Anregende Werkdeutungen von Willi und Brass
Viel Applaus für das Koehne Trio und Yunus Kaya
Einen erfrischenden Konzertabend bescherten das Koehne-Trio und Yunus Kaya den Zuhörenden beim Schallwende-Festival in der Musikschule Feldkirch. Die anwesenden Komponisten Nikolaus Brass und Herbert Willi gaben im Gespräch mit Anselm Hartmann persönliche Einblicke in ihre Schaffenswelten. So boten die Werkdeutungen viel Freude und Anregungen, forderten aber vom Publikum auch Konzentration ein. In einer inspirierten Atmosphäre musizierten Joana Lewis, Lena Fankhauser und Mara Achleitner sowohl Solowerke als auch Kammermusik für Streich- und Klaviertrio. Gefeiert wurde Yunus Kaya unter anderem für seine individuelle Werkdeutung des impulsiven „Klavierstücks XI“ von Herbert Willi.
Das „Klavierstück XI“ von Herbert Willi ist sein meist aufgeführtes Werk. Es beinhaltet eine enorme Energie und offenbart große Kraftmomente, die den ganzen Tonumfang der Klaviatur, ausgehend von Trillerketten hin zu Clustereskapaden, beinhaltet. Gleichzeitig wird das Hineinhöhren in die Obertonschwingungen der Klänge ermöglicht.
Yunus Kaya interpretierte das Werk zum ersten Mal und fand einen individuellen Interpretationsansatz, der die Klangqualitäten der Akkordballungen, die inneren Beziehungen zwischen Bewegung und Stillstand sowie die immanente Spannkraft der Musik voll zur Geltung brachte.
Das „Klavierstück XI“ hat ein offenes Ende, das zu einer Nachfolgekomposition animiert. Im Jahr 2020 komponierte Herbert Willi zwei anschließende Klavierstücke, die einen ganz anderen Ausdrucksgehalt haben. Mit Spannung wurden nun die Uraufführungen der „Klavierstücke XII und XIII“ erwartet, die Yunus Kaya im Saal der Musikschule Feldkirch präsentierte. Ganz in sich gekehrt kommt das „Klavierstück XII“ mit wenigen Tönen aus, die in nuanciert gesetzten Akkorden von immer neuen Blickwinkeln aus beleuchtet wirkten und eine hervorragende Reflexionsfläche entfaltete. Aus den weichen und zugleich eigentlich fahl wirkenden Tonschichtungen entwickelte Herbert Willi im „Klavierstück XIII“ organisch wachsende musikalische Floskeln und Linien. Auf etwaige nachfolgende Klavierstücke, die schließlich zu einem Zyklus zusammengefasst werden sollen, darf man sich freuen.
Spiel mit Zeitmaßen
Gerahmt wurde der Klavierzyklus mit der Uraufführung des neu gefassten Klaviertrios (1984/2021) sowie dem Streichtrio „Kairos im Kronos“. Das Klaviertrio formten Joana Lewis (Violine) und Mara Achleitner (Violoncello) sowie Yunus Kaya mitteilsam. Sie betonten im ersten Abschnitt insbesondere den beschwingt tänzerischen Duktus und stellten danach impressionistisch harmonische Färbungen mit viel Leuchtkraft dar.
Konzentriert aufeinander achtend, ließen die Musiker:innen im rhythmisch anspruchsvollen Finalsatz die impulsgebenden Akkorde auseinander fließen. Obwohl nicht alle rhythmischen Feinheiten punktgenau gesetzt wirkten, war die Werkpräsentation ein Erfolg. In „Kairos im Kronos“ nahm Herbert Willi Bezug auf ein Mozart-Fragment (KV 562e), setzte Analogien der Geburtsdaten zueinander in Beziehung und stellte die musikalische Zeitgestaltung und das psychologische Zeiterleben ins Zentrum der Betrachtung. Im direkten Vergleich mit dem zuvor gehörten Klaviertrio lenkten die in beiden Werken erklingenden volksmusikalischen Idiome die Aufmerksamkeit auf sich. Rund um das originale Mozart-Zitat, das die Musikerinnen etwas undifferenziert ausgestalteten, beeindruckte vor allem der Finalsatz, in dem spezifische Klangkonstellationen das Zeitmaß dehnten und den musikalischen Raum weiteten.
Mit Bildern im Kopf
Die drei Kompositionen, die der in Lindau lebende Komponist Nikolaus Brass zusammengestellt hat, boten eine sinnliche Ein- und Hinführung zum abschließenden Streichtrio. Dass Nikolaus Brass von optischen Eindrücken wesentlich inspiriert ist und den Linienführungen ein besonderes Augenmerk schenkt, war in allen drei Werken nachvollziehbar. Joana Lewis formte „Songlines I“ für Violine solo mit einer vielgestaltigen Tongebung. Sie führte den melodischen Bogen von satten Tongebungen in tiefen Lagen zu filigran suchenden Gesten mit flüchtigem Charakter und implizierte damit unterschiedliche Bewegungsmuster. Trotz der Rückverweise und strukturierenden Klammern wirkte das Solostück insgesamt etwas zu lang. „Strophe“ lautet der Titel des Solowerkes für Viola, das Lena Fankhauser im Anschluss an die „Songlines“ spielte. Der erdige und satte Ton der Bratschistin harmonierte wunderbar mit dem vorangegangenen Werk. Überdies kam der Sprachduktus in den unterschiedlich dargestellten Erregungszuständen hervorragend zur Geltung.
Schließlich interpretierte das Koehne-Trio das 2. Streichtrio von Nikolaus Brass. Sensibel wirkte dabei das Spiel zwischen Annäherung und Distanz. Die unterschiedlichen Tonqualitäten mit den spezifischen Charakteristika der Klänge formten die Musikerinnen in einem guten Austausch miteinander. So kamen die Texturen des Tongewebes gut nachvollziehbar zur Geltung. Reizvoll wirkten dabei auch die Gewichtungen zwischen energischen Gesten und unvermittelten Unterbrüchen.