Chris Haring/Liquid Loft beim tanz ist Festival am Spielboden Dornbirn (Foto: Stefan Hauer)
Michael Löbl · 22. Jun 2023 · Musik

Aus Drei mach Eins

Die Geigerin Veronika Eberle, der Cellist Steven Isserlis und die Pianistin Connie Shih im Rahmen der Schubertiade Schwarzenberg

Fast ein wenig unspektakulär erschien dieses Konzert beim Durchblättern des Programmes der Schubertiade Schwarzenberg. Eine Beethoven-Cellosonate, Schuberts A-Dur Sonate für Violine und Klavier und sein Es-Dur-Trio im zweiten Teil. Der englische Cellist Steven Isserlis wird immer wieder von Cello-Kollegen außerordentlich gelobt und von der bayerischen Geigerin Veronika Eberle hat man auch schon viel Gutes gehört. Die Pianistin Connie Shih aus Kanada hingegen ist hierzulande vollkommen unbekannt.

Die erste Verblüffung beim Studium des Programmheftes: Alle drei Musiker treten am Dienstagabend zum ersten Mal bei der Schubertiade auf. Eigentlich kaum zu glauben - ein derart bekannter Cellist wie Steven Isserlis war noch nie da, und das mit dem starken England-Bezug der Schubertiade, deutlich erkennbar durch viele englische Musiker wie Paul Lewis, Julius Drake oder Ian Bostridge? Jedenfalls hatte irgend jemand die hervorragende Idee, diese drei Persönlichkeiten zusammenzubringen. Ganz unbekannt sind sie einander nicht, Connie Shih ist eine der bevorzugten Klavierpartnerinnen von Steven Isserlis und mit Veronika Eberle hat der Cellist bereits das Brahms-Doppelkonzert beim Schleswig-Holstein Musikfestival aufgeführt. Mit diesem Werk werden beide nächstes Jahr mit dem Budapest Festival Orchestra auf Tournee sein.  

Eine weitere Spitzengeigerin aus München

Veronika Eberle hat in München bei Ana Chumachenko studiert, ebenso wie Julia Fischer, Lisa Batiashvili oder Arabella Steinbacher - und genau zu dieser Kategorie muss man sie zweifellos zählen. Schon im ersten Satz von Schuberts großer A-Dur-Sonate D 574 konnte man ihre Fähigkeiten bewundern: ein großer, strahlender Ton, eine riesige Palette an Klangfarben, auch im unteren dynamischen Bereich und eine überlegene Finger- und Bogentechnik. Diese Sonate enthält unendlich viele herrliche Melodien und lange, sehr gesangliche Passagen, ist aber geigerisch durchaus herausfordernd, vor allem im zweiten Satz. All diese Hürden wurden nicht nur souverän und brillant umgesetzt, sondern auch noch überaus musikalisch gestaltet. Die sehr genau durchdachte Interpretation klang vom ersten bis zum letzten Ton frisch, spontan und aus dem Moment heraus empfunden. Eigentlich kann man das nicht besser spielen. 
Eine ebenbürtige Partnerin war die kanadische Pianistin Connie Shih. Aufmerksam, immer auf die klanglichen und rhythmischen Nuancen der Violine achtend, spielte sie den anspruchsvollen Klavierpart auf Augenhöhe mit der Geigerin. Ab und zu vielleicht noch etwas zurückhaltend, bei Stellen, wo Veronika Eberle ihre Stradivari voll ausspielte, hätte Schuberts Klavierstimme etwas mehr Kraft vertragen.

