Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Ingrid Bertel · 12. Mai 2023 · Theater

Atlas zuckt mit den Schultern

Das Landestheater veröffentlicht seinen Spielplan 2023/24

Mit Stücken aus dem frühen 20. Jahrhundert, einem starken weiblichen Akzent und Liederabenden statt Oper geht das Landestheater in seine neue Spielzeit

Elon Musk liest sie, Peter Thiel und Altkanzler Sebastian Kurz: Ayn Rand, Vordenkerin des Neoliberalsimus. Mit einer dramatisierten Fassung ihres in den USA einflussreichen Romans „Atlas shrugged“ aus dem Jahr 1957 eröffnet das Landestheater im September seine neue Spielzeit. Und das ist durchaus programmatisch gemeint, so Intendantin Stephanie Gräve. Die Welt befinde sich im Krisenmodus, die Wirtschaft im Schleuderkurs. Bei Ayn Rand wollen konservative Eliten Abhilfe schaffen. Die Eisenbahnerbin Dagny Taggart und der Stahlmagnat Hank Rearden  kreiern einen Motor, der ohne fossilen Brennstoff auskommt und finden Möglichkeiten, Stahl nachhaltiger zu produzieren.
Rand ist nicht die einzige Autorin, auf die Gräve setzt. Quer über die Spielzeit verteilt finden sich Stücke von Frauen: Sarah Kanes „Gier" etwa wird von der Künstlerin Bella Angora als Performance erarbeitet; in Leonora Carringtons surrealer Komödie „Das Fest des Lamms“ erweist sich ein englischer Landhaushalt als von Werwölfen durchsetzt; ein Stückauftrag erging an die österreichische Autorin Gerhild Steinbuch.

Ein starker weiblicher Akzent

Harald Walsers beeindruckende Biografie der Krankenschwester Maria Stromberger, „Ein Engel in der Hölle von Auschwitz“ ist für Steinbuch Basis ihres Stück, in dem, so Gräve, ausschließlich Frauen auftreten sollen. Das mutet seltsam dogmatisch an, war Stromberger doch in ihrer Widerstandstätigkeit im KZ Auschwitz, eng verbunden mit Hermann Langbein, dessen heimliche Aufzeichnungen sie aus dem KZ schmuggelte.
Ein zweiter Stückauftrag erging an Tobias Fend vom Ensemble Café Fuerte. Er widmet sich zwei Ikonen der Popkultur der 1960er Jahre: Patti Smith und Robert Mapplethorpe. Überhaupt fällt auf, wie sehr Gräve auf Kooperation mit der freien Szene setzt. Neben Café Fuerte und Bella Angora etwa auch mit dem aktionstheater ensemble. Und schließlich gibt es erneut eine Koproduktion mit dem TOBS (Theater Orchester Biel Solothurn), das zuletzt mit „Kafka in Farbe“ für großen Jubel im Haus am Kornmarkt sorgte. Für TOBS entwirft Max Merker eine vermutlich wieder sehr artistische, körperbetonte Fassung von Erich Kästners Roman „Fabian“.

Und die großen Klassiker

Eigentlich gehört es ins Profil eines Landestheaters, Weltliteratur zu zeigen. Bei Stephanie Gräve fällt das relativ schmal aus. Heinrich von Kleists „Amphitryon“ seht auf dem Programm, außerdem William Shakespeares „Hamlet“ – allerdings gekürzt auf drei Personen in einer Minimalvariante für Schüler:innen. Zu „Hamlet“ in der Box gesellt sich noch „Bitch Boxer“, eine coming of age-Geschichte rund um den Boxring. 
Gräves Intendanz zeichnet sich seit jeher aus durch eine Vorliebe für Liederabende, und die gibt's in Wiederaufnahmen ebenso wie als Auftaktfest oder Christmas Singalong. A propos Weihnachten: Christian Anders Märchen „Die Schneekönigin“ ist das Familienstück der Spielzeit 23/24.

Oper biennal, Sanierung ab September 2025

Die beim Publikum so beliebte Oper fällt 2025 aus. Man werde aufgrund der prekären finanziellen Lage Oper nur noch biennal anbieten können, hatte Gräve schon anlässlich ihrer Vertragsverlängerung verkündet. Und sagte heute: Für 2025 sei eine Opernproduktion fix. Das ist allerdings auch das Jahr, in dem die für das Haus überfällige technische Sanierung in Angriff genommen wird. 9,6 Millionen Euro sind dafür veranschlagt. Und ein nicht ganz unwesentliches Detail daran wird auch für's Publikum sichtbar sein: die Öffnung des Hauses Richtung Tizian-Platz.
Bis dahin sollte die Einnahmensituation nach Corona- und sonstigen Krisen wieder stabil sein. Dennoch: seit 2016 sind die Ticketpreise nicht mehr gestiegen. Jetzt sei eine Erhöhung um 15% unumgänglich, so Stephanie Gräve. Studien, wonach Preiserhöhungen mit Publikumsschwund einhergehen, will sie Lügen strafen. Sie hoffe, den Gegenbeweis antreten zu können, gehören doch die Ticketpreise des Vorarlberger Landestheaters im Bundesländervergleich zu den niedrigsten überhaupt.

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