"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Peter Niedermair · 09. Okt 2017 · Ausstellung

Die neue Garten-Galerie in Heilgard Bertels Atelier Spitzenegg Hohenems – Eröffnung der Ausstellung „Requiem“ am 7. Oktober 2017

„Ich will ein Reiter werden.“ Aus dem Kaspar Hauser Lied - Man tut nichts einfach so. Man redet miteinander. Manchmal auch mit sich selbst. Denn die Vielfalt der Meinungen ist auch in jedem einzelnen Menschen vorhanden. Jeder Mensch ist ständig in einem – oft auch kontroversen – Gespräch mit sich selbst. Mit Referenz an Ludwig Wittgenstein und Thomas Bernhard, dessen Literatur Mariella Scherling-Elia, die jetzt gerade, wenn wir hier im Garten vor der neuen Galerie Heilgard Bertels stehen, in Hohenems beerdigt wird, sehr mochte, „Alles was wir sehen, könnte auch anders sein“. Meine frühesten Erinnerungen an meine Kindheit spielen um ein Karussell, bei dem ich auf einem weißen hölzernen Pferd saß, an dessen Hals ich mich festhielt, eine Geschichte, die ein Foto aus diesen Jahren erzählt.

Zu den schwingenden Linien in den Skulpturen und Steinen der Künstlerin

Die Linien sind geschwungen, schwerelos, wie Engelschwingen, ‚Inklinationen‘ nannte man das im Mittelalter: ‚Zuneigungen‘, verwandt den Bogen der Brücken, die sich schwingen von Pfeiler zu Pfeiler, wie Melos, steigend und fallend über Höhen und Tiefen in sanftem Rhythmus gesungener Psalmen. Die Linien sind Schwingungen, weil alles, was wir sehen, alles, was wir hören, alles, was uns bewusst wird, letztlich auf der Wahrnehmung von Schwingungen beruht, alles vor allem Schwingung ist, selbst die Elementarteilchen der Atome kaum Materie, vorwiegend Schwingung. Was Prof. Franz Bertel in Anklängen zu den Linien von Franz Gassner dachte, trifft auch auf Heilgard Bertels Kunst zu.
Vermutlich ahnte die Künstlerin, dass sie ihre Forschungen u.a. mit den Steinen beginnen mussten, weil sie ahnte und wusste, dass es im Stein ein aktives Element der Kosmogenese und – wer weiß? – der Homogenese gibt. Sie begab sich in den Sog der Beobachtung, die bereits André Breton tief beeindruckt hatte: ‚Darum lassen die Steine, ohne sie auch nur im geringsten aufzuhalten, die allermeisten ins Erwachsenenalter gelangten Menschen vorbeigehen, diejenigen aber, die sie wider Erwarten zurückhalten, geben sie im allgemeinen nicht mehr frei. Überall, wo sich die Steine drängen, ziehen sie die Menschen in ihren Bann.‘

Heilgard Bertels geomorphologischen Prolegomena, sozusagen die Vorwörter zu diesem physischen Ökosystem, das sie in den Steinen der Gerölle im höheren Gebirge, im Rätikon oder auf Kreta entdeckt, besitzen, wie sich in einer komplexen Kombinatorik offenbart, ein Echoism, die Onomatopoesie, die Lautmalerei des sozialen Ökosystems. Und, tatsächlich gibt es Bindungen, die den Menschen, die Natur und den Geist der Materie in einer physica sacra vereinen. Und egal, ob wir ihn, den Augenblick von Innen heraus oder von Außen nach Innen anschauen. Heilgards Prinzipien, die sie in der Praxis der Natur findet und ihrer Theorie der Welt, d.h. der fließend eingefrorenen Zeit, die das Universum im Augenblick auslotet, sind ein Spiegel gegenwärtiger Gedächtnisse und projizierter Sehnsüchte, und als solche ein Abbild der Gegenwart, in dem das Hier und Jetzt, herunter verdichtet auf die Illusion, als könnte man die Liebe festhalten, die Sehnsucht mit einem Finger nachzeichnen, wo sie doch längst schon woanders ist.

