Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Karlheinz Pichler · 30. Mär 2019 · Ausstellung

Wenn die Idylle zur Wahrnehmungsfalle wird - Birgit Bachmann in der Galerie allerArt Bludenz

In der Bludenzer Galerie Allerart verbünden sich derzeit Schmetterlinge, Bienenfresser, Fliegen, Rotfeuerfische und anderes Getier mit floralen Szenerien zu einem idyllischen Stelldichein. Doch der Schein trügt. Die poesievollen Idyllen, von der Künstlerin Birgit Bachmann mit Buntstift akribisch genau auf Transparentpapier umgesetzt, lassen den Betrachter in Wahrnehmungsfallen tappen.

Da ist beispielsweise die Arbeit „Quitten mit Bienenfresser“. Ein ungewöhnlich farbenfrohes und heiteres Bild, das in seinem ornamentalen Aufbau auf den ersten Blick eine fast schwebende, poesievolle Leichtigkeit verströmt. Bienenfresser, jene auffallend bunten und schönen Vögel mit langen, gekrümmten Schnäbeln, umschwirren einen Quittenbaum mit leuchtend gelben Früchten. Es könnte ein paradiesischer Zustand sein, wenn man nicht wüsste, dass diese unverwechselbaren Vögel auch todbringend sind. Für Hautflügler nämlich.     

Idylle und Tod gleichauf     

Denn sie schnappen Bienen, Wespen, Hummeln und Hornissen, aber auch Libellen, Zikaden und fliegende Käfer im Flug. Neben der Idylle lauert also gleichsam der Tod. Eine vordergründig schöne, heile Welt wird nämlich überlagert von einer gefühlsmäßig bedrohlichen zweiten Ebene. Dem zunächst Lieblichen, Zarten und Bunten folgt die Irritation und Verunsicherung auf dem Fuß. Diese Doppelbödigkeit zieht sich durch die meisten Arbeiten der 1966 in Innervillgraten im Osttirol geborenen und heute im kärntnerischen Gmünd lebenden und arbeitenden Künstlerin Birgit Bachmann hindurch. 
So auch „Die Fliegen“. Auf einem schmalen Transparentpapierband, 40 Zentimeter breit und 160 Zentimeter hoch, sind hier überdimensional und dicht gereiht Fliegen hingezeichnet. Detailgenau wie aus einem Naturkundebuch. Alles wäre in bester Ordnung, wenn nicht der Untertitel des Bildes „1914/2014 Isonzo“ wäre. Die Künstlerin erinnert damit an die Schlachten im Ersten Weltkrieg zwischen Italien und der Österreichisch-Ungarischen Monarchie am Oberlauf des Isonzo in den Julischen Alpen. Die Soldaten sind damals gestorben wie die Fliegen.     

Waterboarding     

Ein weiteres markantes Beispiel, bei dem die Ambivalenz ins Politische umschlägt, ist das Bild „Waterboarding“, das die Künstlerin, die bei Arnulf Rainer an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert hat, ebenfalls in der Remise Bludenz zeigt. Dabei handelt es sich um eine großformatige Zeichnung, ebenfalls mit Buntstiften auf Transparentpapier. Dargestellt sind im Meer schwimmende Rotfeuerfische, die für ihre giftigen Hartstrahlen bekannt sind. In ihrer Detailgenauigkeit könnten sie einem Biologielehrbuch entstammen. Am Meeresgrund ist eine auf dem Rücken liegenden Figur auszumachen. Allerdings nur umrisshaft. Die Figur weist keine Binnenstruktur auf. Der Meeresgrund ist durch die Figur hindurch sichtbar und die Fische schwimmen über die Gestalt hinweg.

Mit dem Titel des Bildes spricht die Künstlerin eine der grausamsten Foltermethoden an. Denn beim „Waterboarden“ wird beim Opfer durch Ausnutzen des Würgereflexes physiologisch der Eindruck des unmittelbar drohenden Ertrinkens hervorgerufen, indem durch ein Tuch über Mund und Nase, das ständig mit Wasser übergossen wird, der Atemwiderstand stark erhöht wird.

Bachmann rückt mit dieser „Naturstudie mit Figur“ aber vor allem die Dramatik der aus Krisengebieten Flüchtenden, die über das Mittelmeer nach Europa gelangen wollen, ins Blickfeld. Zigtausende sind bereits ertrunken. Helfer werden vor Gericht gestellt, und diejenigen, die die Rettung verhindern und Fluchtrouten schließen wollen, werden populistisch bejubelt.
Die Zeichnerin und Malerin kritisiert gesellschaftliche und politische Missstände, ohne aber moralisierend zu sein.     

Auf die Räumlichkeit hinarbeiten      

Birgit Bachmann hält sich am liebsten im Atelier auf. Kein Wunder, sind doch ihre filigranen Zeichnungen enorm zeitaufwendig. An einer großformatigen Zeichnung arbeitet sie 180 bis 200 Stunden. Und wenn sie eine neue Ausstellung beschickt, so wie jetzt auf Einladung von Kuratorin Andrea Fink in Bludenz bei allerArt, versucht sie auch ganz gezielt auf die Räumlichkeit hinzuarbeiten. So hat sie denn auch für den Raum in der Remise eigens eine neue Serie geschaffen, die aus zehn kleinen Blättern besteht. Motiv dieses Zyklus, der den Titel „Homeless“ trägt, sind Wespennester. Auch hier kommt wieder die inhaltliche Dualität zu tragen. Wespen stechen, sind Quälgeister. Aber ihre Nester, die aus morschen, trockenen Holzstückchen, die zu Kügelchen zerkaut werden, errichtet werden, stellen eine Urform eines behaglichen „Wohnens“ dar. Sie stellen somit eine Metapher für die Sehnsüchte der Homeless People dar, zu denen letztlich auch die Migranten zählen.

Birgit Bachmann
Bis 27.04.
Mi-So u. Fe 15-18
Finissage: Gespräch der Kuratorin mit der Künstlerin: 27.4., 17 Uhr
Galerie allerArt, Bludenz
www.allerart-bludenz.at