Ein königlicher Auftakt im Schaaner TAK
Zugegeben, bei der Saisoneröffnung irritierte der Bodyguard vor dem Eingang des TAK schon etwas. Doch als der neue Intendant Thomas Spieckermann dann die Gäste begrüßte und mit den Worten „Königliche Hoheit ...“ begann, war alles klar.
Ihre Königliche Hoheit Erbprinzessin Sophie von und zu Liechtenstein beehrte das TAK fast fünf Stunden lang mit ihrer Anwesenheit. Etwas länger dauerte die Eröffnung. Es war ein kleiner Theatermarathon mit Musik, Diskussion und einer abschließenden szenischen Lesung. „Von Mensch und Wurzeln“, so lautet das Motto der diesjährigen (ersten) Saison unter der neuen Intendanz. Ein „Spielplan als Expedition“ wird angeboten mit Mensch und Natur, Körper und Tod sowie Familie und Herkunft. Von allem war an diesem Anlass etwas zu hören, zu sehen oder zu erahnen.
Viel geredet, wenig gesagt
Zum Auftakt spielte Gitarrist Stefan Gansewig mit Band und warb so für seinen Johnny Cash-Abend im April. Um eine Art Expedition ging es dann in der Podiumsdiskussion, die eigentlich das Thema „Kunst und Gesellschaft“ beleuchten sollte, die aber zwischen vielen Fragen mäanderte: Wird Theater zur Sozialarbeit? Wie lässt sich für ein Projekt am besten Geld sammeln? Soll Theater eine unmoralische Anstalt werden? Wieviel Vermittlung braucht das Theater? Wie bringt man bildungsferne Schichten ins Theater? Christine Rhomberg von der Hilti Foundation erzählte von ihren Projekten mit klassischer Musik in Venezuela, der Afrika-erfahrene Regisseur Clemens Bechtel meinte lakonisch „Das Geld ist da, wo der Westen ist und genau das prägt das Verhältnis bei der Theater-Arbeit, die mit sogenannten Entwicklungsländern nicht partnerschaftlich sein kann“. Der Stiftungsratspräsident der Kunstschule Liechtenstein Hansjörg Hilti wünschte sich ein provozierendes Theater und meinte, das Landestheater habe auch den Auftrag, Themen aus dem Land zu bearbeiten und auf die Bühne zu bringen. Hingegen war für den Moderator Tobi Müller das Programm eines Theaters, dessen Programm fast ausschließlich aus Gastspielen besteht, ein „Festival auf Dauer.“
Love songs
Statt des überdimensionierten Themas „Kunst und Gesellschaft“ hätte man auch über die Aufgaben eines Landes- bzw. Staatstheaters diskutieren können, vielleicht wäre das effektiver gewesen. Die Pause war wohltuend, ebenso die Musik mit dem Duo Alexander Peutz und Johannes Mittl. Sentimentale Love songs waren zu hören, „Kitsch!!!“ hieß das Programm. Leider gingen die Lieder inmitten des Stimmengewirrs im Foyer beinahe unter. Dabei konnte Alexander Peutz mit seiner wunderbaren Soul-Stimme schmachten und traurig sein zugleich, ob beim „Hallelujah“ von Leonard Cohen oder bei Son Littles „Your love will blow me away when my heart aches“, und immer wurde er feinfühlig begleitet von Johannes Mittel am Klavier.
Gilgamesh als Abenteuer
Für den Höhepunkt der Eröffnung hatte Intendant Thomas Spieckermann tief in die Wurzelkiste gegriffen und die Geschichte von „Gilgamesh“ herausgeholt, eine weitere königliche Hoheit zur Spielzeiteröffnung! Nach der Fassung von Raoul Schrott hatte Oliver Vorwerk das Epos als szenische Lesung inszeniert. Es war zugleich die erste Eigenproduktion dieser TAK-Saison.
Der nicht sehr feine König
Raoul Schrott hatte 2001 das fragmentarische Epos in eine leicht verdauliche Geschichte übersetzt, eine Art homoerotisches Märchen aus uralten Zeiten. König Gilgamesh von Uruk ist ein vergnügungssüchtiger Unhold, der darauf besteht, in seiner Stadt mit den Bräuten die erste Nacht zu verbringen. Er stört die Ordnung so sehr, dass keine Kinder mehr geboren werden. Und das in der Stadt, deren Göttin Ischtar ist, die Göttin der Liebe und der Lust! Das erbost die Götter, daher schaffen sie ein Spiegelbild des Gilgamesh: Enkidu, den König der Tiere. Dieser wird zunächst durch die erfahrene Hure Schamchat zum Kulturmenschen gemacht, dann zu Gilgamesh gebracht, die beiden Männer messen sich, befinden sich beide gleich stark, werden ziemlich beste Freunde und gehen auf Abenteuerfahrt. Leider beleidigen sie dabei die Götter, die Enkidu daraufhin sterben lassen, was wiederum Gilgamesh untröstlich werden lässt.
Angst vor dem Schmerz
Regisseur Oliver Vorwerk brauchte für diese Geschichte eine leere Bühne, ein beschreibbares Transparent im Hintergrund und zwei Schauspieler – die zwei Frauen Monika und Claudia Wiedemer, die die beiden Männer Gilgamesh und Enkidu mit ihren sparsamen Gebärdenspiel und ausdrucksstarken Stimmen zum Leben erwecken und den Bühnenbildner David König, der während der Erzählung die Leinwand bemalt. Und so läuft über die Ohren der Zuschauer ein spannender epischer Film ab, während die Augen abstraktes Graffiti erleben, das in den Worten „Ich fürchte nicht um mein Leben, ich habe nur Angst vor dem Schmerz“ gipfelt. Ein verheißungsvoller königlicher Auftakt im TAK.