Diese neue Galerie im Garten

Der Bau dieser Garten-Galerie steht am Anfang ihres neuen und – wie sie erzählt – wohl auch letzten Lebensabschnittes. Sie hat die Ausbildungen im maltherapeutischen Bereich nach all den anderen früheren Lehr- und Tätigkeitsabschnitten zurückgelegt, um für eigene künstlerische Tätigkeit, die sie immer begleitet hat, völlig frei zu sein. Sie kann in diesem Gartenland unter dem großen Baum am Fuße der Felswand ihren „Weltbezug“ schreibend und malend neu erfinden, und ihn mit Sichtweisen des Alters verbinden. Künstlerische Arbeit ist eine mögliche Antwort, um aus der Sprachlosigkeit angesichts der Rätsel und Fragwürdigkeiten dieser Welt, die im letzten Lebensabschnitt nicht kleiner, sondern bekanntlich klarer und größer werden, hinauszufinden.

Wände und Fenster

Die Galerie ist dazu da, um zu konfrontieren, die Bilder sind ein Spiegelfeld, sind Frage- und Antwortspiel, durch das man sich selbst und anderen begegnen kann. Fenster und Seele sind im Aramäischen und Hebräischen aus einer bedeutungsähnlichen Sprachwurzel, Fenster חלון Halon und Seele: נפש nefesch, das meint auch Geist, Empfindung … oder: רוח ruach, das meint auch Lebensatem, Geist, Verstand, Luft. In die Wand, von der die Künstlerin spricht, hat sie im übertragenen Sinn Fenster eingelassen und damit die Wand in ein Referenzsystem eingebettet. Marlene Haushofers Roman klingt herüber, oder Albert Camus Wand aus „Der Fremde“ – jener Roman, der parallel zu seiner philosophischen Abhandlung über das Absurde im Mythos des Sisyphos entstand. Das Reisen wie das Nachdenken vor der Wand als Ort der Reflexion führen uns zu uns selber. Am Fuß größerer Felswände lagern sich als Talus meist große Mengen von Gesteinsschutt ab, in Form von Schutthalden oder auch Blockgletschern, der durch laufende Erosion und vereinzelte Bergstürze entsteht. Markante Felswände erhalten nach ihren Eigenschaften oft einen Eigennamen. Darunter „Hohe Wand“, bzw. nach der Gesteinsfarbe „Weiße Wand“ oder „Rote Wand“.
Das Höhlengleichnis ist eines der bekanntesten Gleichnisse der antiken Philosophie. Es stammt von dem griechischen Philosophen Platon, der es am Anfang des siebten Buches seines Dialogs Politeía von seinem Lehrer Sokrates erzählen lässt. Es verdeutlicht den Sinn und die Notwendigkeit des philosophischen Bildungswegs, der als Befreiungsprozess dargestellt wird. Das Ziel ist der Aufstieg aus der sinnlich wahrnehmbaren Welt der vergänglichen Dinge, die mit einer unterirdischen Höhle verglichen wird, in die rein geistige Welt des unwandelbaren Seins. Den Aufstieg vollzieht zwar jeder für sich, aber da man dabei Hilfe benötigt, ist es zugleich auch ein kollektives Bemühen. Sokrates beschreibt eine unterirdische, höhlenartige Behausung, von der aus ein breiter Gang zur Erdoberfläche führt. In der Höhle leben Menschen, die dort ihr ganzes Leben als Gefangene verbracht haben. Sie sind sitzend an Schenkeln und Nacken so festgebunden, dass sie immer nur nach vorn auf die Höhlenwand blicken und ihre Köpfe nicht drehen können. Daher können sie den Ausgang, der sich hinter ihren Rücken befindet, nie erblicken und von seiner Existenz nichts wissen. Auch sich selbst und die anderen Gefangenen können sie nicht sehen; das Einzige, was sie je zu Gesicht bekommen, ist die Wand, der sie zugedreht sind. Erhellt wird ihre Behausung von einem Feuer, das hinter ihnen weit oben in der Ferne brennt. Die Gefangenen sehen nur dieses Licht, das die Wand beleuchtet, nicht aber dessen Quelle. Auf der Wand sehen sie ihre Schatten.

