Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Robert Fabach · 07. Sep 2022 · Aktuell

Karl Sillaber †

Selten fällt es so schwer über einen Freund und Kollegen in der Vergangenheitsform zu schreiben. Sein Werk, sein Beitrag, sein Mitwirken bis zuletzt an einer schönen Welt waren - und wirklich sind - so lebendig, dass sie nicht vergänglich scheinen. Ein Beitrag, der nicht nur Gebautes, sondern eine Sicht auf die Architektur und nicht zuletzt eine Weltsicht vermittelt, exemplarisch und zugleich visionär. Eine „Frohbotschaft“. Sein Werk und das Werk, der von ihm entscheidend mitgeprägten Arbeitsgemeinschaften C4 (1960-1979) und nachfolgend C4 Fohn/Sillaber umspannen das gesamte, über sechs Jahrzehnte andauernde, zeitgenössische Bauen in Vorarlberg. Eine umfassende Würdigung dessen steht noch aus.

Karl Sillaber wurde 1932 in Bludenz in eine Familie von Eisenbahnern geboren. Nach dem Abschluss der Staatsgewerbeschule in Innsbruck im Fach Tiefbau studierte er von 1953-59 Architektur in Graz bei Franz Schuster und Roland Rainer. Dabei lernte er auch den aus Tarvis stammenden Max Fohn kennen, mit dem ihn fortan eine lebenslange Freundschaft und Arbeitsgemeinschaft verband. Noch im Studium gelang den beiden 1956 ein Wettbewerbsgewinn zur Volksschule Obdorf in Bludenz.
Aus dem Gewinn des Wettbewerbs für die Volksschule in Nüziders 1960 ex aequo mit Friedrich Wengler und Helmut Pfanner entstand schließlich die Gruppe C4, die bis zum Unfalltod Pfanners 1972 und dem Ausscheiden Wenglers 1979 bestand.
Zwölf weitere, oft beispielhafte Schulbauten sollten in diesen Jahren noch entstehen. Dazu kamen Gewerbebauten, zahlreiche Wohnanlagen und kommunale Gebäude wie die Rathäuser von Bludenz und Lauterach oder die Krankenhäuser in Bludenz und Bregenz.
Ab 1979 entstanden in der Formation C4 Fohn/Sillaber Wohnbauten, Feuerwehren und vor allem eine Reihe hingebungsvoller Renovierungen und Wiederherstellungen von Sakralbauten wie der Herz-Jesu-Kirche in Bregenz oder dem Kapuzinerkloster in Feldkirch, die das Lebenswerk von Karl Sillaber beschließen.
Durch sein persönliches Engagement im Kreis einer frühen künstlerischen und architekturpolitischen Avantgarde (Verein Form + Farbe, Vereinigung bildender Künstler, Zentralvereinigung der Architekten u. a.) hat er zu einer gesellschaftlichen Entwicklung beigetragen, die heute dem kulturellen Selbstverständnis des Landes zugrunde liegen. Bis zuletzt vermittelte seine aktive Präsenz im Rahmen der ZV (Zentralvereinigung der Architekten) einer jugendlichen Kollegenschaft seine wache und begeisternde Freude für das Zeitgenössische.
Diese Zeitzeugenschaft gewann seit etwa 1996 in der chronistischen Führung von tagebuchartigen Skizzenbüchern eine besondere Färbung. Reisenotizen, Landschaften, anonyme Architektur wurden ergänzt durch Berichte über Kulturveranstaltungen und zahllose Skizzen aus dem Jahresverlauf seines Gartens. Alles Gebaute wurde dabei mit Demut zum Hintergrund für die Natur, für das Menschliche und das Große. Jene Dinge, „die das Herz höher schlagen lassen“, sammelten sich zu einem systematischen Kompendium von rund 12.000 Zeichnungen, aus dem durch den langjährigen Freund Walter Fink 2021 in gemeinsamer Auswahl ein bemerkenswertes Büchlein entstand.
In den Begegnungen mit Karl hat sich mir sein Werk und sein Mensch-Sein vor allem durch diese Skizzen und seine Gärten erschlossen.
Gemeinsam, über seine kleinen Büchlein gebeugt, entspannen sich angeregte Gespräche, die viel über eine Weltsicht, Haltung und Ideen verrieten. Retrospektiv bleibt das verrückte Gefühl, dass wir vor allem über Blumen, Gärten und Landschaften schwärmten.
Der Respekt vor historischer Baukunst und anonymer Architektur, die Neugier nach elementaren Ordnungen und Momenten des Raumes waren die Grundlagen für seine modernen Raumkonzepte. Mit einem hohen Anspruch an Direktheit und „Ehrlichkeit“ wurden diese in ablesbaren Materialien und Konstruktionen umgesetzt.
In diesem Zugang war er sowohl Architekt als auch skizzierender „Chronist des Schönen“. Er zeigte sich als Vertreter einer authentischen „architecture brut“ und eines zutiefst humanistischen Verständnis seiner Profession.
So treten uns jene, gemeinsam mit seiner Frau Erika jährlich angelegten Hausgärten und seine akribischen, zeichnerischen Chroniken in Form sorgsamer und eigenhändig editierter Karten wie eine liebevolle Deutung des eigenen Werks entgegen. Der retrospektive Hinweis auf das, was zählt. Die Zeichnung als Essenz, nicht Randnotiz.
Seine Zeichnungen bedeuteten die Vorwegnahme eines umfangreichen, gebauten Werks, die Skizzen dessen Auflösung und Transzendenz. Sein Zeichnen war ein Akt des Freilegens. Alles ist schon da. Voran der Zeichner und mit ihm die Betrachter erkennen das Schöne und wandeln freudvoll auf seinen Pfaden.
Danke, Karl.

Es sind vor kurzem zwei Publikationen zum Werk von C4 bzw. zu den Skizzen, dem grafischen Werk von Karl Sillaber erschienen:

Ingrid Holzschuh (Hg.): C4 Architekten: Fohn + Pfanner + Sillaber + Wengler. Neues Bauen in Vorarlberg und Tirol 1960–1979, Birkhäuser Verlag, 2021, ISBN 978-3-0356-2461-8
Fotoband mit Reproduktionen historischer Fotos ihrer Werke und drei Interviews.

Walter Fink, vorarlberg museum und Zentralvereinigung der Architekten Vorarlberg (Hg.): Karl Sillaber. Zeichnungen, 608 Seiten, 284 Abbildungen, Hardcover, ISBN 978-3-901802-46-1
Erhältlich im Museumsshop und in ausgewählten Buchhandlungen oder unter info@vorarlbergmuseum.at