Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Karlheinz Pichler · 15. Jul 2018 · Ausstellung

Zwischen Fastfood und Fastart - „Hot Dog & Friends“ in der Artenne Nenzing

Unter dem Titel „Hot Dog & Friends“ zeigt die Artenne Nenzing aktuell Gemälde, Zeichnungen, Fotografien, Objekte und Installationen von zwölf Kunstschaffenden, die dokumentarische, ironische, schräge, kuriose und auch kritische Blicke auf die ressourcenverschwendende Nahrungsmittelkette werfen.

Mehrere Positionen in der „Hot-Dog-&-Friends“-Show thematisieren dabei auf unterschiedliche Art und Weise die Fast-Food-Kultur. Das beginnt etwa bei Nikolaus Walter, der mit Fotografien, die er 1972 in einem Drive-in und in einem Esslokal in Hamilton in Ontario (Kanada) gemacht hat, das Thema also schon zu einem Zeitpunkt aufgegriffen hat, als bei uns noch keine Spur von McDonalds oder Burgerking in Sicht war. Wie alle seine fotografischen „Sozialstudien“ sind auch diese Bilder in Schwarzweiß gehalten und belegen einmal mehr das große Gespür des in Feldkirch lebenden Fotokünstlers für die Geschichten von Menschen und Orten.

Fast Food als Idylle


Entspricht das Werk Walters sehr persönlich angelegten dokumentarischen Studien und Reportagen, so sind die Farbfotografien des aus Schottland stammenden Künstlers David Murray inszeniert. Seine Bildmotive werden im Atelier kreiert und konstruiert. Dabei geht Murray vor wie ein Modellbauer. Er errichtet puppenhausartige Räume und verbaut sie zu miniaturisierten Stadt- und Bergwelten, idyllischen Szenerien oder eben auch zu Fast-Food-Landschaften. In seinen in Nenzing gezeigten Arbeiten aus der Serie „All you want“, zu der er durch einen New York-Aufenthalt inspiriert wurde, visualisiert er Hotdogs mit Senf und eine Ketchup-Installation in verklärter Anmut und gleichwohl als Fastfood verspottend. In Murrays Inszenierung erscheinen Ketchup-Plastikflaschen, Senf und Würstchen fast als idyllische Schönheiten. Gleichzeitig kippt das Bild im Auge des Betrachters im Erkennen von Fastfood als fragwürdiger Ausdruck moderner Lebensweisen. Murrays Bildwelten sind immer zweischneidig.

Das Atelier, das wie eine Würstchenbude aussieht


Gut dazu passt hier auch die „Fastkunst“ des Schweizer Künstlerduos Lipp & Leuthold, mit der sie unter anderem auch 2007 an der Sideshow der Dokumenta 12 in Kassel gastierten. Der Name des Projekts ist dabei im doppelten Sinne Programm. Lipp & Leuthold kreuzen bei Veranstaltungen mit einem mobilen Atelier auf, das aussieht wie eine Würstchenbude. Die verschiedenen Menus von Pommes um 9.50 bis zur Schlachtplatte für 23.50 sind über dem Tresen analog zu den Fotografien des Angebots in einem Kebabstand hingemalt. Wenn nun jemand eine Bratwurst mit Rösti oder ein Steak mit Gemüse bestellt, wird statt Öl in die Pfanne, Ölfarbe auf die Leinwand gepinselt. Nach wenigen Minuten hält man ein frisch gemaltes Bild des bestellten Menus in der Hand, damit die frische Farbe keine Spuren auf der Vernissagen-Garderobe des Käufers hinterlässt, stilecht in Alufolie verpackt. Lipp & Leuthold entmystifizieren mit ihrer Aktion das Bild des inspirierten Künstlers im Atelier. Sie malen auf Bestellung vorgegebene Motive, und das unter den Augen des Publikums, in einer offenen Küche sozusagen. Dabei setzen sich die beiden ernsthaften Maler bewusst dem Risiko aus, dass der Kunstgehalt ihrer Bilder in Frage gestellt wird. Das einerseits durch die Massenanfertigung der Bilder, andererseits aber auch durch den spottbilligen Preis.

Zu den Schnellgerichten zählen in der Regel auch Spiegeleier. Die aus Wien stammende und heute in Frastanz ansässige Künstlerin Franziska Stiegholzer, die für ihre Installationen häufig auf Materialien zurückgreift, die im Bauwesen verwendet werden, wie etwa Kabelbinder oder Holzschindeln, verleiht den Spiegeleiern Dauerhaftigkeit, in dem sie sie in Gips anfertigt. Ihre eigens für „Hot Dog & Friends“ angefertigen Eierobjekt bestehen aus bis zu fünf Dottern.

Hot Dog mit Flügeln


Von May-Britt Nyberg Chromy sind fotografische Beispiele ihres Langzeitprojektes „Kühlschränke“ zu sehen. Ausgangspunkt dieser Serie ist der Umstand, dass Kühlschränke nicht nur Aufbewahrungsorte für Nahrungsmittel sind, sondern auch als Kommunikationsdrehscheiben mit zentraler, fast skulpturaler Stellung im Wohnbereich dienen. To-do-Listen werden genauso angeheftet wie Postkarten, Todesanzeigen oder Sonderangebote von Supermärkten. Ist die Künstlerin irgendwo auf Besuch, ist der Gastgeber nie davor sicher, dass sein Kühlschrank von Innen und von Außen fotografiert wird. Neben solchen Kühlschrank-Impressionen zeigt Nyberg Chromy aber auch noch sechs schräge „Hot Dogs“ mit Flügeln, die von der Decke hängend im Raum schweben.