Pictures at an Exhibition

Die „Eröffnung“ der Galerie findet mit Bildern statt, die Heilgard Bertel neben plastischen Arbeiten im ersten Halbjahr dieses Jahres beschäftigt haben. Es ist keine übliche Vernissage von Bildern, sagt sie, dazu seien es zu wenige. Die „Rosse des Bartabas“ als Ausgangspunkt sind keine Requiem-Illustration zur Mozartwoche Salzburg 2017. Für die Künstlerin ist das Theriomorphe mit dem Seelengrund des Menschen verbunden und verdeutlicht etwas, was innerhalb der Psyche und außerhalb des Leiblichen zugleich wirksam ist. Die Stute als weibliches Pferd (altgem."stuot" - Herde) ist ein Symbol des Lebens, gehört daher zum archetypischen Feld der Großen Mutter mit Betonung des tragenden, mütterlichen Aspektes und tritt zum Geistaspekt in Beziehung: In Arabien werden Stuten „Töchter des Windes“ genannt, in frühen Kulturen glaubte man, sie würden vom Wind befruchtet. Als Reittier eines Mannes kann sie auch einen theriomorphen, das männliche Bewusstsein tragenden Animaaspekt darstellen; so kann der Dauphin in Shakespeares, König Heinrich V sagen: ‚[...] mein Pferd ist meine Geliebte.‘ Wie kein anderes Tier beeinflusste das Pferd die politische, kulturelle und Bewusstseinsentwicklung der Menschheit: Als Zug-, Last- und Reittier ermöglichte es dem Menschen eine enorme Ausdehnung seiner räumlichen und zeitlichen Grenzen, die lntensivierung von Land-und Waldwirtschaft, von Straßen- und Städtebau sowie Expansion und Eroberung neuer bzw. fremder Gebiete. „Im europäischen Kulturkreis gibt es wohl kein anderes Symbol, das seit magisch-mythischen Zeiten bis in die Gegenwart hinein mit solcher Kontinuität und Stringenz im wahrsten Sinne des Wortes tragfähig geblieben ist.“ (Vgl. Monika Rafalski: Empfinden, Intuieren, Fühlen und Denken, Kohlhammer, 2017)

Von Pferden und Menschen

Das Thema Pferd ist uralt, so alt wie der Mensch und fasziniert seit sich die evolutionäre Einheit aufgelöst hat. Im Mythos finden wir noch Widerspiegelungen davon. „Wehe der Mensch hat sein Pferd verloren.“ So endet jetzt der Zyklus mit dem „gestürzten Menschen“ mit dem Titel: „Ich wollte, ich hätte gewollt ein Reiter geworden zu sein …“ Was eine entfernte Reminiszenz an Kaspar Hauser und Georg Trakl ist. Dazu hat ein Sommergeschenk beschrifteter Steinfragmente von einer ihrer Freundinnen, Elisabeth Streibel, den Grund gelegt. Das „Er wahrlich liebte die Sonne …“ war die erste Strophe des Kaspar-Hauser-Liedes von Trakl.

Zu ihren Pferdebildern hat sich Heilgard Bertel anlässlich der Eröffnung das Kaddish vorgestellt, das Ofra Haza 1998 beim Jazzfestival in Montreux gesungen hatte. Dieses Kaddish gilt allen „Burned Faces“, die an der Stirnwand der Garten-Galerie versinnbildlicht in einer großen Bildtafel mit 24 Einzelportraits am Ende des Zyklus auftauchen. Bat-Sheva Ofra Haza, Hebräisch עפרה חזה Ofra Chaza; geb. 1957 in Tel Aviv, gest. 2000 in Ramat Gan, war eine israelische Sängerin. Sie war das neunte und jüngste Kind jemenitisch-jüdischer Einwanderer und wuchs in einem der ärmsten Vororte des südlichen Tel Aviv, im Quartier Sch'chunat HaTikva, auf. Im Winter 1999/2000 wurde sie bewusstlos mit einer schweren Grippe in das Sheba Medical Center in Ramat Gan eingeliefert. Nach 14-tägigem Aufenthalt verstarb sie am 23. Februar 2000 an Organversagen als Folge einer HIV-Infektion, die sie sich, die sie sonst beziehungslos nur für die Kunst, die Musik und das Theater, gelebt hatte, in ihrer Beziehung zu einem Partner zuzog.

