Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Raffaela Rudigier · 30. Aug 2021 · Aktuell

Bregenzer Rathaus bestickt mit feministischer Botschaft

„Solange Gleichstellung nicht Deine Lieblingsstellung ist, bin ich Feminist:in“ steht seit heute in übergroßen Buchstaben auf dem Rathaus in Bregenz. Da das Rathaus derzeit umgebaut und saniert wird, ist die Fassade in ein Staubschutznetz eingehüllt. Dieses Staubschutznetz dient der Innsbrucker Künstlerin Katharina Cibulka als überdimensionales Sticktuch. Sie bestickt es mittels Kabelbinder, pinkem Tüll, dem traditionellen Kreuzstich und feministischen Botschaften.

„Durch die Methode des Bestickens der Baunetze wird eine Männerdomäne buchstäblich durchdrungen und neu besetzt. Radikal und gleichzeitig subtil werden inhaltlich relevante gesellschaftliche Aussagen transportiert“ heißt es dazu auf der Website der Künstlerin. Das Bregenzer Sticktuch ist Teil ihres groß angelegten seriellen Kunstprojekts „SOLANGE“. Nach erfolgreichen Installationen in Wien, Salzburg, Klagenfurt, Wörgl, Innsbruck, Landeck sowie in Italien, Slowenien und Marokko ist Cibulkas Baustellenkunst nun erstmals auch in Vorarlberg zu sehen. Mit „SOLANGE“ beschäftigt sich die Künstlerin seit 2018 mit der Frage, wie lange man den Feminismus noch brauchen wird. Die für die Installationen ausgewählten Sätze sollen nach wie vor bestehende Missstände benennen. Katharina Cibulka erklärt: „Meine Intention ist das Sichtbarmachen von gesellschaftspolitischen Schieflagen und das Sensibilisieren. Es geht mir nie um Schuldzuweisungen, auch nicht um ein Verharren von Täter-Opfer-Denken, sondern um Anregung zur Diskussion. Eine Prise Humor kann dabei ein hilfreiches Werkzeug sein.“

Mythos der erreichten Gleichberechtigung

Das „Projekt über den Mythos der erreichten Gleichberechtigung“ macht feministische Forderungen sprichwörtlich sicht- und unübersehbar. Für Cibulka handelt es sich dabei jedoch nicht um „Frauenthemen“, sondern um gesellschaftsrelevante Probleme, deren Lösung alle interessieren sollte. Dass die erreichte Gleichberechtigung weiterhin ein Mythos ist, zeigt auch der kürzlich erschienene (und wieder einmal ernüchternde) Vorarlberger Gleichstellungsbericht 2021. Der Frauenanteil in Führungspositionen ist sehr gering (Wen wundert´s?), dafür aber in Fragen der Karenz und Pflege frappant hoch (Überraschung!).
Hinter der Vorarlberger Auflage der Installation steckt ein „Kunst am Bau“-Projekt der Stadt Bregenz, welches von der neuen städtischen Dienststelle „Frauenservice, Gleichstellung, LGBTIQ+ und Integration“ und der zuständigen Stadträtin und Vizebürgermeisterin Sandra Schoch initiiert wurde. Bürgermeister Michael Ritsch ist begeistert von der Aktion: „In einem Jahr, in dem das Thema ‚Femizide‘ sehr stark thematisiert wurde, halte ich eine solche Fassadenabdeckung für eine wichtige Botschaft.“

Zur Künstlerin: Katharina Cibulka verfolgt in ihren Arbeiten eine konsequente politische Agenda, in deren Mittelpunkt Aspekte wie Feminismus, soziale Gerechtigkeit, Gemeinschaftlichkeit und Fragen zu ästhetischen Prozessen und der Rolle der Kunst selbst stehen. Sie geht dabei oft von Geschichten und Motiven aus, in denen grundlegende gesellschaftliche Streitfragen und Anforderungen auf persönliche Weise reflektiert werden. Ihre Arbeiten nehmen in dieser Auslotung emanzipativer und sozialer Perspektiven unterschiedliche Formen an: Interventionen im öffentlichen Raum, Arbeiten mit Film, Fotografie, Texten oder Sound, mit Aktionen und Performances.