„Biografie“: Ein Film des Multi-Media-Künstlers Arno Oehri im Auftrag von Demenz Liechtenstein. © Ralph Zurmühle
Peter Niedermair · 27. Nov 2021 · Aktuell

Lukas Birk erhält den „Kulturpreis Vorarlberg“ 2021 in der Kategorie Fotografie

Der in der Kategorie Fotografie vergebene „Kulturpreis Vorarlberg“ ist mit 10.000 Euro dotiert und geht an den Bregenzer Lukas Birk. Die beiden Förderpreise zu je 2.500 Euro gehen an die „ritsch sisters“ und Ronja Svaneborg. Die Verleihung des Kulturpreises fand am Freitag, 26. November im ORF Landesfunkhaus in Dornbirn statt.

Laudator Herman Seidl erklärt den einstimmigen Juryspruch: „Lukas Birk ist ein fotografischer Jäger und Sammler, aber auch ein kreativer Erfinder und Produzent. Und Birk ist ein Foto-Archäologe. Das Jagen und Sammeln praktiziert er häufig in Konflikt- und Krisengebieten wie Myanmar, Afghanistan, Pakistan oder Iran, in denen er in der Vergangenheit unterwegs war. Die Ergebnisse seiner Recherchearbeiten und Teile seiner Archive stellt Lukas Birk zudem auch online auf verschiedenen Websites zur Verfügung. Indem Birk in seiner Arbeit kaum zugängliche historische und aktuelle Fotografien aus Ländern, in denen Konflikte und Krieg herrschen, ans Tageslicht holt und einer breiten Öffentlichkeit sowohl in den Ländern selbst, wie auch außerhalb zugänglich macht, leistet er auch einen wertvollen Beitrag zur Erinnerungsarbeit und zur Fotografiegeschichte. In diesem Sinne ist der Künstler auch ein Aktivist, der in direkter Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten und den gegebenen Ressourcen in den jeweiligen Orten – und nicht von außen – agiert, und seine Rolle immer wieder neu aus einem de-kolonialen Blickwinkel heraus durchaus kritisch reflektiert zur Diskussion stellt.“
Die beiden Förderpreise zu je 2.500 Euro gehen, wie eingangs bereits erwähnt, an die „ritsch sisters“ und an die Dänin Ronja Svaneborg, die in Sibratsgfäll lebt. Svaneborg überprüft mit ihren Arbeiten die Elastizität des Mediums, schafft skulpturale Fotografien und hinterfragt, wie wir Bilder sehen und uns erinnern. Die Schwestern Anna und Maria Ritsch überzeugten die Jury mit ihrer Serie „The act of sitting“ – die von Anna in New York und von Maria in Wien entwickelt wurde. Beide Künstlerinnen beschäftigen sich mit dem „zu Hause herum sitzen“ während der Pandemie, eine „Beschäftigung“, die sie überhaupt nicht langweilig finden, sondern Gedanken animierend.

Eine hochkarätige Jury kürte die Gewinner:innen

Die international besetzte Jury mit Sabine Gamper – Kunsthistorikerin, Autorin für zeitgenössische Kunst und Mitglied im künstlerischen Beirat im Fotoforum Bozen – sowie Herman Seidl – freischaffender Fotograf, Vorstandsmitglied und Kurator zahlreicher Ausstellungen im Fotohof Salzburg – bewerteten die eingereichten Fotografien, die Preisträgerinnen und Preisträger wurden im Rahmen der Vernissage im ORF-Landesfunkhaus ermittelt. Ausschlaggebend für den Entscheidungsprozess seien vor allem Entwicklungspotenziale und Zukunftsperspektiven gewesen. Der „Kulturpreis Vorarlberg“ ist eine Initiative von Casino Bregenz gemeinsam mit der Sparkasse Dornbirn, mit Unterstützung des Landes Vorarlberg sowie des ORF Vorarlberg. Der Preis mit einer Gesamthöhe von 15.000 Euro pro Jahr fördert innovative Formate und Genres und soll aufstrebenden Künstlerinnen und Künstlern aus Vorarlberg eine geeignete Plattform bieten, ihr künstlerisches Schaffen zu präsentieren. Moderiert wurde das Juryverfahren von Seiten der Kooperationspartner durch Winfried Nußbaummüller von der Kulturabteilung des Landes.

