"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Karlheinz Pichler · 27. Okt 2013 · Ausstellung

Wenn das Warten auf den Bus das Schönste an der Fahrt ist

Erinnert Architektur an ein Bretterlager, an einen Wachturm oder an eine Camera Obscura, dann kann nur die Gemeinde Krumbach ihre Hände mit im Spiel haben. Denn sie, respektive der Verein Krumbach und das VAI, hat sieben internationale Architekturbüros eingeladen, spezielle Buswartehäuschen für die bestehenden Haltestellen des Landbusses im Ort zu planen. Die kleinen Häuschen zum Thema „Bus:Stop“ sind ein großer Wurf, wie die sieben Modelle belegen, die kürzlich im Kunsthaus Bregenz präsentiert wurden. Eine Wartestation ist bereits realisiert, die restlichen sollen bis zum Frühjahr 2014 mit Hilfe lokaler Partner umgesetzt werden.

Schon die bestehenden Wartehäuschen, die die Handschrift des Vorarlberger Baukünstlers Hermann Kaufmann tragen, sind nicht ohne. Mit Kaufmanns Einverständnis werden diese jedoch an andere Stellen im Bregenzerwald umgesiedelt, um dadurch Platz für die Visionen der internationalen Kollegenschaft zu erhalten.

Initiiert wurde „Bus:Stop“ vom Verein Krumbach und dem Vorarlberger Architekturinstitut (VAI), die den Chef des Architekturzentrums Wien, Dietmar Steiner, als Kurator für das Projekt gewinnen konnten. Steiner lud keine Stararchitekten zur Beteiligung ein, sondern vor allem kleine Büros mit skulpturalem Interesse: Rintale Eggertsson Architects aus Norwegen, Amateur Architecture Studio mit Wang Shu und Lu Wenyu aus China, Smiljan Radic aus Chile, DVVT - Architecten aus Belgien, Alexander Brodsky aus Russland, Ensamble Studio aus Spanien sowie aus Japan den Architekten Sou Fujimoto, der den diesjährigen Serpentine Pavillon in London errichtet hat. Für Steiner war es wie ein Wunder, dass sämtliche kontaktierten Büros innerhalb von vier Wochen ihre Beteiligung zugesagt hätten.

Architekten schwärmen von den Verhältnissen vor Ort


Im Frühling fanden sich die meisten involvierten Architekten in der Bregenzerwälder 1000-Seelen-Gemeinde Krumbach ein, um die Verhältnisse vor Ort zu studieren. Sie seien sämtlich von den Wälder Handwerksbetrieben, den heimischen Materialien und der vorherrschenden Baukultur begeistert gewesen, so Kurator Steiner. Die Entwürfe, die in der Folge eintrafen, sind denn auch mit Zitaten auf Landschaft, Natur und Bautradition im Bregenzerwald gespickt, wie sich anhand der im KUB ausgestellten Modelle nachvollziehen ließ. Trotz dieses Einbezuges lokaler Eigenheiten sind die individuellen Handschriften der verschiedenen Büros aber unverkennbar. So vielfältig die kulturellen Hintergründe der internationalen Architekten sind, so vielfältig sind auch deren Einreichungen.

Ein zentraler Teil des Konzepts der „Bus:Stop“-Organisatoren und von Dietmar Steiner war es von Beginn an, den internationalen Architektenbüros lokale und regionale Partner zur Seite zu stellen, mit denen die Pläne für die „Wartehüsle“ gemeinsam umgesetzt werden sollen. Bereits fertig und eingeweiht ist die Haltestelle-Vorstellung von Smiljan Radic (lokaler Kontaktarchitekt: Bernardo Bader). Die anderen Modelle sollten bis zum Frühjahr 2014 verwirklicht sein.

Wälderstube als „Wartehüsle“


Der Chilene Radic sei schon bei der Einladung von der „verrückten Idee“ begeistert gewesen, lässt Kurator Steiner wissen. Im Anschluss an die Besichtigung der 1,5 bis 2,5 Quadratmeter großen Baustellen habe er Unmengen von Katalogen und Büchern über die lokale Kultur mit nach Hause nach Santiago de Chile geschleppt. Sein Pavillon aus Stahl und Glas nimmt die geringe Raumhöhe einer klassichen Wälderstube auf, und die Struktur der schwarzen Betondecke erinnert an die typische Kassettendecke einer solchen Stube. Bäuerliche Holzsessel, die den Wartenden zur Verfügung stehen, sind ein weiterer Verweis auf die heimelige „Stube“, die nun, dem Kontext des Interieurs entrissen, in der Landschaft steht. Als zusätzlicher Eye-Catcher und Ablenkungsgegenstand ragt vom Dach aus noch ein Vogelhäuschen aus Eichenholz in die Lüfte.

