Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Peter Niedermair · 13. Okt 2018 · Ausstellung

Handwerk + Form ’18

Gestaltungswettbewerb und Ausstellungsrundgang 13./14. und 18./19./20./21. Oktober 2018, täglich von 10 – 18 Uhr, in alten Werkstätten & Wirtschaftsgebäuden und im Werkraumhaus in Andelsbuch.

Handwerk + Form findet 2018 zum achten Mal statt. Mittlerweile hat dieser Gestaltungswettbewerb eine bedeutende regionale und internationale Ausstrahlung und überzeugt auf allen Linien. Der Wettbewerb mit seinem speziellen Dorfrundgang als Ausstellung wurde auf Anregung des Handwerkervereins Andelsbuch im Bregenzerwald in Zusammenarbeit mit dem Grafikdesigner Harry Metzler 1991 erstmals ausgetragen. Seit dem Jahr 2000 schreibt der Werkraum Bregenzerwald den alle drei Jahre stattfindenden Wettbewerb aus.

Der Werkraum Bregenzerwald ist ein Zusammenschluss von über 90 Handwerks- und Gewerbebetrieben aus der Talschaft. Die Ende der 1990er Jahre gegründete Initiative zielt darauf ab, die beteiligten Betriebe durch Vernetzung und gemeinsame Projekte zu stärken und die Bedeutung  des Handwerks in der Region zu pflegen und für die Zukunft jene Grundlagen zu schaffen, die eine qualitative Weiterentwicklung sichern. Das 2013 fertig gestellte Werkraumhaus als Versammlungsort und gleichzeitig Schaufenster der Handwerkskultur wurde vom Schweizer Architekten Peter Zumthor geplant und von den Werkraum-Handwerkern gebaut.

Altes Wissen, neue Formen

Handwerk + Form ist ein wesentlicher Beitrag zur Förderung der Kooperation von HandwerkerInnen und GestalterInnen. Der Wettbewerb soll die aktuellen Leistungen und die Qualität im Handwerk positiv beeinflussen und heben. Bau- und Wohnkultur stehen im Bregenzerwald, wie der Werkraum Bregenzerwald in seiner Pressemitteilung ausführt, „in einer langen Tradition, gestalterisches Feingefühl für Material und Maß wurden hier schon früh entwickelt. Der Wettbewerb soll das Verständnis dafür fördern und lebendig halten. Die eingereichten Objekte sollen Erzeugnisse für den täglichen Gebrauch sein – angemessen in der Herstellung, Handhabung und Wartung. Sie sollen in ihrer Funktion klar erkennbar sein und zur Benützung anregen. Die verwendeten Materialien sollen entsprechend der Nutzung und im Sinne der Nachhaltigkeit gerechtfertigt sein.“ Im Vordergrund steht dabei die Auseinandersetzung mit der Aufgabenstellung, zum Beispiel die Bearbeitung einer alltäglichen Problemstellung. Auf zeitgemäße Anwendungen alter Handwerkstechniken wird besonders hingewiesen. Projekte konnten in folgenden Kategorien eingereicht werden: Produkt, Bauhandwerk und Experiment.

Hochkarätig besetzte Jury

Für den diesjährigen Wettbewerb wurden 122 Einreichungen abgegeben, das ist die bisher höchste Beteiligung. 74 HandwerkerInnen aus dem Bregenzerwald haben sich mit 103 GestalterInnen aus Österreich, der Schweiz, Deutschland und anderen europäischen Ländern zusammengetan. Die aus Vertreterinnen aus Architektur, Design und Medien zusammengestellte Jury beschäftigte sich an zwei Tagen mit den eingereichten Prototypen. Elke Delugan-Meissl (Architektin und Partnerin DMAA – Delugan Meissl Associated Architects, Wien), Marianne Goebl (Geschäftsführerin artek, Helsinki), Hermann August Weizenegger (Designer, Atelier HAW, Berlin), Philipp Kuntze (Gründer World Crafts, Bern), Rianne Makkink (Architektin und Partnerin Studio Makkink&Bey, Rotterdam), Thomas Machhörndl (Herausgeber domus Deutsche Ausgabe, Wien) und Harry Metzler (Grafikdesigner, Schwarzenberg) waren von der breiten Streuung an Themen und von der Vielfalt an Gewerken beeindruckt. Der Wettbewerb Handwerk + Form ist mit EUR 15.000,- dotiert. Er wird über Beschluss der Jury auf die Auszeichnungen, Anerkennungen und Belobigungen verteilt.

