Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Peter Füssl · 14. Feb 2017 · CD-Tipp

Andreas Schaerer: The Big Wig

2015 lautete das Motto des renommierten Lucerne Festivals „Humor“, was läge da näher, als den exzellenten, mit allen vokalartistischen Wassern gewaschenen, jegliche Stilgrenzen hinter sich lassenden Andreas Schaerer mit seiner Band Hildegard Lernt Fliegen einzuladen. Zumal der Stimmkünstler auch noch ein begnadeter Performer, Improvisator und – in diesem Zusammenhang besonders wichtig - Komponist ist. Schaerer schuf in fünf Monaten das sechssätzige Orchesterwerk „The Big Wig“ für 66 Musiker.

Das Ergebnis sind fünfzig an Experimentierlust, Abwechslungsreichtum und schrägen Ideen kaum zu übertreffende Minuten, in denen sich das einst von Pierre Boulez gegründete und von Mariano Chiacchiarini geleitete Lucerne Festival Academy Orchestra mit Schaerers Stamm-Sextett wechselseitig musikalisch reibt, es umgarnt, fordert und zu Höhenflügen inspiriert. Ein Feuerwerk an unorthodoxen Klangideen, ausgeklügelten Orchesterpassagen und inspirierten Soli bis hin zu einem kollektiv improvisierenden Sinfonieorchester. Wie ein roter Faden zieht sich die alle Facetten der Ausdruckskunst und Klangerzeugung ausschöpfende Stimme Schaerers durch diesen üppigen akustischen Dschungel, der auch wunderschöne lyrische Klanglandschaften beinhaltet. Dieser nennt im Booklet als Inspirationsquellen Debussy, Strawinsky, Bartók, Ligeti, vor allem Boulez und – wen wundert’s? – Frank Zappa. Löblicherweise wurde die Uraufführung am 5. September 2015 im Luzerner KKL vom SRF in Ton und Bild festgehalten, denn dieses musikalische Großereignis hat natürlich auch visuell viel zu bieten. Mit „The Big Wig“ hat Andreas Schaerer, den Kenner schon lange zu den herausragenden Vokalisten der Gegenwart zählen, endgültig auch den Sprung in die Liga der interessantesten Tonsetzer und Klangarchitekten geschafft. Er verbindet absolute Ernsthaftigkeit mit hintergründigem Witz, das hat Kraft und Energie und spricht Kopf und Bauch gleichermaßen an. (ACT)

Konzert-Tipp: Die aufwändige Produktion ist am 6.5. beim Offbeat Festival in Basel und am 10.5. beim Jazzfestival Schaffhausen nochmals zu hören und zu sehen.