Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Karlheinz Pichler · 02. Dez 2015 · Ausstellung

Raumeingriffe mit Regalsystemen und lackierten Kartonelementen – Heimo Zobernig im Kunsthaus Bregenz

Der Künstler Heimo Zobernig, der Österreich auf der diesjährigen Biennale von Venedig vertreten hat, ist bekannt für reduzierte, glasklare Settings, die stark in räumliche Situation eingreifen und Verweise auf Konstruktivismus, Zürcher Konkrete oder den Minimalismus auf sich tragen. Für das aktuelle Update der Moderne im Kunsthaus Bregenz (KUB) und dem damit zusammenhängenden Materialverschleiß dürfen sich Baumärkte und Kartonagenhersteller beim Künstler bedanken.

Im ersten Obergeschoss des KUB zeigt der 1958 im kärntnerischen Mauthen geborene und heute in Wien lebende Künstler Heimo Zobernig insgesamt 26 unterschiedlich leere Regale. Eigentlich ist es eine kleine Retrospektive von selber kreierten Variationen des schon legendär gewordenen, simplen Ikea-Billy-Regals, die er im Laufe seiner künstlerischen Karriere aus Pressspan und ähnlichen Stoffen gefertigt hat. Regale sind für den Künstler Skulpturen mit angewandter Bedeutung. Sie zeigen eine Beziehung zum menschlichen Maß. Sie seien nicht nur Behelf, sondern immer auch ein „Gegenüber“, wie er es selber nennt. Die von ihm häufig eingesetzten Pressspanplatten schätzt er, weil es sich hier um ein sehr „demokratisches Material“ handle, einer Synthese aus Abfall.

Zwei runde Regale enthalten Schaufensterpuppen in ihrem Kern. Den Endpunkt setzt das Plakatmotiv der Ausstellung, eine mobile Wand, ähnlich jenen Paravents, die beim Abfotografieren von Bildern und Skulpturen im Atelier den Hintergrund ausblenden. Die Kunsthaftighaftigkeit solcher Stellwände mit Rollen sei ihm erst nach vielen Jahren des Gebrauchs bewusst geworden, erklärt Zobernig.

Im zweiten Stock hat der Kärntner mit Hilfe von Aluminiumträgern und riesigen schwarzen Vorhängen einen bühnenartigen Raum im Raum geschaffen. Unter anderem sei dies ein „Reflex“ auf die schon im Vorfeld der Ausstellung installierte schwarze Wand auf dem Vorplatz des KUB. „Diese Vorhangarbeit besteht aus Aluminiumtraversen, wie sie etwa für Bühnenaufbauten verwendet werden. Und die sind so hoch, dass wir da, wo die Traverse läuft, die Decke herausgenommen haben. Die Leute können endlich mal die Deckenstruktur sehen … Raum im Raum, ausgehängte Lichtdecke. Da hängt jetzt die Decke schwebend frei im Innenraum … man kann hinaufschauen – ein wunderbarer neuer Raum“, erklärte Kurator Rudolf Sagmeister sinngemäß bei der Begehung. Durch diese Freilegung wird für den Besucher ersichtlich, wie der Architekt Peter Zumthor es schafft, in allen Stockwerken eine Oberlicht-Situation herzustellen. In jedem Stock gibt es eine gläserne Decke, eine Glasverkleidung unter der tragenden Betondecke. Zobernig montierte diese Glaslamellen zum Teil ab, und nun sieht man darüber die Apparaturen einer künstlichen Beleuchtung. Man sieht aber auch, dass von außen Tageslicht in diesen normalerweise mit Glas abgehängten oberen Bereich der Räume fällt, während die Räume selbst ja fensterlos sind.

„Idealer Raum“ für Bronzeskulptur


Im dritten Obergeschoss schließlich findet sich ein Nachbau der Deckeninstallation aus dem von Zobernig gestalteten österreichischen Pavillon in Venedig. Die einzelnen Elemente der über den Köpfen der Besucher schwebenden Verbauung sind aus schwarzlackierten Kartonmodulen gefertigt. Die Installation musste gegenüber Venedig  aufgrund der baulichen Gegebenheiten etwas gekürzt werden, lässt Sagmeister wissen. In dem Raum befindet sich auch die ursprünglich für die Biennale vorgesehene Bronze-Skulptur. Zobernig zeigte sich „überglücklich“, im KUB den „idealen Raum“ für die erste Präsentation dieser Figur gefunden zu haben. Konkret handelt es sich um Elemente von Schaufensterpuppen, versehen mit einem Latexabdruck vom Gesicht des Künstlers. Die Figur besteht außerdem aus zahlreichen kleinen Kanälen und Röhren - Elemente aus dem Gussprozess - und zeigt somit noch die Spuren der Fertigung.

Vom Farbmodell CMYK abgeleitet


Aber eigentlich beginnt der Zobernig’sche Bregenz-Parcour bereits bei der Seestraße. Dort zieren die KUB-Billboards Farbquadrate, die der Künstler vom Farbmodell „CMYK“ abgeleitet hat, das die technische Grundlage für den modernen Vierfarbdruck bildet. Die Abkürzung CMYK steht für die Farbbestandteile Cyan, Magenta, Yellow und den Schwarzanteil Key als Farbtiefe, mit denen je nach Prozentanteilen alle Farben dargestellt werden können. Zobernig wählte die Anteile so aus, dass die Billboards eine Farbserie von Weiß, Blau, Rot, Gelb und Schwarz wiedergeben.

Und auf dem Vorplatz des KUB hat Zobernig bereits im Vorfeld seiner Personale im Zumthor-Bau eine riesige schwarze Wand aufgestellt, die praktisch einer Großform von Malewitschs „Schwarzem Quadrat“ gleichkommt, der Inkunabel des Suprematismus und der abstrakten Malerei überhaupt.

„Nobelpreis für Kunstan Zobernig


Für das zu Ende gehende Jahr darf Heimo Zobernig eine brillante Bilanz ziehen. Nicht nur, dass er Österreich bei der Biennale vertreten durfte und ihm das KUB die Möglichkeit zu einer seiner bislang größten Einzelausstellungen einräumte, hat die Roswitha-Haftmann-Stiftung vergangene Woche in Zürich entschieden, dem Österreicher den mit 150.000 Franken dotierten Roswitha-Haftmann-Preis 2016 zu verleihen. Es ist dies der höchstbemessene Kunstpreis Europas und gilt als heimlicher Nobelpreis für bildenden Kunst. Der Stiftungsrat wolle Zobernig "für sein unbeirrtes, vielfältiges Schaffen und für sein stringentes Gesamtwerk auszuzeichnen", hieß es zur Begründung. Und weiter: "Zobernig begreift Kunst als ein Kommunikationssystem, das über sich hinausweist und in die Lebenswirklichkeit der Betrachter eindringt." Der Preis geht auf eine Initiative der Schweizer Galeristin Roswitha Haftmann (1924-1998) zurück und wird zum nunmehr 16. Mal verliehen. Er ist für lebende KünstlerInnen vorgesehen, deren Werke "von überragender Bedeutung" seien.

 

Heimo Zobernig
Kunsthaus Bregenz
Bis 10.1.2016
Di-So 10-18, Do 10-21
www.kunsthaus-bregenz.at