Realistisch geht es bei Martin Geier zu. Der in Algund im Südtirol lebende und arbeitende Künstler, der auch eine Galerie betreibt, hat Bauern in Ulten (Südtirol) bei Hausschlachtungen zugeschaut. Die eindringlichen Ergebnisse dieser fotografischen Dokumentation sind gleichsam als Kontrapunkt zum omnipräsenten Fastfood-Unwesen zu sehen.

Die Schüblinge sind gelandet

Eines der zentralen Experimentierfelder des Zürcher Künstlers Max Grüters ist die Raumfahrt. Mit dem Projekt „My Private Space Program“ schaffte der Künstler mit computeranimierten Astronauten, dreidimensional modellierten Weltraumfahrern, im Gitterrasterverfahren hergestellte Kosmonauten-Szenerien, handmodellierten Dübel-Raketen-Plastiken oder Digitalfotos in Leuchtkästen sein privates Weltraumprogramm. Für „Hot Dog & Friends“ hat er via Computer einen Astronauten gezeichnet und geplottet, der an einem strahlenden Stern Würstchen grillt. Ein paar reale Schüblinge sind, an einem US-amerikanischen Hilfspaket-Fallschirm hängend, inmitten des Ausstellungsraumes gelandet. In Anlehnung an Modellspielzeug-Kits konstruierte Max Grüter auch Bausätze für Obst und Brot. Da sie aus Plastikguss fabriziert sind, sind sie für den Verzehr allerdings nicht geeignet.

Der in Hard beheimatete Florian Gerer, seines Zeichens auch aktueller Präsident von Kunst.Vorarlberg, hat es auf alltägliche Situationen abgesehen, die er mit einer analogen „point-and-shoot“ Kamera dokumentiert. Die entstandenen Fotografien, in diesem Fall eine Anordnung weggeworfener Getränkedosen und Lebensmittel, werden gedruckt und weiter verarbeitet. Dabei ist die Nähmaschine ein unerlässlicher Bestandteil. Er printet die Bilder nämlich auf mehreren A3-Bildern aus und näht diese dann zu einem Gesamtbild zusammen.

Von Zwiebeln und Milka-Kühen

Die in Innsbruck geborene und heute in Wien und Berlin lebende und arbeitende Künstlerin, Autorin und Filmschaffende Sabine Groschupp hat im Rahmen eines Langzeitprojektes die Besonderheit von Stofftaschentüchern schöpferisch genutzt und ihre über die Jahre angesammelten Schnäuz-, Nies- oder Trost-Vorlagen in den Mittelpunkt gestellt. Eine der dabei entstandenen Serien heißt „101 Taschentücher der Tränen“. Auf diese Textilien hat sie Gedichte und Kürzestgeschichten gestickt, die den vielseitigen Einsatz dieser Tränentrockner evozieren. Manche dieser Texte tangieren auch Nahrungsmittel, etwa wenn es gilt, die Tränen beim Zwiebelschneiden abzutrocknen:

„geruchlos, wenn in brauner Schale
der erste Schnitt hinein
in das weisse Fleisch
Ringe platzen
Gerüche setzen sich frei
Selten so geweint
wie bei einer scharfen Zwiebel, sagt er

Thomas Hoor wiederum bezieht die Vorlagen zu seinen Werken aus Fotografien, die er selber macht, oder aus Abbildungen, die er aus Zeitschriften und Magazinen ausschneidet und kistenweise sammelt. Er hält in seinen Arbeiten Augenblicke der Zeit fest. Es sind stets kleine Geschichten, die er entweder in großzügigen freien Gesten oder in fast realistischer Exaktheit auf die Leinwand oder aufs Papier bringt. In der Ausstellung ist er unter anderem mit einer Zeichnung einer Milka-Kuh präsent. Er irritiert den Betrachter allerding damit, dass statt „Milka“ der Schriftzug „Mord“ violett ins Auge springt. Hoors Kuh zurseite gestellt ist noch eine weitere Milka-Kuh, allerdings vom Guggging-Künstler Franz Kamerlander, der sich offenbar auch einmal mit diesem Thema befasste. Während die Kuh von Hoor sehr realistisch gehalten ist, scheint diejenige von Kamerlander nicht verwunderlich ziemlich aus den Fugen geraten.

Hot Dogs & Friends
Martin Geier (I), Florian Gerer (A), Sabine Groschup (A), Max Grüter (CH), Thomas Hoor (A), Franz Kamerlander (A), Lipp & Leuthold (CH), David Murray (GB/A), May-Britt Nyberg Chromy (DK/A), Franziska Stiegholzer (A), Nikolaus Walter (A)

Artenne Nenzing
bis 5.8.2018
Mi u. So 16-19 und bei Veranstaltungen
oder nach telefonischer. Vereinbarung: 0(043)664 7357 4514 (nachmittags)
www.artenne.at