Das Kaddisch

aramäisch ‚heilig‘ bzw. ‚Heiligung‘, ist eines der wichtigsten Gebete im Judentum. Es ist ein Heiligungsgebet und bildete sich in den nachchristlichen Jahrhunderten heraus, wobei sich der ursprüngliche Kernbestand erweiterte und sein liturgischer Gebrauch sich im Laufe der Jahrhunderte veränderte. Im Gegensatz zu fast allen anderen jüdischen Gebeten ist seine Sprache nicht nur Hebräisch, sondern auch Aramäisch. Das Gebet ist im Wesentlichen eine Lobpreisung Gottes. Obwohl sich mit der Zeit Assoziationen mit Tod und Trauer entwickelt haben, erscheinen diese Begriffe nicht selbst im Gebet. Die wichtigsten Gedanken des Kaddischgebetes finden sich auch in dem von der Tradition Jesus von Nazareth zugeschriebenen Vaterunser.
Eine Besonderheit des Kaddisch ist, dass es nur gesprochen werden darf, wenn ein Minjan, d.h. zehn erwachsene Juden, anwesend sind. Diese antworten an bestimmten Stellen des Kaddisch mit „wǝ’imrû ’āmēn“, so sprechet: Amen, mit „yǝhē’ schǝmēh rabbā’ mǝb̠ā’ mǝb̠ārak̠ lǝ‛ālam ûlǝ‛ālǝmayā’“ (sein großer Name sei gelobt für ewig und alle Zeiten) sowie mit „bǝrîk̠ hûh“ (er sei gelobt). Ofra Haza singt bei ihrem Montreux Jazzfestival Auftritt: For salvation, Kaddish, For Redemption, Kaddish, For forgiveness, Kaddish, For health, Kaddish, For all the wars victims, Kaddish, For all the holocaust victims, Kaddish - Why do I cry at night? / Why do I feel so bad? /Something holds me tight / It's something in the air. / I have a prayer, a prayer / A prayer from my heart / Night after night after daylight, / Memories of home ...

Die Pferdeserie

Die Pferdeserie, mit der diese Gartengalerie eröffnet wird, hat eine eigene Geschichte. Ende Jänner 2017 besuchte Heilgard Bertel in Salzburg einige Konzerte der Mozartwoche, zuletzt in der Felsenreitschule das Mozart-Requiem. Dies war eine Aufführung mit den sensiblen Rossen des Bartabas unter dem Dirigat von Minkowski. Dieser Bartabas war im Vorfeld reihum heftig kritisiert worden, es hieß, er missbrauche Mozarts Musik … oder missbrauche qualvoll die dressierten Pferde.

Sie war tief beeindruckt, empfand es als Mysterienspiel, in dem so viele Aspekte zum Requiem, seinen gesanglich sprachlichen und den musikalischen, hinzukamen. Die leibliche Präsenz der Pferde in ihrer Eleganz, ihrer Schönheit und Musikalität im Dunkelraum der Inszenierung, dem Tode dienend und gegenüberstehend, ließ sie alles, was sie sah, als etwas Archetypisches erleben und körperlich begreifen, dass Tod und Leben zusammengehören. So wie die Götter Griechenlands anthropomorph waren, so schien ihr der Mensch nun theriomorph, jedenfalls waren und wurden Tiere Träger menschlicher Empfindungen, lebende Kreaturen, über die das „Eleison“ hinwegtönte.

