Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Karlheinz Pichler · 24. Okt 2013 · Ausstellung

Die Ambivalenz des Wortes visuell verortet

Der einstige Peter-Weibel-Schüler Stoph Sauter hat sich während eines ganzen Jahrzehntes fast völlig aus dem Ausstellungsgeschehen zurückgezogen. Nun meldet er sich mit einer Serie neuer Arbeiten zurück, anhand derer er der Doppeldeutigkeit der Sprache auf den Grund geht und die Ambivalenz des Wortes mit Hilfe verschiedener Materialien skulptural und bildhaft visualisiert. Als eine Art interaktive Verstärkung hat er die Bludenzer Malerin Dagmar Rohm sowie die Sprachakrobatin Christiane Rieger in seine aktuelle Ausstellung in der Galerie Lisi Hämmerle (Bregenz) mit hinein kuratiert.

Was mit der Ambivalenz des Wortes gemeint ist, lässt sich bereits am Ausstellungstitel „Gegenliebe“ ablesen. Dieser Begriff bezeichnet üblicherweise die gegenseitige Liebe. Nimmt man ihn aber streng wörtlich, so kann er aber auch das Gegenteil davon, eben „gegen die Liebe“,  benennen. Sauter zerlegt die formale und aber auch die inhaltliche Struktur sprachlicher Komponenten. Mit  „I are“ etwa verweist der Dornbirner Künstler des Jahrgangs 1963 darauf, dass im „Ich“ auch das „Wir“ steckt. „DEMÜTIGend“ benennt die Demütigung und gleichzeitig die Beendigung derselben. Das Wörtchen „HELL“ leuchtet aus einer schwarzen Fläche, bedeutet aber im Englischen auch „Hölle“.

Inhaltliche und formale Dekonstruktionen


Sauter setzt solche Doppelbödigkeiten mit Hilfe von Materialien wie Holz, Spiegel, Plexiglas, Videos oder „gemalten Bildern“ visuell um und verstärkt die Mehrdeutigkeiten skulptural und bildhaft. Er dekonstruiert den Inhalt und die formale Struktur des Wortes oder einer Wortgruppe und verortet diese bildnerisch. Worte verweisen auf sich selbst und ihr genaues Gegenteil. Die Wort- und Bilderrätsel Sauters spielen mit Erwartungshaltungen, verweigern sich dem schnellen Blick und erfordern mitunter eine philosophische und kulturkritische Lesart. Bild- und Wortbedeutungen überlagern und widersprechen einander, durch kleine Veränderungen entstehen neue Inhalte. Trotz höchster typografischer und ikonografischer Klarheit ergeben sich vielschichtige Interpretationsmöglichkeiten und die implizierte Aufforderung, Dinge nicht eins zu eins zu lesen. Letztlich geht es auch um das Sichtbarmachen scheinbar verschobener Realitäten oder Dualitäten. Wobei der Künstler gerade in dieser Ambivalenz eine große Kraft sieht. Ein Wort, das einen klaren Begriff setzt und gleichzeitig dessen Gegenteil in ebensolcher Klarheit, verkörpert für ihn offenbar ein ganzes Universum.

Aphoristische Umlenker


Mit Text und Bild beschäftigt sich auch die 1983 geborene und in Tirol und der Steiermark lebende Künstlerin Christiane Rieger. Für sie „führt ein Gedanke zu einem Bild, und ein Bild wiederum zum Gedanken." Texte von ihr werden in der Galerie auf einem Monitor eingespielt. Diese erinnern teils an aphoristische Aussagen, die in ihr Gegenteil verkehrt werden, wenn es da etwa heißt: „Der Mensch macht sich zu einer Illusion, indem er versucht, den von sich erdachten Erwartungen anderer zu entsprechen.“, oder „Die Scherben der Illusion / sind die Spiegel der Wirklichkeit.“

Die figurative Faust aufs Auge


Sprichwörtlich wie die „Faust aufs Auge“ zu all den zu sehenden Textformationen passt das mittelformatige figurative Bild der Attersee-Schülerin Dagmar Rohm. Die 1969 in Bludenz geborene Künstlerin, die auch als Sängerin und Schauspielerin tätig ist, führt in diesem Werk auch eine Art Dekonstruktion durch. Die Welt existiert nur noch aus einem Trümmer- und Ruinenfeld. Die abgebildete Frau in ihrem aufreizenden, schrill-roten, hochgeschobenen Kleid und auf einem Schaukelpferd sitzend sowie der Mann in Trainingshose und Unterleibchen scheinen sich in einem Zwischenzustand zu befinden, der von erotischen Sehnsüchten und melancholischer Verlorenheit geprägt scheint. Requisiten wie etwa ein Handy und ein Stapel Bücher in einem Einkaufswagen verweisen auf eine Welt, die wohl einmal funktioniert haben mag. Ein Bild, das gerade durch seine Widersprüche den Bezug zu den in den Texten von Sauter und Rieger beschriebenen Welt herzustellen sucht.

 

Gegenliebe
Stoph Sauter, Dagmar Rohm, Christiane Rieger
Galerie Lisi Hämmerle, Bregenz
Bis 9.11-2013
Mi-Fr 14-18, Sa 10-12 u. 14-16
www.galerie-lisihaemmerle.at