Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Karlheinz Pichler · 15. Jul 2014 · Ausstellung

Mit dem Rennrad durch die Ausstellungsräume donnern – Bildstein/Glatz verwandeln das Feldkircher Palais Liechtenstein in ein „Velodrom“

Ein Radrennen, bei dem es um kein gelbes, rosa oder gepunktetes Trikot ging, sondern um die Vermittlung von zeitgenössischer Kunst, hat das österreichisch-schweizerische Künstlerduo Bildstein-Glatz vergangenes Wochenende in Feldkirch veranstaltet. Für dieses „Rheticus-Kriterium“ haben die beiden Kunstschaffenden die Ausstellungsräume des Palais Liechtenstein in ein komplexes „Velodrom“ umfunktioniert. Die aufwändig konstruierte Indoor-Radrennbahn ist samt „Fahrerbox“ und Fanartikelshop noch bis 7. September als Installation zu besichtigen und zu begehen.

Für den Aufbau der Radrennbahn mit eingelegten Kurven und einer regelrechten „Bowle“ im ersten Ausstellungssaal hat das Künstlerduo Bildstein/Glatz (Matthias Bildstein und Philippe Glatz) gut zehn Tage benötigt. Und insgesamt waren es rund 35 Supporter, die den Künstlern bei der Realisierung des Projektes helfend zur Seite gestanden sind. Die dramaturgische Annäherung an den „Top-Sport-Event“, für deren Organisation die Künstler die fiktive Firma „Bazz“ geschaffen haben, war entsprechend professionell: Check-in für Early Birds, Aufbauwoche, Streckenbesichtigung, Prolog, Raceday I mit 500 Runden Warmup,  Raceday II mit Rheticus Kriterium, Siegerehrung und Afterparty bis nach Mitternacht.

Fulminantes Spektakel

Den begeisterten „Ausstellungs“besuchern wurde an den Racedays eine fulminante Show geboten. So stand beispielsweise ein 12-Runden-Kriterium, ein Wettbewerb für die verrückteste Bremsspur, oder ein Messen, wer die Bowle-Kurve am höchsten durchqueren kann, auf dem Programm. Einen Rundenrekord, der unglaublicherweise unter 10 Sekunden lag, stellte der Gisinger Radfahrer Simon Ellensohn auf. Die Möglichkeit, nach der Steilkurve in einen der engen Türrahmen hineinzuknallen, stellte für ihn die größte Gefahr dar. Oder mit einem Besucher zusammenzustoßen, der während des Rennens die Rennbahn unbefugterweise quert. Tatsächlich gab es denn auch einige Stürze, wobei aber alle mit glimpflichen Abschürfungen davon kamen. Auch  ein dreiköpfiges DJ- und Ansagerteam durfte im Rahmen dieses Spektakels nicht fehlen. Den von den Feldkircher Stadtvätern vorbeigeschickten Feuerschutzbeauftragten stand weniger die Strenge, als vielmehr ein belustigtes Grinsen ins Gesicht geschrieben.

Zum Kunstprojekt Rheticus-Kriterium gibt es natürlich auch einen passenden Fanartikel-Shop. Philippe Glatz zufolge wollten sie auch die Basics, die in dieser Sportkultur existieren, nutzen, wie etwa die lustigen Schirmmützen, bedruckte Leibchen oder Broschüren. Von den mit Werbeaufschriften übersäten Rennrädern angefangen, über die in Graffiti-Manier bemalten Holzkonstruktionen, bis hin zu den mit dem „Bazz-Labeln“ übersäten Plakaten und Informationskarten wurden alle möglichen trivial-kulturellen Stilelemente in den Fun-Event miteinbezogen.

Fun- und Extremsport als Bausteine der Kunst

Mit dem „Rheticus-Kriterium“ wird der Hochleistungssport gleichsam auf die Schiene der Kunst gehievt und umgekehrt. Bildstein-Glatz beschäftigen sich schon seit längerem mit Fun- und Extremsport. Sie haben dafür bislang aber immer Skulpturen geschaffen, die funktional nicht zu benutzen waren. Als sie aber die Einladung nach Feldkirch erhielten, war für den aus Dornbirn stammenden Künstler Matthias Bildstein klar, dass im Palais auch tatsächlich gefahren werden soll. Und Kurator Arno Egger ließ den beiden Künstlern, die mit ihren monumentalen Holzkonstruktionen wie etwa dem irren „Umlenker“ in Schnepfau oder dem in den Bodensee hineinragenden Brückenfragment schon für großes Aufsehen sorgten, freie Bahn.

Wie immer wollen die beiden „Aktionisten“ mit ihren schrägen, Ironie-geladenen Interventionen in öffentlichen und privaten Räumen Diskurse auslösen. In diesem Fall etwa über die Hoch- und die Breitenkultur, über das Branding und Marketing, über die Ausschlachtung und Massenvermarktung von sportlichen Großveranstaltungen. Aus künstlerischer Sicht wiederum geht es Bildstein/Glatz um die Auflösung der Grenze zwischen Innen- und Außenraum durch den Entwurf und Bau einer benutzbaren, skulpturalen Rampenkonstruktion, die Verfremdung des etablierten Ausstellungsraumes durch Elemente des Fun- und Extremsports und damit um Überlegungen zum Charakter der Kunst als Event und Spektakel, wie sie gegenüber KULTUR betonen. Im Zeitalter der Rekorde und Gigantonomie, des immer Weiter, Höher und Größer aufgewachsen, verfolgen Bildstein und Glatz jedoch die aktuellen Entwicklungen eher als Beobachter denn als vehemente Kritiker. Immerhin haben sie ja ihren Spaß daran. Und sie versuchen, den Status quo auch auf ihr Medium zu übertragen. Ironie der Zeit: Am vergangenen Wochenende gingen in Brasilien ja auch die Finalspiele der Fußball-WM über die Bühne, und damit aus kommerzieller, marketingtechnischer und trivialer Sicht wohl die größten Auswüchse moderner Gladiatoren- und Volksverdummungsevents.

 

Bildstein/Glatz: Bazz – Rheticus Kriterium
Palais Liechtenstein, Feldkirch
bis 7.9.2014
Mi-Fr 16-19, Sa und So 10-13
www.palaisliechtenstein.at
www.bildsteinglatz.com
www.facebook.com/rheticuskriterium