Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Karlheinz Pichler · 25. Apr 2014 · Ausstellung

Bilder mit „Ausstrahlung“ - Koka Ramishvili bei Häusler Contemporary in Zürich

Unter dem Titel „Radiance“ gibt die Zürcher Galerie Häusler Contemporary anhand von rund 20 Ölbildern Einblicke in das aktuelle Schaffen des georgischen Künstlers Koka Ramishvili. Über viele Jahre hinweg setzte sich Ramishvili mit dem Medium „Video“ auseinander. Die Experimente, die er in diesem Bereich durchführte, versucht er nun in das „nostalgische“ Medium der Ölmalerei zu übertragen.

Koka Ramishvili ist in der ehemaligen Sowjetrepublik Georgien aufgewachsen. Er gehört sozusagen zur "letzten Sowjetischen Generation“. Heute pendelt er zwischen zwei Welten und lebt und arbeitet abwechselnd in der georgischen Hauptstadt Tiflis und in Genf.

Bei der vorletzten Biennale Venedig wartete Ramishvili im georgischen Pavillon unter dem Titel "Change in Drawing Orchestra" mit zwei Installationen auf, die in ihrer Thematik und formalen Umsetzung Spiegel seiner komplexen Lebenserfahrung waren. Das gezeigte Video "Change 2 Version" bezog sich auf die georgische Revolution von 2003, die auch als "Rosenrevolution" oder "samtene Revolution" bekannt ist. Zu sehen ist ein tumultartiges Gedränge in einem Parlamentsraum. Wobei nur ein winziger, in Zeitlupe abgespulter Ausschnitt des Aufruhrs herausgepickt ist, der in der Verlangsamung seine Aggressivität verliert und geradezu tänzerisch wirkt: der Staatstreich als choreographiertes Männerballett. Die Bilder, dokumentarisches Material vom Rücktritt des georgischen Präsidenten Eduard Schewardnadse 2003, gehen über in Filmbilder von Rainer Werner Fassbinders Film "Die Sehnsucht der Veronika Voss", ein melancholisches Szenario voller Glamour, böser Blicke und Verdachtsmomente. Beide Szenen sind kurz und emotional aufgeladen, beide behandeln Erinnerungen, sie sind aber auch völlig gegensätzlich in ihrem dokumentarischen und fiktiven Charakter.

In "Drawing Orchestra" wiederum nimmt Ramishvili Bezug auf die künstlerische post-totalitaristische Ästhetik, welche immer noch der strengen Disziplin des Zeichnens unterworfen zu sein scheint. Man sieht eine zeichnende Hand in Aktion, die ohne erkennbaren Gestaltungswillen einen Bleistift in raschen Bewegungen waagerecht über ein weisses Papier führt. Akustisch untermalt wird die Filmaufnahme von den Kratzgeräuschen des Bleistifts, die Ramishvili jedoch aus der "Realzeit" gelöst hat und in verschiedenen Geschwindigkeiten ablaufen lässt.

Vom Video zur Malerei

Ramishvili hat sich gut 15 Jahre mit dem Medium „Video“ auseinandergesetzt, bevor er sich jetzt der Malerei verschrieben hat. Die rund 20 Ölgemälde, die er unter dem vieldeutigen Titel „Radiance“ (Ausstrahlung) nun bei Häusler Contemporary in Zürich präsentiert, sind alle in den letzten drei Jahren entstanden. Der Georgier versucht darin, eine formale Synthese aus alten Maltechniken und den Farbenlehren der Moderne darzustellen und auf der inhaltlichen Ebene das tradierte Bildverständnis vom Gemälde mit dem Blickwinkel der Kamera zu konterkarieren. In seinem Verweis auf das Video, versucht er eine neue Art des Bildes zu kreieren. „Die neuen Arbeiten stellen denn eine Art Gegenstück zum ‚Trompe l’oeil’ der klassischen Malerei dar: Das Motiv wird zwar als Bedeutungsträger sichtbar gemacht, aber gleichzeitig als reine Oberfläche entlarvt. Das Gemälde öffnet sich dem Betrachter nicht mehr als ‚Fenster zur Welt’, sondern entpuppt sich als subjektive und fragmentarische Widergabe einer möglichen, momentanen Weltsicht.“ (Ausstellungskuratorin Deborah Keller)

Farbe als Materie aus Licht und Luft

Ramishvili serviert unter anderem  Ölgemälde von Landschaften, die mit ihrer tiefen Horizontlinie in einem Dunst der Unschärfe liegen und monochrome Flächen, die auf das Blau des Himmels rekurrieren. Er fokussiert sich dabei auf die Farbübergänge, da diese „Transitionen“ der Farbe „Radiance“ verleihen. Ramishvili kombiniert in diesen Werken auch die Malweise der Flämischen Alten Meister mit Henry Munsells Theorie vom dreidimensionalen Farbaufbau. Der Amerikaner entwickelte Ende des neunzehnten Jahrhunderts sein bekanntes Farbordnungssystem, das mithilfe einer modellhaften „Farbkugel“ die verschiedenen Farbtöne objektiv bestimmen lässt. „Ramishvili gelingt mit dieser aufwändig komplexen Technik das Paradoxon, die Farbe sichtbar als Materie aus Licht und Luft auf der Bildfläche zu bannen,“ konstatiert Kuratorin Keller.

Gemalte Videoprojektionen

Scheinbar bildhaft gegenständlich wird der Georgier in seinen „Projections“. In dieser Serie malt er Räume, in denen Videoprojektionen abgespielt werden. Der Blick des Betrachters wird in einen schwarz-weiß gehaltenen Raum gelenkt, und hier auf das weiß strahlende Feld einer leeren Projektionsfläche. Das Blickfeld ist pespektivisch verzerrt. Der Künstler verbindet hier die historische Gattung der Malerei mit der vergleichsweise jungen und vermeintlich realitätsabbildenden Technik des Films, um auch sie als zweidimensional illusionistisches Konstrukt zu entlarven.

Ramishvili lässt in seinen Arbeiten immer wieder eine vermeintliche Inhaltlichkeit auf eine ebenso vermeintliche Oberflächlichkeit treffen. Und er legt komplexe Bezüge zur Kunstgeschichte frei, etwa durch seine Verweise auf die Farbfeldmalerei der Nachkriegsavantgarde, auf die virtuosen Techniken niederländischer Altmeister oder auf konzeptuelle Farbtheorien. Klassische Illusionsmalerei konfrontiert er mit der Virtualität der Neuzeit. Zeitgenössische Begriffe wie Kompatibilität und Bildwahrnehmung werden systematisch hinterfragt.

 

Koka Ramishvili: "Radiance"
Häusler Contemporary Zürich
Bis 24.5.2014
Di-Fr 12-18, Sa 11-16
www.haeusler-contemporary.com