Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Peter Niedermair · 22. Nov 2015 · Aktuell

three dots - Vernissage in der Galerie.Z in Hard

Peter Niedermair hielt am 20. November folgende Eröffnungsrede.

Die Galerie.Z im ehemaligen Harder Zwicklehaus, in dem im Erdgeschoß eine Metzgerei eingerichtet war, in die, bis 1972, mein Schwiegervater Linus A., Tierarzt in Lustenau, zur Fleischbeschau aufkreuzte; in diesem Haus also wurden lange Zeit Tiere zerlegt und zerstückelt, dekonstruiert, wenn man denn so will, und wieder beschriftet, in der Regel auf den Schwarten, mit einem blauen Stift, bzw. gestempelt mit einer blaulila Farbe. Jetzt nun ist seit einigen Jahren in dieser Galerie.Z ein Kunstlaboratorium eingerichtet, ein Labor, ein Raum zum künstlerischen Spiel, zum Experimentieren, zum Ausprobieren, wie das Fremde-Unvertraute in der Bemantelung der Kunst auseinandergesetzt ein Stück näher kommen kann. Durch die Spielfiguren von Betrachter und Künstler, in dieser Ausstellung genuin thematisiert. Und gleichzeitig das Bekannte, das scheinbar Vertraute, das mit Sinn Ausgestattete, sich bei genauerem Hinsehen entfremdet und entfernt. Hier wird Zeichenkunst präsentiert, ist ein Forum für die Zeichnung eingerichtet, die vermutlich die älteste und souveränste ästhetische Form an sich ist. Die Galerie exploriert Zeitgenössische Kunst in einer rhythmisierten Programmierung von lokal/regional bis hin- und herüber der Grenzen und legt damit – quasi wie als Kontrapunkt - die Spuren für ein nichttouristisches Publikum – wenn man nach Bregenz blickt.

Die Zerlegung des Vertrauten durch Transformation

Das Gemeinsame – the common denominator – dieser jetzigen Ausstellung ist der Blick auf das Abweichende, auf das Irritierende, auf die Zerlegung des Vertrauten durch Transformation. Auf das navigierende Jonglieren, auf die Zerlegung der Membranen zwischen Innen und Außen, zwischen dem Ab- und Anwesenden. Es sind in diesem Sinne doppelte Experimente, die, wie in der leisen, fast unscheinbaren, jedoch ambitionierten Kunst aller hier vertretenen KünstlerInnen, den Fragen nachgehen. Der Frage nach Ideen, nach Motiven, Ursachen, Bedingungen, den Bildgrund an sich, die Berahmung, das dialogisierte Rollenspiel. Sie fangen alle dort an, wo der leere Grund mit der Motivation mit dem kausalen Grund aufeinander trifft. Dies tritt für die Zeichnung in einem besonderen Maß in den Vordergrund, wo Linien auf die Bildfläche eingetragen werden. Dabei befragen sie Traditionen, die Geschichte der Konturen, die Schwellenränder der historischen Zeiten und Zäsuren, die Geschichtlichkeit der Übergänge, die Nahtstellen und Schnittmengen. Sie navigieren die Betrachter den Objekten entlang, an aneinandergefügten Bildräumen, die visuell begehbar sind. Wo wir uns ins Bild hinein und aus diesem wieder heraus bewegen können. Dabei füllen wir diese Innen- und Außenräume mit Bedeutung. Dort, wo wir nichts sehen, also in jenen Räumen, die durch Abwesenheiten bezeichnet sind, verwandeln wir diese qua unserer eigenen visuellen Transformation in Anwesenheiten.

Artist & Spectator


Ausgehend von einem Punkt, den die Galerie in ihrem Namen trägt, als dem kleinsten Element einer Zeichnung, ist für diese heute Abend zu eröffnende Ausstellung getripelt und titelt Three Dots. In dieser Gruppenausstellung mit den KünstlerInnen Andreas Heller, der hier mit einer Serie eigens handgefertigter Objekte vertreten ist, die auf dem Displayregal präsentiert werden, mit Dora Kuthy, die zwei Zyklen zeigt, einmal die dreizehnteilige aus Buchenholzrahmen, maschinell wie handgefertigt, die mit dem Thema Hand und Maschine spielt, sowie diesen drei links an der Wand angehefteten Textilstücken, hochgeschnittene Unterhosen, aus Jerseystoff, der mit den strickenden Händen, diesen motivisch offensichtlich Socken strickenden Linien, bedruckt ist.

Mit Veronika Hauers Serie an Zeichnungen, in der sie auf die ludische Interaktion von Artist & Spectator eingeht. Dort wird die Linie als elementares Ereignis zum Spielball der zwei ProtagonistInnen, die sich von einer Zeichnung zur anderen sprachverhandeln. In diesem Dialog der beiden Figuren, die durch das Element der Linie zu einem Narrativ geöffnet wird, just in dem Moment, taucht dieser von Veronika Hauer kreierte Text auf - „We had only met a couple of times“, in Letraset Buchstaben, ausgeführt in einer großen typografischen Bandbreite.

Eingekapselte Narrative

Andreas Heller - Im assoziativen Echolot legen seine Objekte Erinnerungsstücke frei, die voller individueller Geschichtsgeschichten daherkommen, als kunst- und kulturhistorisch Anlehnungen, als Referenzen, ein Spiel von Innen und Außen, das Seil zu einer Kugel zusammengerollt in Beton gegossen – die Außenräume, mancherorts Naturräume imaginieren sich für den Betrachter. Der Spectator, wie ihn Veronika Hauer in ihrem sechsteiligen Zyklus nennt. Er setzt sie damit in Bezug zu einer Tradition, zu einer Bildtradition, es entstehen spielerische methodische Verschiebungen, die in der theoretisch-philosophischen Grundierung die Sehnsuchtsorte konstituieren und markieren. Finden wird man die Gründe vermutlich eher nie, außer man wollte das fiktional-attraktive wie begehrlich-choreographierte Spiel des Sich-Verlierens in der Leere spielen, auf dem Feld der Inszenierungen. Wo seine Arbeiten immer einen kunst- und kulturhistorischen Bezugshorizont aufweisen, wo wir dann in den Bildgedächtnissen spaziergehen können und diesen Erinnerungskapseln zuhören.

