slettahjell, Victoria Tolstoy ...), dennoch gelingt es der 27-jährigen Anna Gréta Sigurðardóttir auf Anhieb, ihre ganz eigene Nische zu finden. Es ist Nachtmusik, aber keine düstere und bedrohliche, sondern eine warme und intime, in der die Dunkelheit Schutz und Geborgenheit bietet.

Der Flug der im Albumtitel besungenen seltenen, dämmerungs- und nachtaktiven Nachtschwalbe am nordischen Himmel wird zum symbolhaften Sehnsuchtsbild für diese zwölf stimmungsvollen Songs, die alle aus der Feder von Anna Gréta (wie sie sich wohl der Einfachheit halber nennt) stammen – mit Ausnahme des Nachtgedichts „The Tunnel“ des amerikanischen „Black Mountain“-Poeten Robert Creeley. Mit dem warmen Timbre ihrer Stimme, die gleichzeitig eigenwillig verhalten erscheint, aber auch eine gewisse Coolness ausstrahlt, nimmt sie einen auf Anhieb gefangen. Dabei ist dies das erste Gesangsalbum der seit 2014 in Stockholm lebenden und dort am „Royal College of Music“ studierenden Isländerin, die ihren musikalischen Schwerpunkt bislang ganz auf das Piano legte und dafür auch zahlreiche Preise einheimste. So gelingt es der brillanten Technikerin mit großer Leichtigkeit, auf den Tasten stimmungsvolle, expressive Soundteppiche zu zaubern, die mit abwechslungsreichen, liebevoll arrangierten Details gespickt sind und ihre Stimme perfekt ins Rampenlicht stellen. „Der rhythmische Fluss der Töne erinnert gleichzeitig an Keith Jarrett und an die Atmosphäre der isländischen Folklore“, resümierte die Jury des renommierten Stockholmer Jazzclubs „Fasching“, der ihr vor drei Jahren den „Publikumspreis“ verlieh. Anna Gréta selber verweist aber auf Bill Evans und die Beatles als frühe prägende Einflüsse – und auf die Natur als wichtigste Quelle der Inspiration. Bei der Produktion ihres vielversprechendes ACT-Debüts ging ihr der in Island gerade besonders angesagte Pop-Produzent Albert Finnbogason zur Hand, und sie holte international erfolgreiche isländische Jazz-Schwergewichte wie den Bassisten Skúli Sverrisson, den Gitarristen Hilmar Jensson und ihren Vater, den Saxophonisten Sigurður Flosason mit an Bord, die die Songs mit hörenswerten Soli veredeln. Der ideale Soundtrack, um damit kühle, düstere Herbstabende mit einem guten Glas Rotwein vor dem wärmenden Kaminfeuer zu verbringen.

(ACT)