L-E-V Dance Company mit „Into the Hairy“ beim Bregenzer Frühling (Foto: Katerina Jezz/L-E-V Dance/Bregenzer Frühling)
Karlheinz Pichler · 28. Mai 2020 · Ausstellung

Alles im rechten Winkel – Tina Haase, Gerold Tagwerker und Franz Türtscher in der Bludenzer Galerie allerArt

Wie bei allen anderen Ausstellungshäusern, ist es auch in der Galerie allerArt in Bludenz zu beträchtlichen Umprogrammierungen gekommen. So ist etwa die Ausstellung „Land Vorarlberg 2019“, im Rahmen derer die Ankäufe vom letzten Jahr hätten präsentiert werden sollen, abgesagt worden. Dafür wurde die Ausstellung „90 º“ bis 13. Juni verlängert. Damit ermöglicht sich für Kunstinteressenten doch noch die Möglichkeit, die Werke von Tina Haase, Gerold Tagwerker und Franz Türtscher, bei denen alles „im rechten Winkel“ ist, zu besichtigen.

Der rechte Winkel als Gestaltungsprinzip


Als Gestaltungsprinzip spielt der rechte Winkel für sämtliche künstlerischen Disziplinen seit urdenklichen Zeiten eine fundamentale Rolle. Im zwei- und dreidimensionalen Raum definieren die beiden Schenkel die optische und materielle Stabilität, die Richtung und sie bewähren sich auch als Ordnungsmuster. Für Manfred Egender, Programmverantwortlicher der Galerie allerArt in Bludenz, ist dieses konstruktive Darstellungsmittel weder verbraucht noch unzeitgemäß. Horizontal versus vertikal seien verlässliche Koordinaten, die sich auch als Gestaltungsprinzip beliebig drehen ließen, betont er. Deshalb hat er dieses Maß auch als Motto dieser Ausstellung vorgegeben. Egender: „Der Einsatz von 90º-Winkeln bewährt sich im Umgang mit sämtlichen alltagsästhetischen Materialien bis hin zur künstlerischen Akrobatik und Raffinesse bei Bild und Objekt.“ Mit der deutschen Künstlerin Tina Haase sowie den beiden Vorarlberger Kunstschaffenden Gerold Tagwerker und Franz Türtscher hat Egender drei Positionen in die Alpenstadt geholt, in deren Werk dieses geometrische Maß eine zentrale Bedeutung hat.     

Das Motiv des Rasters       

Der 1953 in Dornbirn geborene Künstler Franz Türtscher beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Motiv des Rasters in der Fläche und im linearen System. Seine für die Ausstellung in Bludenz ausgewählte Hauptarbeit besteht aus zehn einzelnen Bildern, die auf einem identen weißen Grundraster aufbauen, in den schwarze, immer wieder ausfransende Quadrate hineingemalt sind. An der einen Stirnwand der Galerie eng aneinander und in zwei Fünferreihen übereinander gehängt, verbinden sich die Werke zu einem durchgängigen Muster, bei dem die bestehenden Abweichungen erst auf den zweiten Blick erkennbar sind. Die immer wieder ausfransenden schwarzen Quadrate verleihen der Struktur etwas Nervöses, was auch einer gewissen abstrakten Abschrift des Lebens entspricht, das ja – mit seinen Ausreißern – grundsätzlich auch gleichförmig verläuft. Wobei dem Raster die Funktion eines Orientierungs- und Ordnungssystem zukommt, während die unregelmäßigen, abweichenden schwarzen Farbspritzer das Weiche, das Unpräzise des Lebens transportieren soll. Daneben sind von Türtscher noch zwei kleinere, minimalistische und stille Netzwerkbilder zu sehen, die den Umwänden zur großen Arbeit „eine erträgliche Unruhe“ verleihen sollen.     

Gerold Tagwerker, geboren 1965 in Feldkirch, hat für Bludenz drei Arbeiten ausgesucht, die auf die „spatialen Konstruktionen“ Alexander Rodtschenkos sowie die geometrischen Rasterbilder Piet Mondrians referenzieren. In seiner neuen Werkreihe der „mondrian.grids“ etwa hat Tagwerker die frühen geometrischen Kompositionen Mondrians als lineare, rasterhafte Bildteilungen adaptiert und sie in grafischer Form von deren Farbflächen befreit. In Tagwerkers Auslegung erscheinen diese „entleerten“ Kompositionen nun als offene Rasterstrukturen in Form von Stahlgittern. In Bludenz will der Künstler den „mondrian.grid#3“ am Boden der Galerie als objekthaftes Stahlgitter präsentieren. Zusätzlich zeigt der in Wien lebende und arbeitende Künstler zwei Skulpturen, die als Umformulierungen und Neuinterpretationen Alexander Rodtschenkos „spatialen Konstruktionen“ entsprechen. Tagwerker hat dafür Rodtschenkos Formationen rekonstruiert und als vergrößerte Objekte aus Holz, Aluminium oder poliertem Stahlblech als jeweils zweiteilige Skulpturengruppe in verschiedenen Formaten realisiert. Im Galerieraum werden sie sich als Objekte unterschiedlicher Materialiät und Größe „wie serielle geometrische Konstrukte mit möbelhafter Assoziation und dinghafter Erscheinung“ präsentieren, so Tagwerker.      

Wie viel Farbe kannst du noch ertragen?

Die in Köln und München lebende Künstlerin Tina Haase (geb. 1957 in Köln) zählt zu den vielseitigsten Bildhauerinnen ihrer Generation in Deutschland. Ausgangspunkt ihrer Arbeiten sind zumeist ganz gewöhnliche und leicht zu übersehende Alltagsdinge. Dabei können organisch wuchernde oder geometrisch-architektonisch konstruierte Werke von verspielter Leichtigkeit jenseits formaler Strenge entstehen. In Bludenz präsentiert sie eine neue Variante ihres monumentalen Werkes „Wie viel Farbe kannst Du noch ertragen?“, das aus unzähligen farbigen Klarsichtfolien, Ordnern, Ablagen oder Sichtmappen besteht, die übereinander und nebeneinander geschichtet sind und eine beeindruckende Konstellation transparenter Farbigkeit behauptet. In Ergänzung respektive in Opposition zu diesem Farbenmeer zeigt Haase mit „Bregenz II“ (2010) eine zweite Arbeit, die ähnlich aufgebaut und strukturiert, aber durchgängig in unterschiedlichen Grautönen gehalten ist.

90º: Tina Haase, Gerold Tagwerker, Franz Türtscher
bis 13.6.
Öffnungszeiten: Mi - So/Ftg. 15 - 18 Uhr
Galerie allerArt, 6700 Bludenz, Raiffeisenplatz 1
www.allerart-bludenz.at