Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Raffaela Rudigier · 22. Jun 2022 · Aktuell

Bund schafft Schultheatercoaches ab

Völlig überraschend schafft das Bildungsministerium ab Herbst 2022 die sogenannten Schultheatercoaches ab. Durch eine formlose E-Mail wurden die sieben österreichischen Schultheatercoaches informiert, dass „sich das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung im Sinne der neuen Governance verstärkt strategischen Aufgaben wie der Lehrplanentwicklung widmen und sich aus operativen Bereichen, zu denen auch die Tätigkeit der Berater/innen theatraler Bildung gehört, immer mehr zurückziehen. Daher stehen im Schuljahr 2022/2023 leider keine Werteinheiten für Sie zur Verfügung“ (Mail der zuständigen Ministerialrätin Mag.a Klemmer-Senk).

Das bedeutet für die sieben Lehrer:innen, die meist die Hälfte ihres Lehrpensums als Theaterpädagogen tätig waren, dass sie ab sofort wieder zur Gänze ihre ursprünglichen Fächer unterrichten müssen. Dies hat wiederum den Domino-Effekt zur Folge, dass jene Lehrer:innen, die diese Stunden übernommen hatten, um eben diese umfallen.
Dass das Bildungsministerium damit auch ein fatales Zeichen bezüglich Kulturarbeit an Schulen setzt, ist offensichtlich. Ganz zu schweigen von der damit einhergehenden Geringschätzung der wertvollen Arbeit, welche die Schultheatercoaches in den letzten Jahren geleistet haben. Sie haben zahlreiche Schulen und Lehrpersonen bei der Umsetzung von Theaterprojekten unterstützt. Dabei halfen sie etwa bei Themenfindung, Stückauswahl, vor Ort mit spezifischen Workshops oder begleiteten die praktische Theaterarbeit von den Proben bis zur Aufführung.

Die Wichtigkeit der Theaterpädagogik

Mit Theaterpädagogik können Lerninhalte lebendig erfahrbar und erlebbar gemacht werden. Die Vorteile auf der Ebene der sogenannten Soft Skills sind von unschätzbarem Wert. Schüler:innen lernen sich in eine Rolle empathisch hineinzufühlen. Klassen arbeiten als Theatergruppe völlig anders zusammen als im üblichen Klassenverband. Deutliches Sprechen vor Publikum, der Umgang mit Lampenfieber, das gemeinsame projektorientierte Erarbeiten eines Stückes bis hin zur gemeinsamen Vorstellung sind nur einige der längst bekannten wichtigen Fähigkeiten, die durch Theaterpädagogik anschaulich vermittelt werden können.

Streichung ist zynisch

Warum diese wichtige Einrichtung, die höchstens ein kleiner Posten im Bildungsbudget sein kann, jetzt plötzlich eingespart werden muss, damit mehr Kapazitäten für die Lehrplanentwicklung zur Verfügung stehen, ist nicht nachvollziehbar. Dementsprechend entrüstet ist auch der Protest zahlreicher Direktor:innen. Reinhard Sepp, Direktor des Gymnasiums Dornbirn Schoren, nennt die Streichung „zynisch“ und formuliert in einem Schreiben an das Bildungsministerium seinen Ärger so: „Als Direktor einer soeben mit dem MINT-Gütesiegel ausgezeichneten Schule möchte ich größten Wert darauflegen, dass MINT (MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik, Anmerk. d. Red.) für die Bildung junger Menschen keineswegs ausreichend ist. Wir legen in unserer Schule größten Wert auf eine umfassende Bildung, zu der selbstverständlich auch Musik, Kunst und Theater gehören. Gerade in diesen Bereichen wurde in der Vergangenheit allzu gerne eingespart.“

Vorarlberger Schultheatercoach bleibt

In Vorarlberg waren bisher zwei Schultheatercoaches tätig: Markus Riedmann für die Bundesschulen und Michael Schiemer (vormals Andreas Neusser) für die Landesschulen. Laut Andreas Kappaurer von der Bildungsdirektion des Landes wird Michael Schiemer als Landes-Schultheatercoach auf jeden Fall im kommenden Jahr im Einsatz bleiben. Das sei zwar nicht für alle Zeit in Stein gemeißelt, aber man bemühe sich darum, dass diese Stelle in Vorarlberg erhalten bleibe. Auch auf Bundesebene könnte es laut Kappaurer sein, dass nochmal etwas zurückgerudert werde. Nach heftigen Protesten wurde nun ein Besprechungstermin avisiert, bei dem es darum gehe, ob weniger gestrichen werde als ursprünglich verlautbart.