Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Karlheinz Pichler · 29. Mär 2017 · Ausstellung

Das Bild als Schnittstelle zwischen Künstler und Betrachter - Susanne Kircher-Liner im Bludenzer allerArt

Im Werk der 1976 in Tirol geborenen Künstlerin Susanne Kircher-Liner verschränkt sich auf bildnerische Weise gleichsam die analoge mit der digitalen-wissenschaftlichen Welt. Kircher-Liner, die an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert hat, malt und zeichnet zwar in klassischer Tradition, stellt in und mit ihren Arbeiten aber durchaus auch naturwissenschaftliche und informationstechnologische Fragen. Nicht von ungefähr übertitelt sie ihre Ausstellung in der Galerie allerArt in der Bludenzer Remise mit „Schnittstelle“. Eine Schnittstelle, englisch Interface, verkörpert den Verbindungspunkt von einem System in ein anderes.

Ein zentrales Anliegen der Tirolerin ist es, ihre Arbeiten stets mit vielen Informationsebenen zu überlagern. Wobei sie das Werk selbst eben auch als Schnittstelle zwischen Künstler und Betrachter ansieht. Und um zu sehen, muss die Information letztlich über materielle Schnittstellen ins Gehirn übertragen werden.


Anhand von Gemälden wie etwa „Dolly“ oder „Schlaflabor“, die verkabelte
(Kinder)Köpfe darstellen, wird die zunehmende Auflösung der Grenzen zwischen realer
und virtueller Welt evident. Über die Anzapfung der Gehirnströme versuchen
Wissenschaftler der Komplexität des Denkens auf die Schliche zu kommen.
Andererseits wird versucht, die billionenfach vernetzten Gehirnzellen als Vorbild für
intelligente Maschinen (neuronanale Netze) heranzuziehen. Der US-amerikanische
Informatikriese IBM beispielsweise arbeitet erfolgreich daran, seinem softwarebasierten
Supercomputer "Watson" kognitives Denken beizubringen.
 

Die Hauptarbeit in der Galerie allerArt trägt den Titel „Gully“. Bei dieser 120 mal 180 Zentimeter großen Öl und Acryl auf Leinwand Arbeit verfolgt die Künstlerin anhand von aufgeschäumter Farbe das bereits schon früher aufgegriffene Thema des Bläschenbildens weiter. Kircher-Liner: „Eine Reaktion vom Zusammenschließen mehrerer Blasen ist das Verbinden zu jederzeit kleinsten Oberflächen zwischen Punkten und Kanten. Die dabei entstehende Membran der zusammen-geschlossenen interagierenden Blasen wölbt sich, je nach Innendruck der Seifenblase, in das jeweilige Gegenüber. In der großen Menge zu Schaum verdichtet, bildet sich dabei eine architektonische Konstruktion mit unzähligen Schnittstellen. Diese Konstruktionen und Schnittstellen sind in ähnlicher Form im Mikro- und Makrokosmos, in den kleinsten (Zellbiologie) bis zu den größten Strukturen des Weltalls (Astrophysik und Kosmologie) wiederzufinden.“ So versucht die Künstlerin durch die Kombination von organischen Formen und Materie Bezüge zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der menschlichen Existenz herzustellen. Sie deutet in diesem Zusammenhang auch an, dass die Seifenblase bereits „in der barocken Kunst wegen ihrer Schönheit aber auch Flüchtigkeit als endliche Zeitraumdarstellung verwendet wurde und somit auf die Endlichkeit dieser Schnittstellen und des Lebens verweist“.

 

Von den Betrachtern erhofft sie, dass sie anhand ihrer eigenen Erinnerungen und Erfahrungen, ihrem materiellen Wissen und ihren Gefühlen und im Dialog mit den Bildern in ihren Vorstellungen ganz eigene Welten erstehen lassen.

Neben Öl-Acryl-Bildern zeigt Kircher-Liner auch Zeichnungen in Bludenz. Sie stehen autonom für sich und befinden sich von der Wertigkeit her auf Augenhöhe mit den gemalten Werken. Die Zeichnungen ergänzen die naturwissenschaftlichen Themen, die die Tirolerin mit den Gemälden anstößt. Für sie sind es "Baupläne innerkörperlicher Empfindungen". Aus der weißen Fläche des Bildträgers heraus arbeitet sie sich gleichsam in die Gefühlswelt voran.

Susanne Kircher-Liner: Schnittstelle
Galerie allerArt, Raiffeinsplatz 1, 6700 Bludenz
Bis 23.4.
Mi-So 15-18
http://allerart-bludenz.at