Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Füssl · 02. Feb 2023 · CD-Tipp

Anders Jormin: Pasado en claro

Welche Kraft aus gebündelter Kreativität im Spannungsfeld von Poesie und Musik entstehen kann, bewiesen der aus Schweden stammende Kontrabassist Anders Jormin und die Sängerin, Geigerin und Bratschistin Lena Willemark gemeinsam mit der japanischen Koto-Spielerin Karin Nakagawa bereits 2015 mit dem hervorragenden Album „Trees of Light“. Mittlerweile wurde die Besetzung um den Drummer und Perkussionisten Jon Fält erweitert, einem Langzeit-Partner Jormins im Bobo Stenson Trio, aber auch die Lyrik-Auswahl erfuhr eine beachtliche Ausweitung.

Während man sich damals auf einen von Willemark im äldalischen Dialekt verfassten Gedichtzyklus konzentrierte, stehen nun der chinesische Dichter Ouyang Xiu aus dem 11. Jahrhundert und der Japaner Yamabe no Akahito aus dem achten Jahrhundert ebenso auf dem Programm wie die schwedischen Zeitgenoss:innen Tomas Tranströmer, Jörgen Lind und Anna Greta Wide. Der Renaissance-Dichter und Liebeslyrik-Spezialist Petrarca ist genauso vertreten wie der mexikanische Literatur-Nobelpreisträger Octavio Paz – gesungen wird alles in schwedischer Übersetzung, eine englische Version ist im Booklet abgedruckt. Und natürlich steuert auch Willemark wieder Selbstverfasstes bei. Die vieldeutigen, nicht leicht zu fassenden und oftmals auch etwas geheimnisvoll anmutenden Verse finden ihr musikalisches Äquivalent in einem stimmigen Mix aus Archaischem und Zeitgenössischem, aus nordischer Folklore und japanischer Tradition, aus Jazz und freier Improvisation. Anders Jormin legt mit seinem kraftvoll gezupften, melodisch singenden und farbenreich gestrichenen Bass gemeinsam mit dem perkussiv auf geschmackvolle Reduktion setzenden Jon Fält ein abwechslungsreiches rhythmisches Geflecht, das Lena Willmarks klarer und ausdrucksstarker Stimme, mit der sie die Lyrik zu gesungenen Geschichten formt, als ideale Basis dient. Bereits beim siebenminütigen Eröffnungsstück „Mist of The River“ wird eindrucksvoll demonstriert, wie vielseitig die klanglichen und rhythmischen Möglichkeiten sind und wie unglaublich breit das Sound-Spektrum ist, das die selten zu hörende japanische Wölbbrettzither Koto bietet, wenn sie von einer großartigen Virtuosin wie Karin Nakagawa gespielt wird. Sie hatte einst im Alter von vierzehn Jahren in öffentlichen Konzerten bereits ihre Eigenkompositionen auf der Koto präsentiert, mit der ihr ein verblüffender und eine ganz spezielle Atmosphäre schaffender Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne gelingt. Die sieben von Jormin und die vier von Willemark komponierten Stücke sind den Akteuren maßgeschneidert auf den Leib geschrieben und beschwören durchwegs eine etwas düstere, geheimnisvolle, mitunter auch nachdenkliche Stimmung. Eine Ausnahme macht höchstens das einzige Instrumentalstück des Albums, Lena Willemarks gefiedeltes Hochzeitstänzchen „Wedding Polska“. Das von ECM-Chef Manfred Eicher produzierte „Pasado en claro“ bietet Musikinteressierten aus den unterschiedlichsten Lagern ein ganz spezielles Hörvergnügen.

(ECM/Universal)