Der Gewinner Lukas Birk – „Jäger und Sammler“

Jahrgang 1982, ist Geschichtenerzähler, Fotograf, Kurator, Herausgeber, Manager und Sammler. Ein Großteil seiner Arbeit besteht darin, Fotoarchive, die er während seiner Reisen sammelt, zu restaurieren und in einen speziellen Kontext zu setzen – so bisher unter anderem in Afghanistan, Pakistan und Myanmar. Seine wissenschaftlichen Forschungen beschäftigen sich speziell mit der Zeit des Postkolonialismus und porträtieren den Hintergrund seiner Arbeit mit dem historischen Material. Birk zeigt die Ergebnisse seiner Forschungsarbeiten und Geschichten auf multimediale Weise, denn „jede Geschichte benötigt eine andere Art und Weise, erzählt zu werden“. Zu Birks Werk zählen unter anderem Filme, Bücher, Online-Plattformen sowie Ausstellungen in Europa, den USA und in Asien.
„Lukas Birk ist ein fotografischer Jäger und Sammler, aber auch ein kreativer Erfinder und Produzent. Und Birk ist ein Foto-Archäologe. Das Jagen und Sammeln praktiziert er häufig in Konflikt- und Krisengebieten wie Myanmar, Afghanistan, Pakistan oder Iran, in denen er in der Vergangenheit unterwegs war“, heißt es in dem Juryspruch. In dem er seine Rechercheergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich mache, leiste er auch „einen wertvollen Beitrag zur Erinnerungsarbeit und zur Fotografiegeschichte“. Seine eigene Rolle würde er dabei „immer wieder neu aus einem de-kolonialen Blickwinkel heraus“ kritisch reflektieren.

Starker Impuls für Vorarlberger Kulturszene

Das Casino Bregenz und die Dornbirner Sparkasse schreiben gemeinsam den „Kulturpreis Vorarlberg“ aus. Projektpartner für das Juryverfahren und die Bewerbung sind das Land Vorarlberg und der ORF Vorarlberg. Mit diesem Preis wird ein starker Impuls für die Vorarlberger Kunst- und Kulturszene gesetzt. Junge, kreative Köpfe aus den verschiedensten Kulturgattungen werden dabei gefördert. Die zu prämierende Sparte wird jedes Jahr neu definiert. Ausgewählt wurde dieses Jahr die Kategorie Fotografie. Durch den Kulturpreis Vorarlberg sollen innovative Formate und Genres unterstützt und in den Mittelpunkt gestellt werden. Jungen, aufstrebenden Fotografinnen und Fotografen bietet der Preis eine würdige Plattform, ihr künstlerisches Schaffen zu präsentieren.
Lukas Birk (geboren 1982) ist ein österreichischer Fotograf, Archivar und Verleger. Er ist bekannt für eine visuelle Archivarbeit in Myanmar und Forschungen zur Boxkamera-Fotografie in Afghanistan. Birk hat an fotografischen Projekten, Filmen und visuellen Forschungen in China, Süd- und Südostasien und auf dem indischen Subkontinent gearbeitet. Er hat zahlreiche Bücher über visuelle Kultur und Fotogeschichte veröffentlicht. Er ist Mitbegründer des Austro Sino Art Program (2008-2014) in Peking, China, und des SewonArtSpace in Yogyakarta, Indonesien. Er gründete das Myanmar Photo Archive, Myanmars erstes öffentliches Fotoarchiv, und rief ein begleitendes Verlagsprogramm ins Leben. Sein Verlag Fraglich Publishing konzentriert sich auf Publikationen zur visuellen Kultur und Drucke in limitierter Auflage.

Kafkanistan und Austro-Sino-Kunstprogramm

Birks erstes größeres Werk "Kafkanistan - tourism to conflict areas" (2005-2008) untersucht zusammen mit dem irischen Ethnografen Sean Foley die Aktivitäten von Touristen in Afghanistan und den pakistanischen Stammesgebieten. Die Forschungsarbeit mündete in einem Spielfilm, einer Ausstellung und einem Buch. Zusammen mit dem österreichischen Künstler und Professor Karel Dudesek war Birk Mitbegründer des Austro Sino Arts Program (ASAP). ASAP war zwischen 2008 und 2014 in Peking tätig und organisierte Ausstellungen, Filmfestivals und Publikationen. Das Programm präsentierte die Arbeit von nicht-chinesischen Künstler:innen, die in China arbeiteten, und zeigte deren Perspektiven in auf China auf. Das Projekt wurde maßgeblich von der Österreichischen Kulturstiftung unterstützt. Während seiner Jahre in China gründete Birk ein kommerzielles Fotostudio, unterrichtete Fotografie und stellte seine Kunstwerke in zahlreichen Ausstellungen aus. Er produzierte auch eine Serie und Monographie mit dem Titel "Polaroids aus dem Reich der Mitte".