Bekannte Namen unter den Preisträgern

Unter den Belobigten und Preisträgern finden sich bekannte Namen wie die Holzwerkstatt Markus Faißt, Hittisau, Tischlerei Mohr, Andelsbuch, Ofenbau Beer, Schoppernau, Tischlerei Bereuter, Lingenau, Holzhandwerk Fink, Au, Georg Bechter Licht, Langenegg, Mohr Polster, Andelsbuch, Schmidinger Möbelbau Schwarzenberg, Dür Naturholzmöbel, Alberschwende, Kunstschmiede Figer, Bizau, Tischlerei Rüscher, Schnepfau, Kaufmann Zimmerei und Tischlerei, Reuthe, Holzig Küchen & Möbel, Krumbach, Keramikwerkstatt Edith Schmuck, Thal, Tischlerei Valentin Winder, Alberschwende und Metzler Käse-Molke, Egg.
Alle zum Wettbewerb zugelassenen Arbeiten werden in Form eines speziellen Dorfrundgangs durch alte Werkstätten und Wirtschaftsgebäude in Andelsbuch gezeigt. Der Ausstellungsrundgang führt die BesucherInnen durch das ganze Dorf, in einen alten Brauereikeller, eine aufgelassene Metzgerei, eine Bäckerei und eine alte Schmiede. In den teils ungenutzten und sanierten Wirtschaftsgebäuden, trifft alte Bausubstanz auf modernes Design, was den Ausstellungsrundgang zu einem besonderen Erlebnis macht, zumal bei strahlendem Herbstwetter, wie es dieser Tage im Altweibersommer ganz selbstverständlich scheint. Ausgangs- und Sammelpunkt, das mentale Epizentrum, ist das Werkraumhaus, das sich dieses Jahr unter dem Motto „Markthalle“ präsentiert und mit regionaler Küche und Marktständen mit Produkten aus der Region aufwartet. Sehr reduziert und beeindruckend gestaltet ist diesmal besonders die Signaletik, die diesmal erstmals von einem Architekten, Simon Moosbrugger, in Zusammenarbeit mit Christian Feuerstein, eingerichtet wurde. Das Hauptfarbenspiel Gelb und Weiß spielt mit dem Schwarz der Konstruktion und spiegelt sich federleicht schwebend in den Glasfassaden in alle Richtungen. In Zusammenarbeit mit dem Kulturverein Bahnhof entstand ein anspruchsvolles Rahmenprogramm, ein musikalischer Frühschoppen, Jazzbrunch und Abendkonzerte sorgen an den Ausstellungstagen für beste Unterhaltung.

Das Handwerk und sein Kulturraum

Erstmals werden in Form einer Sonderausstellung Kooperationsprojekte außer Konkurrenz von Handwerksbetrieben des Werkraum Bregenzerwald mit internationalen Designschulen präsentiert. Gemeinsam mit Studierenden des Royal College of Art (RCA) in London wurden unter dem Titel „Designing Craft – Crafting Design“ experimentelle Wohnobjekte entwickelt, während mit dem Studiengang Manual & Material Culture / Design, Handwerk & materielle Kultur an der New Design University St. Pölten (NDU) vermarktbare Kleinserienprodukte umgesetzt wurden. Diese Prototypen sind in der Dorfwirtschaft Jöslar zu besichtigen. Neben dem Jöslar empfiehlt sich dieses Jahr besonders der Pavillon des Handwerkervereins Andelsbuch, „Herby’s Bar“. Diese liegt auf dem Ausstellungsparcour.
Unter dem Titel „Altes Wissen, neue Formen – Kulturelles Erbe in Handwerk und Baukultur, ein Beitrag zum Europäischen Kulturerbe-Jahr 2018“ startet Handwerk + Form mit einem Symposium in das zweite Ausstellungswochenende. Die eintägige Veranstaltung ist öffentlich und bietet nach einem gemeinsamen Ausstellungsrundgang am Vormittag die Gelegenheit, Ein- und Ausblick in vier Expertisen aus den Bereichen Architektur, Handwerk, praxisorientierte Forschung und Design im europäischen Kontext zu nehmen. Die internationalen ReferentInnen sind Helmut Dietrich, Architekt, Bregenz; Stefan Mayer, Steinwerk Andelsbuch; Rianne Makkink, Studio Makking&Bey, Rotterdam und Gunnar Almevik, Handwerksforscher, Göteborg. Moderiert wird das Symposium von der Kunst- und Kulturhistorikerin Renate Breuß. Sie ist die österreichische Vertreterin in der EU-Arbeitsgruppe Kulturerbe-Berufe im Wandel. Die Veranstaltung steht unter der Schirmherrschaft der Österreichischen UNESCO-Kommission (deren Präsidentin Sabine Haag wird eröffnen), unterstützt vom Verein der Freunde des Werkraums Bregenzerwald. „Wissenstransfer im Handwerk erfolgt traditionell von Mensch zu Mensch, wird von einer Generation an die nächste weitergegeben. „Dabei werden soziale Beziehungen und die Identifikation mit der Region und ihrer Kultur gestärkt“, schreibt Renate Breuß.
Traditionell ist der Freitag vor dem zweiten Ausstellungswochenende dem Nachwuchs und der Jugend gewidmet. Gemeinsam mit der Werkraumschule werden Schulklassen geführt und es kann an der Jugendbaustelle gewerkt werden. Abends findet in Zusammenarbeit mit der Offenen Jugendarbeit Bregenzerwald eine „Nahtstubat“ in „Die Gute Stube“ in Andelsbuch statt. Wie bei den vorangegangenen Malen sind alle Einreichungen und Preisträger, wie auch das gesamte Rahmenprogramm in der Handwerk + Form-Zeitung nachzulesen. Erstmals ist der Wettbewerb und Rundgang auch digital unter handwerkundform.com zu finden. Für den visuellen Neuauftritt, wie bereits oben erwähnt, wurde das Bregenzerwälder Gestaltungsbüro Super BfG engagiert. Werkraum- Geschäftsführer Thomas Geisler hat die neuen, innovativen Produkte der diesjährigen Handwerk + Form Ausstellung in ein überzeugendes Konzept verpackt. Im Bregenzerwald, da spielt sich’s ab: Regionale Wertschöpfung von hoher Qualität ist eingebunden in einen kosmopolitischen Kontext. Schon Franz Michael Felder pendelte zwischen der Welt draußen und der im Bregenzerwald.
Handwerk + Form ist ein spannender Ort, „um die kulturelle und soziale Welt des Handwerks neu zu entdecken und neu zu formieren“, wie Renate Breuß dazu schreibt. Handwerk + Form ’18 ist ein Ausflug wert. Buslinie 37 ab Bahnhof Bregenz, Buslinie 40 ab Bahnhof Dornbirn, bis Andelsbuch Gemeindeamt.

Kontakt & Information:
Werkraum Bregenzerwald
Andrea Masal  
+43 5512 26386
andrea.masal@werkraum.at
www.handwerkunform.com