Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Karlheinz Pichler · 09. Feb 2021 · Ausstellung

„Der Teufel wird nicht verspottet!“ - Bludenzer Galerie allerArt thematisiert „Druckgrafik“

Nachdem die Galerien und Museen wieder geöffnet haben dürfen, startet die Bludenzer Galerie allerArt mit einer Ausstellung zum Thema „Druckgrafik“ in die neue Programmsaison. Unter dem Titel „Gedrucktes“ sind ab sofort und bis 5. März Werke von Siegfried Anzinger, Melanie Berlinger, Markus Lüpertz, Hermann Nitsch, Chiharu Shiota sowie Gerd & Uwe Tobias zu sehen.

Die Zwillingsbrüder Tobias        

Kurator Manfred Egender, der die Ausstellung zusammengestellt und organisiert hat, hatte sein großes „Aha-Erlebenis“ mit dem Holzschnitt, als er gegen Ende der 1990er Jahre in der damals noch in Köln angesiedelten Galerie Michael Janssen (2007 übersiedelte die Galerie nach Berlin) einen sechs Meter langen und dreieinhalb Meter hohen monumentalen Farbholzschnitt der Zwillingsbrüder Gerd & Uwe Tobias zu Gesicht bekam. Die Tobias-Brüder, die 1973 im rumänischen Brașov (deutsch: Kronstadt) geboren wurden und heute in Köln leben, sind denn auch mit einer großformatigen Arbeit in Bludenz vertreten. Die beiden Künstler arbeiten seit ihrem Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig zusammen und gelten als Erneuerer der seit dem 16. Jahrhundert in der Kunst verwendeten Holzschnitttechnik. (Bekannt war dieses Hochdruckverfahren zur Vervielfältigung schon unter den Babyloniern und Ägyptern.) Der in Glas gerahmte, farbenprächtige und rund drei Quadratmeter große Holzschnitt, den Gerd & Uwe Tobias in der Galerie allerArt präsentieren, zeigt einen Totenschädel, der von länglichen Farbfeldern in blauen, gelben, roten und lila Farbtönen wie von einem Strahlenkranz umrahmt wird. Das Farbmosaik und den Schädel verbindend, lässt sich der in altertümlichen Lettern verfasste Satz „The Devil is not Mocked“ (Der Teufel wird nicht verspottet) entziffern. Wie so oft in ihren Werken, verarbeiten die beiden Künstler auch hier Motive aus ihrer Herkunftsregion Siebenbürgen, die wesentlich berühmter unter ihrem rumänischen Namen „Transsylvanien“ ist, die als „Urheimat“ aller Vampire gilt. So ist auch der Titel „The Devil is not Mocked“ eine Anspielung auf eine Episode in einem Dracula-Film.        

Melanie Berlinger      

Zwischen Kunst und Wissenschaft bewegt sich die 1984 geborene Vorarlberger Künstlerin Melanie Berlinger mit ihren botanischen Illustrationen. Sie wartet in Bludenz mit einer Installation aus 45 Photopolymer-Drucken auf, für die botanische Zeichnungen, die während ihres Studiums an Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) entstanden sind, den Ausgangspunkt darstellen. Bei diesem Verfahren wird die Zeichnung auf eine dünne Stahlplatte mit Gelatineüberzug aufgebracht. Nach dem Aushärten der Platte kann diese auf einer Tiefdruckpresse abgedruckt werden. Teilweise hat die Künstlerin die Drucke im Nachhinein von Hand koloriert oder es wurde während des Druckvorgangs eine China Collage hinzugefügt. Bei der China Collage (Chine-Collé) wird zwischen Druckplatte und Druckträger (beispielsweise Büttenpapier) ein feines Papier gelegt, das im Druckprozess auf den Druckträger geklebt wird. Besonders eine Kombination von verschiedenen Papiersorten kann dem Motiv mehr Lebendigkeit verleihen.
Wie Berlinger gegenüber KULTUR betont, hat sich die Photopolymer-Drucktechnik auf dem europäischen Markt noch nicht so recht durchgesetzt. Daher sei sie zu einer der wenigen Druckwerkstätten in Spanien geflogen, die dieses Verfahren sehr gut beherrschen und sogar Workshops anbieten. Während dieser einen Woche in Arenys de Munt in der Artprint Residence habe sie von allen gelungenen botanischen Zeichnungen, die an der ZHAW entstanden seien, druckfähige Platten hergestellt. Mit diesen 45 Platten seien kleine Auflagen mit nicht mehr als 20 Abzügen pro Platte entstanden.      