Fotoarchiv Myanmar

Birk begann 2013 mit dem Sammeln von Fotomaterial und Recherchen zur Fotogeschichte Myanmars. Seitdem hat er das erste öffentliche Fotoarchiv gegründet, das sich auf die lokale visuelle Geschichte Myanmars konzentriert, das Myanmar Photo Archive (MPA). Das MPA organisiert Ausstellungen mit dem Material des Archivs - das derzeit 20.000 Bilder umfasst - und hat in Yangon ein Programm zur Veröffentlichung von Fotobüchern gestartet. Die Bücher werden auf Englisch und Birmanisch veröffentlicht und international vertrieben. Das Archiv wurde maßgeblich von der British Library, dem Goethe-Institut Myanmar und der Europäischen Union in Myanmar gefördert.
Das Motiv des Sammelns hat sich im Laufe der Jahre verändert, zunächst das Sammeln von Kuriositäten und jetzt das spezifische Sammeln, das auf eine Geschichtserzählung gerichtet ist, auf ein Projekt bezogen, wo es ein Interesse an der Geschichte des Landes, an dem Land gibt. Dazu braucht es Exemplare, visuelles Material, oder Hintergründe, die die Sammlung erweitern, um die Geschichte verstehbar zu machen. Das Sammeln dient auch Dokumentationszwecken, zum Inventarisieren von Geschichte und um ein Archiv anzulegen. Dadurch entsteht eine Erinnerungslandschaft, aus der heraus etwas geformt werden kann. Das heißt, man muss etwas mit der Sammlung machen, die andernfalls nur verstauben würde. Jetzt fokussiert sich sein Sammeln auf Projekte, aus denen er in der Folge etwas formt oder potentiell etwas formen könnte. Es braucht nicht nur den gesammelten Gegenstand, dieser braucht eine interpretierende Erzählung, eine Verbindung zum Publikum. Das Buch, meint Lukas Birk, werde oft als etwas Geschlossenes angesehen, als etwas Fertiges; er sieht es gar nicht so. Obwohl er viel und gerne mit Büchern arbeitet, hat er nicht so etwas wie den alten Respekt, er sieht es mehr als Momentaufnahme, die weiter wachsen kann. Das letzte über Myanmar, das Geschichtsbuch über die burmesische Fotokultur, ist von der Erzählung her gesehen eine klassische Geschichte. Es ist ein Pionierwerk, neben dem es nichts anderes Vergleichbares gibt, an dem andere andocken können. Eine sozusagen BuchWertschöpfungsKette, die, wieder einmal, darauf verweist, wie wichtig es ist, dass es einzelne Bücher als Bücher einfach nur gibt, noch ganz unabhängig davon, wie viele Leser sie finden. Die Ausstellung in Myanmar war ein großer Erfolg, hatte über 50.000 Besucher, und Lukas Birk wird im Echo kontaktiert, dass andere Fotoreportagen machen wollen und ihm weiteres Dokumentationsmaterial geben. Das Buch hat noch keinen Punkt, es gibt erst einen Beistrich bzw. einen Strichpunkt.

Die Orte auf der Birk’schen Weltkarte
umfassen eine Reihe kolonialistischer bzw. postkolonialistischer Gegenden und markieren Orte, auf die Künstler:innen historisch nicht mehr zugreifen können, weil beide bereits verstorben sind; es sind vielmehr Asterikse, Rekonstruktionen, mit der Möglichkeit der persönlichen Annäherung, der Exploration, auf der Grundlage groß angelegter Sammlungen, die an den Künstler übergegangen sind. Intention: es geht um historische Aufarbeitung, um Verbindungen der eigenen Welt mit der Welt draußen, mit den Außenbezügen; im Prinzip geht es um ein Narrativ, um einen Strang. Die Fotos aus Myanmar, aus Pakistan sind auf einer Linie mit den Fotos aus seiner eigenen Familie, die mit einer eigenen Geschichte verwoben werden. Die erzählstrategische Position reflektiert auf die Familiengeschichte von drei Männern und lässt sie in Dialogen mit sich selbst aufeinander treffen, ganz im Sinne von Hannah Arendt.

www.lukasbirk.com
www.ritschsisters.com
www.ronjasvaneborg.com

www.kulturpreisvorarlberg.at