Zu Hause in Hohenems begann sie aus der Erinnerung ihrer Empfindungen heraus etwas von diesen inneren Bildern wiederzugeben. Mit den täglich schrecklichen Nachrichten von Flüchtlingen und Krieg mischte sich noch etwas anderes dazu. Das Gefühl von Hilflosigkeit und Versagen, über dem – wie sie sagt – wiederum nur das Kyrie Eleison als Hilferuf stehen kann. Das Thema Ross und Reiter war den Griechen vor allem im Bild des Rossbändigers geläufig. Diese Balance der Lebensbewältigung ist heutzutage vielfach abhanden gekommen, und, wenn sie an ihr Leben zurückdenkt, sagt die Künstlerin, so finde sie darin ebenfalls viel einer mangelnden Reitkunst. Im letzten Bild der Serie ist deshalb ein in den Staub geworfener Mensch, der sagt,

„Ich wollte, ich hätte gewollt ein Reiter geworden zu sein“,

eine Anspielung auf die Kaspar-Hauser-Geschichte, der seine Identität nie gefunden hat. Das gleichnamige Gedicht – das Kaspar-Hauser-Lied – von Georg Trakl „er wahrlich liebte die Sonne … hängt zur Eröffnung außen an der Galeriewand.

Gleichzeitig mit dem ansteigenden Jahr und den dahinfließenden Reflexionen erwachte bei Heilgard Bertel auch die Erinnerung an das Projekt, das sie vor vielen Jahren begonnen und wieder liegengelassen hatte. Das Thema der

„Burnt Faces“

Es schien ihr an der Zeit, es endlich zu vollenden und zu 24, der apokalyptischen Ganzheitszahl, zu ergänzen. Es sind kleine Bildnisse, in denen die Expression Zerstörung anrichtet, bis zur Auflösung in einer Aschenwolke. Damit war auch das alte Projekt wieder wachgeworden, eine „Wand“ zu bauen, mit der sie sich konfrontieren kann. Man nähert sich nämlich, wie wir mittlerweile vom spürenden zum wissenden Wissen erleben, auch einer anderen Wand, und es ist gut, wenn wir diese mit Bildern lebendig machen und vor ihr das Kaddish hören. Ich denke, es gibt noch eine leise Erinnerung, wenn jemand schon einmal mit Boris Pasternak oder mit Parzival über die Wiesen gegangen ist, Parzivals Irrfahrt hat erst eine Wendung genommen, als er die Zügel seines Pferdes aus der Hand gegeben hat.

Neben der Malerei und den Skulpturen spielt seit vielen Jahren das Schreiben eine zentrale Rolle im künstlerischen Schaffen Heilgard Bertels. Zum Abschluss für diesmal Lyrik, die 2017 entstanden ist.

Für Aleppo

Im Geäst eines schwarzen Baumes,
hat ein dunkler Vogel ein Nest gebaut.
Von dort überwacht er den Tod.
Die Elendslinien reichen überall hin.

Parzen und Nornen, zu Furien geworden,
Verschworene des Krieges,
spinnen, weben, wickeln,
verwirren die Fäden gegeneinander,
schneiden ab und knüpfen neu
mit Willkür und Gewalt
verhängnisvolle Netze.

Ich bin mit in den Netzen gefangen,
klage und weine im Traum über den Krieg
mit Augen voll Bomben-Staub.
Rauch verbirgt die Unzahl der Toten,
das Leid in den Kellern,
die zerrissenen Kinder sind stumm.
Aus allen Löchern starren Gewehre.
Gewölk qualmt aus Fenstern und Türen.
Wir sind alle blind dabei.

Wir sind von Blut durchtränkt
umflossen vom Blut in den Gassen,
allmählich geronnen zu allumfassender Schwärze.
In Planquadrat-Feldern
vollzieht sich das Schlachten.
Kein Frühling, kein Friede,
nur Feinde, die wir mit Waffen bedienen.

Die Vögel sitzen im Elendsbaum, lauern,
haben im Auge den Totenfraß,
auch Fliehende entgehen ihnen nicht,
sie sehen, wie Granaten die Füße zerfetzen
und Panzer Sterbende überrollen.

Ich sehe den Elendsvogel jeden Tag
wie er die Schwingen hebt.
Er krächzt nach Osten und Westen
nach Norden und Süden.
Es formiert sich der Hass,
die Welt beginnt zu brennen.
An den Rändern schreit es nach Frieden.

Heilgard Bertel, 2017

 

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