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Karlheinz Pichler · 31. Aug 2017 · Ausstellung

Aus dem Gehen und dem Sehen heraus schaffen - Helen Mirra und Gianni Pettena in Kunst Meran

Das Südtiroler Ausstellungshaus Kunst Meran zeit mit „Natürliche Architekturen“ des aus Bozen stammenden Gianni Pettena sowie „Gehen, weben“ der US-Amerikanerin Helen Mirra derzeit eine Doppelausstellung zweier Kunstschaffenden, deren Werkergebnisse zwar sehr konträr sind, in deren Werkstrategie es aber durchaus Verbindungslinien gibt. So setzen sich beide mit der Landschaft sowie mit dem Verhältnis des Menschen zur Natur auseinander, und die Arbeiten beider sind sowohl in den USA als auch im Südtirol entstanden.

Das untere Stockwerk von Kunst Meran ist einem Querschnitt wichtiger Arbeiten des 1940 in Bozen geborenen und heute in Florenz lebenden Gianni Pettena gewidmet, der zu den wichtigsten Vertretern der „radikalen Architektur“ der 1970er Jahre zählt. Ein zentraler Blickfang ist dabei das großformatige Lehmbild „Human Wall“, mit dem der auf seine frühe Arbeit „Clayhouse“ (1972) Bezug nimmt. Damals hatte Pettena mit Hilfe von Freunden und Studenten das typisch amerikanische Vorstadtreihenhaus eines befreundeten Professors komplett mit einer Schicht Lehm überzogen. Diese Aktion hat er nun gleichsam in den Ausstellungsraum überführt. Im frisch aufgetragenen und dann getrockneten Lehm vermischen sich die Abdrücke von den Händen und Fingern mit den Rissen des Materials. Der Gegensatz von Architektur und Natur, auf den er damit anspielt, zieht sich wie eine biometrische Signatur durch das Werk des Südtirolers.

 

Erinnerungslandschaft

 

Dass die Südtiroler Berglandschaft für sein künstlerisches Schaffen und sein Verständnis für Architektur grundlegend ist, offenbart sich auch an der Arbeit „Paesaggi della memoria“ von 1987. Markante Gebirgssilhouetten Südtirols aus Plexiglas durchziehen hier gleichsam eine im Raum mit Mittelmeersand aufgeschüttete Ebene. Die Plexiglasberge sind in einem ebenfalls im Sand deponierten Koffer zu verstauen und können leicht überallhin mitgenommen werden. Es ist eine „Erinnerungslandschaft“ Pettenas, die er an jedem Ort der Welt aufstellen und betrachen kann.

Pettena glaubt im Übrigen, dass jegliche Architektur bereits in der Natur angelegt ist. In der Ausstellung belegt er dies unter anderem auch mit einer Serie von Schwarzweiß-Fotos (About non-conscious architectur, USA 1972/1973), die Fels- und Wüstenformationen sowie Ansichten von markanten Tälern und Bergen neben Highways oder den geometrischen Formen von Pueblos oder einer Kupfermine zeigen.

 

Gehen und weben

 

Die 1970 in Rochester in New York geborene Helen Mirra realisiert seit Jahren in allen möglichen Ländern und Erdteilen „Gehprojekte“. Für sie stellt „Gehen“ eine Art Seinsform dar, die direkt ins künstlerische Werk einmündet. Aus Eindrücken und Fundstücken entwickelt sie minimalistische Objekte, Fotografien, Textfragmente und häufig auch gewebte Textilien. Von ihrer letzten Ausstellung in Amsterdam ist sie großteils zu Fuß nach Meran gewandert. Auf Aktionen von Douglas Huebler und Andre Cadere in den 1970er Jahren verweisend, hat sie es jeweils einem Münzenwurf überlassen, ob eine Etappe per Zug oder per pedes bewältigt wird.

 

Im zweiten Ausstellungsstock, der so wie der dritte von Mirra bespielt wird, ist unter anderem ein abgebrochenes Stück eines Zollstockes zu sehen, das sie zufällig auf einem Weg bei Lana gefunden hat und das die Maßangaben von 162 bis 173 Zentimetern anzeigt. Das Stück ist horizontal, statt vertikal an der Wand montiert, auf der ungefähren Höhe von 167 Zentimetern. Solcherart zeigt der gebrochene Meterstab die mögliche Ausdehnung auf beide Seiten an und wird gleichsam zu einer Andeutung des Raumes, den eine Person einnehmen könnte.

 

In Meran hielt sich Mirra, die heute in San Francisco lebt und arbeitet, übrigens einen Monat lang auf, um vor Ort zu weben und zu gehen. Die dabei entstandenen Werke werden amerikanischen Arbeiten gegenübergestellt. Im Rahmen des Projekts „Standard incomparable“ hat sie zudem WeberInnen aus der ganzen Welt dazu eingeladen, aus dem jeweils lokalen Garn ein quadratisches Webstück herzustellen.

 

 

Hellen Mirra: Gehen, weben
Gianni Pettena: Natürliche Architekturen

Kunst Meran
Bis 24.9.2017
www.kunstmeranoarte.org