Im Briefständer hier auf der Ablage spielt er mit den gefächerten Ebenen, bringt er skulpturale Objektbezüge zum Verschwinden und spielt so mit diesen Trägern der Erinnerungen. Der Silbersockel am hinteren Ende der Ablage schien Andreas Hauer wohl zu stabil, er musste ihn bearbeiten, so etwas wie sprengen; womit er dieses destruktive Element, die Spur zerstörend einbringt, die jetzt im Objekt erhalten bleibt. Der Künstler hat sieben Jahre lang in Graz Schmuckdesign studiert. Was ist die Faszination dieser Objekte? Es sind Fundstücke allesamt. Transformierte Fundstücke, in denen er mit unseren Ideen spielt, mit Horizonten, mit transformierten Linien.

Vom Augenblick zur Autobahn

Die Linie. Wie der Punkt, der ein Augenblick ist, eigentlich, öffnet die Linie ein weites Feld für assoziative Recherche. In der Kunst taucht sie ebenso auf wie in der Literatur, als poetologisches bzw. metatextuelles Statement und Antistatement. Franz Kafka war ein leidenschaftlicher Zeichner, der ein starkes Interesse für die Linie hatte. Die ungewöhnlich häufige Präsenz von Bildern von verschiedenstem Ursprung, wie sie in seinen fiktionalen Texten auftauchen, belegt dies eindringlich. Felice Bauer hat er den Briefen manchmal Zeichnungen beigelegt. Mit seinen Linien, mit seinen Zeichnungen hat er für die Texte eine Art innere Ikonographie geschaffen, was uns erlaubt vom bildhaften Denken bzw. vom Bilddenken in seinen Texten zu sprechen. Kafka selbst hat an der Prager Universität ab 1901 bis 1905 mehrere Semester Kunstgeschichte studiert. An einen anderen Autor wäre in diesem Kontext zu erinnern: Robert Blauhut, Auf der Autobahn aussteigen wollen (in: R. B.: Sprachminiaturen über Vorarlberg, Bregenz, 1977). „Die Autobahn ist nicht in Frage gestellt. Aber sie stellt Fragen, sie ist zu gerade, um noch Raum für das Ungewisse zu lassen, um Sternschnuppen zu suchen, auch wenn man aussteigt, weil man das nicht erfahren kann. Wer Sternschnuppen sucht, der muß sie außerhalb der Geraden suchen, links oder rechts von der Autobahn, man darf da die Gerade nicht mehr wollen, welche die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten darstellt, man muß ins Ried, welches rechts und links von der Autobahn liegt und in dem schon der Nebel liegt.“

Veronika Hauers sechsteilige Serie Spectator & Artist – in der sie unter anderem dieses bereits erwähnte Textfragment einbaut „we had met only a couple of times“ (before) – bleibt der gesamte Zyklus fragmentarisch. Die Künstlerin changiert die Rollen der Figuren, lässt sie ineinander übergehen, fast ineinander verschwimmen, wie bei Kandinsky; lässt sie miteinander sprechen, mitunter dreihändig, wobei sich im Dialog alles um die räumlich symbolische Bedeutung der Linie dreht. Dabei könnte die eine Figur jeweils die andere sein. Und umgekehrt.

Das Strickspiel mit den Socken auf Jersey

Mit ihrer Serie der gerahmten Bilder nimmt uns Dora Kuthy hinein in ein ironisches Spiel. Zwei von den dreizehn Rahmen hat sie selbst gebaut. Die anderen sind maschinell gefertigt. Was denken Sie, als die Gäste heute Abend, welcher Rahmen wäre für sie wertvoller? Händisch oder maschinell konstruiert? Auf den Bildern an sich setzt sie dieses ambivalente Spiel fort und thematisiert den Prozess mit dem Holz. Auf den drei Wäschestücken hinten links an der Wand hat die Künstlerin einen Siebdruck mit spezieller Folie angewendet. Diese funktioniert anders als eine Textilfarbe. Und die Linie bleibt klarer. Die Hose ist im Bund hoch geschnitten. Sie funktioniert ohne Bund und Bänder, oder gar Gummibendel. Cool-gold, eisblau und bronze/kupfer auf Haut sind die coloured elements of choice. Die Unterhose fungiert als Zeichenebene. Mit dem Motiv des Sockenstrickens werden wir Betrachter aus dieser optischen Welt wieder ein Stück herausgenommen in die Welt der archaischen Grundausstattung. Socken stricken. Wer von Ihnen hätte nicht erinnerbare Bilder aus dem eigenen, und sei es dem erinnerten Leben. Wir sind froh, solch interessante zeitgenössische Kunst hier in der Galerie.Z sehen zu können, allesamt in zurückhaltender und dennoch hochkomplexer Form, die von uns BetrachterInnen auch einiges an Auseinandersetzung fordert, sind froh, dass die KünstlerInnen außer einem familialen Bezug mit einer Tante keinen Vorarlbergbezug haben.

 

three dots
Veronika Hauer . Andreas Heller . Dora Kuthy
20.11. – 19.12.2015
Di / Do 18.00 – 20.00 Uhr
Sa 10.00 – 12.00 Uhr
Galerie.Z, Hard
www.galeriepunktz.at