Ein charismatischer Cellist

Das änderte sich schlagartig bei Beethoven. Hier gab es keine Zurückhaltung mehr und Connie Shih kostete das Klangspektrum des hervorragenden Steinway-Flügels sowohl im unteren als auch im oberen Lautstärkebereich voll aus. Der 65-jährige Schubertiade-Debütant Steven Isserlis, ganz englischer Sir mit Silbermähne (ein Konzert mit ihm und Simon Rattle als Dirigent wäre nicht nur musikalisch interessant), ist unter anderem dafür bekannt, dass er ausschließlich auf Darm- und nicht auf den sonst üblichen Stahlsaiten spielt. Der etwas kleinere Ton - im Angelika-Kauffmann-Saal vollkommen unerheblich - wird kompensiert durch eine unglaublich weiche, vollkommen schlackenlose Klangqualität. Und mit dieser spielt Steven Isserlis. Es ist faszinierend, wie er Klänge aus dem Nichts entwickelt, unterschiedliche Arten von Vibrato einsetzt - alles, um dem musikalischen Fluss eine Richtung zu geben. Isserlis hat unglaublich viel Zeit, lässt Töne verklingen, wartet bei Übergängen oft lange, um dem nächsten musikalischen Gedanken den nötigen Raum zu geben. Und er besitzt die nicht erlernbare Fähigkeit, das Publikum durch Körpersprache und musikalische Überlegenheit sofort in seinen Bann zu ziehen. Gemeinsam mit Connie Shih ergab sich eine fast magische Interpretation von Beethovens Cellosonate in A-Dur op.69.
Steven Isserlis ist aber nicht nur Cellist, er schreibt auch Kinder- und Jugendbücher. Englische Wortspiele scheinen eine besondere Anziehung auf ihn auszuüben, sein erstes Buch trägt den Titel „Why Beethoven threw the Stew“. Die deutsche Ausgabe heißt „Warum Beethoven mit Gulasch um sich warf“. Das ist zwar vollkommen korrekt übersetzt, der Sprachwitz geht abei aber leider verloren. Und über seine Vorliebe für Darmsaiten schrieb er dem Hersteller ins Stammbuch: „It takes guts to be a cellist, and for that reason I use Pirastro's gut strings.“ Auch das ist leider nicht wirklich übersetzbar. 

Unglaublicher Energielevel

Es wird ja immer wieder diskutiert, was denn jetzt besser sei: ein fixes Ensemble, das lange Zeit zusammenspielt und seinen Fokus voll und ganz auf das jeweilige Repertoire konzentriert, oder der spontane Zusammenschluss dreier Solisten, die fantastische Musiker sind und neben ihrer Solokarriere auch gerne Kammermusik spielen. Gerade bei Klaviertrios ist das immer wieder ein Thema. Am Dienstagabend in Schwarzenberg konnte die Solistenfraktion einen Punkt auf ihr Guthabenkonto buchen. Wie Veronika Eberle, Steven Isserlis und Connie Shih Schuberts Es-Dur Trio D 929 gestalteten, war schlicht und einfach umwerfend. Dieses Trio gehört - wie das Forellenquintett oder das C-Dur Quintett - zu den am häufigsten im Rahmen der Schubertiade aufgeführten Kammermusikwerken. Sein langsamer Satz rührt zu Tränen und das Thema des tänzerischen Finales geht einem länger nicht mehr aus dem Kopf. Das fast 45 Minuten lange Stück verlangt von den Musikern viel: instrumentale Virtuosität, Entwicklung langer musikalischer Phrasen, klangliche Ausgewogenheit und perfektes Ensemblespiel. Die unglaubliche Energie, die die drei Künstler auf der Bühne des Angelika-Kauffmann-Saales entwickelten, war absolut mitreißend. Obwohl Veronika Eberle, Steven Isserlis und Connie Shih vollkommen eigenständige, unterschiedliche Musikerpersönlichkeiten sind, verschmolzen sie in Schuberts Trio zu einer Einheit. Nach dem Schlussakkord gab es kein Halten mehr, es entlud sich ein Beifallssturm mit Bravo-Rufen und Getrampel. Bitte zusammen bleiben und möglichst bald wiederkommen!

www.schubertiade.at