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Karlheinz Pichler · 04. Nov 2016 · Ausstellung

Vom Ende und vom Beginn - Kirsten Helfrich in der Galerie allerArt Bludenz

Bislang hat sich erst eine Hand voll Blätter von der Wand gelöst. Diese liegen nun ein wenig vereinsamt am Boden der Galerie allerArt in der Remise Bludenz und scheinen weiterer herabfallender Blätter zu harren. Sie alle sind Bestandteil eines 9,80 Meter langen und 2,40 Meter hohen Laubfeldes, eines „lebenden“, rechteckigen Wandbildes, das im Zentrum der Ausstellung von Kirsten Helfrich in der Bludenzer Galerie steht.

Das Laub-Rechteck nimmt fast die gesamte Fläche der Längswand des Ausstellungsraumes ein. Nur ein cirka ein Meter breiter Streifen an allen Seiten bleibt weiß. Die bunten Herbstblätter, die dicht aneinander geschoben sind, wurden farblich sortiert und entsprechend angeordnet. Im Verlauf der Ausstellung sollen die Blätter vertrocknen, sich zusammenrollen, ihre Farbe und ihren Geruch ändern und womöglich auch zerbröseln. Bislang hat sich das mit Hilfe von Schulkindern im Raum Bludenz gesammelte und an die Wand geklebte Laub gut gehalten. Dennoch schreitet der Prozess der Trocknung und des Einringelns unaufhaltbar fort.

 

Prozess der Vergänglichkeit

 

Bewusst auf Landart oder Arte Povera verweisend, zeichnet Helfrich hier den Prozess der Vergänglichkeit anhand eines natürlichen „Materials“ nach. Zudem ist es der Künstlerin ein wichtiges Anliegen, dass das Feld mit den bunten Herbstblättern tatsächlich ein exaktes Rechteck darstellt, das an die konkrete Kunst und den Konstruktivismus erinnert und sich durch den natürlichen Verfallsprozess sukzessive auflöst. Helfrich: „Ich mag die Kombination von einer genauen, konkreten Form und dem Zufall, dem Nichtlenken oder -bestimmen können.“

Das monumentale, natürliche Farbkonglomerat wird von Fotos vom Haus der Großeltern der 1976 im deutschen Weingarten geborenen und seit Jahren in Bregenz lebenden und arbeitenden Künstlerin flankiert. Dazu muss man wissen, dass dieses Haus nach dem Tod der Großeltern in den Besitz von Kerstin Helfrich übergangen ist. In den vergangenen zwei Jahren hat sie viel Zeit dafür investiert, um das Gebäude, das 1960 von ihrem Großvater zusammen mit ihrem Vater errichtet wurde, nun ebenfalls wieder zusammen mit ihrem Vater umzubauen.

 

Kreisläufe des Lebens

 

Auf der einen Seitenwand der Galerie allerArt ist ein Papierabzug eines Fotos zu sehen, welches das renovierte Haus in seinem aktuellen Zustand zeigt. Ein altes Foto des Hauses aus den 1960er Jahren hingegen ist physisch nicht präsent, sondern es wird als Videoprojektion und somit nur „immateriell“ auf die andere Seitenwand geworfen. Aber aufgrund der minimalen Ausmaße der Fotografie und auch bedingt durch die Helligkeit in der Galerie sind die Einzelheiten nur schlecht erkennbar. Das Bild scheint zu verschwimmen und sich sukzessive aufzulösen. Auch diese architektonische Transformation steht für die Künstlerin als Symbol für die Kreisläufe im Leben. Es sei ein Generationswechsel – Ende und Beginn.

 

Kirsten Helfrich geht es bei dieser Installation, zu der auch noch ein auf einem Sockel präsentierter und in einem Kreis ausgelegter Haarstrang zählt, wie so oft bei ihren Werken, um Prozesse, um das Vergehen und neu Wachsen und die Veränderung. Die deutsche Künstlerin, die an der Akademie der Bildenden Künste München und am Royal College of Art in London studiert hat, setzt sich mit ihren multimedialen Installationen, Videoarbeiten und vielfach auch Zeichnungen immer wieder mit existentiellen Erfahrungen auseinander. Sie untergräbt den Ewigkeitsanspruch der Kunst, in dem sie bevorzugt vergängliche und verderbliche Materialen einsetzt.

 

Kirsten Helfrich: „Ende und Beginn“

Galerie allerArt in der Remise Bludenz

bis 27.11.2016

Mi-So 15-18

www.allerart-bludenz.at