Anzinger, Lüpertz, Nitsch und Shiota      

Im Rahmen einer Kooperation mit der Druckwerkstatt des Rankweiler Museums für Druckgrafik von Markus Gell sind neben diesen Exponaten von Berlinger und den Gebrüdern Tobias aber auch noch erlesene lithografische Serien und Radierungen von Siegfried Anzinger, Markus Lüpertz, Hermann Nitsch sowie Chiharu Shiota in der Schau vertreten, die sämtlich vor Ort in der Druckwerkstatt von Gell entstanden sind.     
So ist Siegfried Anzinger mit fünf Lithografien dabei, die eine dreiköpfige Familie auf der Flucht zeigen. Vom Motiv her erinnert die Serie stark an die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten, spielt aber natürlich auch auf die aktuelle Flüchtlingsproblematik an. Anzinger, der unter anderem an der Documenta in Kassel und an der Biennale Venedig vertreten war, verknüpft immer wieder mythologische, biblische und historische Motive mit aktuellem Geschehen. Wobei den Künstler, der in den frühen 1980er Jahren zu den Protagonisten der „Neuen Wilden“ in Österreich zählte, die Umsetzung einer bildnerischen Idee immer mehr interessiert als das Motiv an und für sich.     
Anhand von sechs schwarz-weiß lithografierten Pferdeskizzen von Markus Lüpertz, die Kurator Egender mit in „Gedrucktes“ hineingenommen hat, offenbart sich wieder einmal die scharfe Beobachtungsgabe des 1941 in Liberec (Tschechien) geborenen Künstlers. Die einzelnen Bilder dieser „Troja“-Serie wirken wie Studien, in denen die Bewegungen des Pferdes in verschiedenen Ansichten wiedergegeben werden. Den Körper des Tieres modelliert der leidenschaftliche Zeichner anatomisch korrekt mit nur wenigen, kräftigen Strichen. Die ungestüme Kraft des Pferdes bringt er mittels seines unverkennbaren Duktus zum Ausdruck. Markus Lüpertz' Grafiken entstehen häufig als Begleitung eines skulpturalen Projekts und gewähren so Einblicke in die Entwicklung der Arbeit.     
Als dichtes Mosaik, in drei Zehnerreihen übereinander gehängt, präsentiert sich die aus 30 Arbeiten bestehende Lithografie- und Radierserie „Fuge“ von Hermann Nitsch. Für diese „Fuge“ wurden sechs Lithografiesteine und eine Radierplatte in unterschiedlichen Kombinationen gedruckt. Was typisch für das druckgrafische Werk von Hermann Nitsch ist: Handbezeichnete Lithografiesteine wurden mehrfach kombiniert, über- und gegeneinander gestellt und teilweise mit zusätzlichen grafischen Techniken, eben der Radierung, kombiniert. Ein Blatt wurde nachträglich von Hermann Nitsch handüberzeichnet.      
Mit der 1972 geborenen und seit 1996 in Berlin lebenden japanischen Installations- und Performance-Künstlerin Chiharu Shiota arbeitet Markus Gell bereits seit mehreren Jahren zusammen. Mehr als 30 Grafiken sind aus dieser Kooperation schon hervorgegangen. Mit „Navigation Into the Unknown“, „Connection to the Universe“ und „Encounter“ sind Farblithografien der Künstlerin zu sehen, die thematisch von großer aktueller Relevanz sind. Davon abgesehen ist es übrigens ein Markenzeichen der renommierten Künstlerin, die Schülerin von Marina Abramovic und Rebecca Horn war, dass sie
Gespinste aus schwarz-grauen oder auch roten Wollfäden in Ausstellungsräume hineinwebt. Für ihr Werk „Hope ...“, das derzeit (bis 28.2.) in der Galerie König in Berlin zu sehen ist, hat sie insgesamt 106 Kilometer roter Schnüre verspannt. Für den Aufbau der Arbeit benötigte sie sechs Tage. „Rot ist die Farbe des Blutes“, betont die Künstlerin. Und Blut stehe etwa für Familie, den Zusammenhalt, das menschliche Leben, also für Dinge, für die wir in der Krise besonders dankbar seien.

 

Gedrucktes
Siegfried Anzinger, Melanie Berlinger, Markus Lüpertz,
Hermann Nitsch, Chiharu Shiota sowie Gerd & Uwe Tobias
10.2.- 5.3.2021
Mi-So/Fe 15-18 Uhr
Galerie allerArt, Am Raiffeisenplatz 1, A-6700 Bludenz
www.allerart-bludenz.at