Im Dialog mit Ort, Raum und Natur


Für die chinesischen Pritzker-Preisträger Wang Shu und Lu Wenyu vom „Amateur Architecture Studio“, mit Hermann Kaufmann als Projektpartner vor Ort, ist die Anspielung auf die Landschaft stets ein wesentlicher Aspekt ihres Schaffens. Ihr Vorschlag erinnert an eine Camera Obscura. Es handelt sich um einen konischen Raum, der sich zur Straße hin weitet und hinten den Blick über ein schmales Fenster bündelt und auf den Pfänder fokussiert.

Alexander Brodsky (Kontaktarchitekt: Hugo Dworzak), der als einer der Hauptvertreter der sowjetischen Papierarchitektur gilt, reagiert auf die schwierige Raumsituation neben einem simplen Einfamilienhäuschen mit einer radikal-minimalistischen Turmkonstruktion aus Holz.

An der Baustelle der belgischen Architekten Jan De Vylder, Inge Vinck und Jo Taillieu (DVVT), mit Thomas Mennel als Projektpartner vor Ort, kommen drei Straßen zusammen. Inspiriert von der geometrischen Form der Gesteinsmassen, die die Alpenpässe säumen, und von einer Arbeit von Sol Lewitt haben sie dreieckige, lackierte Stahlflächen zu einer Pyramide gefaltet. „Eine Schutzhütte, aber offen nach allen Seiten.“ (Steiner)

Im Grenzbereich zwischen Architektur, Kunst und Design bewegen sich Sami Rintale (Finnland) und Dagur Eggertsson (Island), die ihr Architekturbüro „Rintale Eggertsson“ in Norwegen unterhalten (Kontaktarchitekt: Carlo Baumschlager). Nach Ansicht von „Rintale Eggertsson" werden in der Zukunft 50 Prozent der Bevölkerung in Städten leben. Sie aber wollen sich um die anderen 50 Prozent kümmern, denn sie seien mit ihrer Arbeit der Landschaft verhaftet. Ihr Vorschlag für ein geschindeltes Holzwartehäuschen am Krumbacher Tennisplatz ist zweistöckig. Während der untere Bereich dem Warten dient, kann der obere als Tribüne genutzt werden, um während des Wartens auf den Bus den Leuten beim Tennisspielen zusehen zu können.

In einem „offenen Dialog mit der Natur“ sieht sich der Japaner Sou Fujimoto (mit Rene Bechter als hiesigem Kontaktarchitekten). Als eine Art Erweiterung seines Serpentine-Pavillons in London (2013) verkörpert sein Krumbacher Beitrag einen offenen „Wald“ aus wilden dünnen Stahl- und Holzstangen, die keinerlei Schutz und Wärme bieten. Er betont damit „die mögliche Vertikalität dieses Ortes“,  wie es Dietmar Steiner formuliert. Im Inneren dieses Stangengewirrs schraubt sich dann noch eine gewendelte Stiege hoch, die als Aussichtsplattform verwendet werden kann. Die Möglichkeiten zur besonderen Wahrnehmung von Ort, Raum und Natur verdrängen hier die Schutzfunktion eines „Wartehüsles“.

Sehr speziell geben sich auch Debora Mesa und Anton Garcia Abrill vom Ensamble Studio (Spanien). Dieses Studio (Projektparnter: Helmut Dietrich) setzt sich immer mit der Geschichte des Ortes auseinander. Sie waren von der elementaren Qualität und von den rohen, unbehandelten Eichenbrettern und deren Schichtung in den Trockenlagern in den Holzwerkstätten und Zimmereien im Bregenzerwald total fasziniert, lässt Kurator Steiner wissen. Ihr Pavillon besteht folglich ausschließlich aus solchen aufgestapelten, unbehandelten Brettern. In ihrer Anordnung und Lage umschreiben sie aber gleichwohl einen geschützten wie auch offenen Raum.

Ausstellungsserie


Laut Kurator Dietmar Steiner steht in Krumbach praktisch die ganze Bevölkerung hinter dem Projekt „Bus:Stop“. Über den Umweg „Architektur-Tourismus“ sollte die Gemeinde für ihr Engagement auch einiges von diesem Unterfangen zurückerhalten. Für den entsprechenden Bekanntheitsgrad von „Bus:Stop“ soll eine Ausstellungsserie sorgen. Wenn alle Wartehäuschen fertig gebaut sind, soll laut der VAI-Direktorin Verena Konrad dazu im kommenden Frühjahr im Architekturmuseum Basel der Startschuss erfolgen.