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Karlheinz Pichler · 30. Jun 2017 · Ausstellung

Dem Riedmiller auf die Nase steigen - Simon Kindle in der Galerie allerArt, Bludenz

„Klettern“ lautet das Stichwort zur aktuellen Ausstellung in der Bludenzer Galerie allerArt. Unter dem Titel „Follow-up“ wird in dem in der Remise untergebrachten Kunstraum derzeit ein Vernetzungsprojekt des 1983 im liechtensteinischen Balzers geborenen und heute in Luzern lebenden und arbeitenden Künstlers Simon Kindle gezeigt, das die Besucher sprichwörtlich dazu verleiten soll, die Wände hochzugehen.

Kindle gilt als Konzeptkünstler, für dessen komplexe Werke zumeist eine umfassende Erforschung des spezifischen Ausstellungsortes und seiner Umgebung den Ausgangspunkt darstellt. Für „Follow-up“ hat er sich mit seiner Crew auf Spurensuche im öffentlichen Raum von Bludenz begeben. Sein Plan war es, einen Kletterpfad einzurichten, für dessen Klettergriffe Versatzstücke der Bludenzer Kulturgeschichte die formalen Grundelemente bilden sollten. Dementsprechend formte Kindle mit seinen „Art-Supportern“ charakteristische Stellen von auserwählten Objekten im städtischen Raum mit Ton ab. Diese wurden dann in Gips gegossen und anschließend durch Schnitzen, Schmirgeln und teilweisem Besanden zu Klettergriffen geformt. Nach dieser Oberflächenbearbeitung wurden die Gipsobjekte in einem weiteren Arbeitsschritt erneut abgeformt und in Kunststoff gegossen und anschließend nach einem bestimmten Kletterkonzept auf einer Rampe im Ausstellungsraum befestigt.

 

Als formale Vorlage für die Klettergriffe diente konkret beispielsweise die Mund- und Nasenpartie des Riedmiller-Denkmals an der Werdenbergerstraße in unmittelbarer Nähe der Galerie allerArt. Bernhardt Riedmiller war ein Hauptman der Bludenzer Schützen und kämpfte zwischen 1796 und 1799 in den Napoleonischen Kriegen. Das 1905 errichtete Monument wurde seinerzeit von Georg Matt gestaltet. Auch vom Nepomukbrunnen (1730), der vom Bildhauer Johann Ladner geschaffen wurde, wurden verschiedene Elemente abgeformt. Weitere prädestinierte Abgussvorlagen fand Kindle im Glockenturm der zusammen mit dem Schloss Gayenhofen über der Altstadt als Wahrzeichen thronenden St. Laurentiuskirche sowie dem der breiten Öffentlichkeit heute teils vorenthaltenen Bludenzer Kriegerdenkmal.

An der Bludenzer Stadtgeschichte festhalen

In den „White Cube“ des allerArt baute Kindle eine begehbare gekrümmte Rampe ein. Mit Betreten des Raumes befinden sich die Besucher bereits auf dieser Rampe und werden quasi gezwungen, ihre Haltungen anzupassen, respektive sich an den Griffen festzuhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. In Erkundung der verschiedenen formalen Elemente, sind die Betrachter gleichsam dazu angehalten, auf den Versatzstücken der Bludenzer Kulturgeschichte zu klettern. Wer beispielsweise Bernhard Riedmiller sprichwörtlich auf die Nase steigen will, muss fast bis ganz unter die Decke hinaufklettern. Neben der im Ausstellungskontext üblichen, visuellen Betrachtung und kognitiven Verarbeitung fordert die von Kindle inszenierte Konstellation also ein direktes Zugreifen. „Die Objekte sind entsprechend einfache Stützen und bilden zudem eine Art Kletterpfad bis unter die Deckenelemente. Ein Pfad also, der scheinbar den Raum verlässt“, betont der Künstler.


Für Simon Kindle stehen die ausgewählten historischen Formbauteile stellvertretend für das, was kulturellen Bestand hat und von der Gesellschaft wertgeschätzt und bewahrt wird, für die Kulturgüter des Ortes also. Kindle: „Solche Kulturgüter manifestieren sich oft in Bildern und Objekten und machen sich so der Bevölkerung sicht- bzw. greifbar. Meist sind Anekdoten bzw. historische Fakten an diese Artefakte geknüpft, welche mündlich oder schriftlich überliefert werden. Sie stehen an oder über Plätzen und charakterisieren diese, bewachen Durchgänge oder stehen mahnend auf reich geschmückten Brunnen.“ Sie stehen auch stellvertretend da als Teile des kollektiven Gedächtnisses und geben Anlass, sich mit dem Ort intensiver auseinanderzusetzen.

 

„Follow-up“ ist typisch dafür, wie Kindle durch die „Überspitzung des Beobachteten, die Einschleusung systemferner Praktiken, das Erzeugen von Irritationsmomenten sowie den Einbezug des Publikums ...“ vorgeht, wie es Jana Bruggmann im Ausstellungskatalog „Vordemberge-Gildevart – Stipendium 2013“ (Kunstmuseum Liechtenstein/ Bucher Verlag 2013) formuliert. Und immer wieder sind es der Humor und die Ironie, die einen spielerischen Zugang zu den kritisch-konzeptuellen Arbeiten Kindles eröffnen.


Simon Kindle: Follow-up
Galerie allerArt, Bludenz
Bis 5.8.2017
Künstlergespräch: 6.7., 19 Uhr, Simon Kindle mit Andrea Fink (Kuratorin)
Mi-So 15-18
www.allerart-bludenz.at
https://www.facebook.com/galerieallerart/