"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Annette Raschner · 03. Dez 2020 · Aktuell

„Beim Qualitätsanspruch darf es keine Kompromisse geben“

Die neue Leiterin des Bregenzer Kulturservice, Judith Reichart möchte künftig auf Kooperationen und Projekte mit internationaler Strahlkraft setzen. Die Kunsthistorikerin, die von 2005 bis 2016 Kulturstadträtin in der Landeshauptstadt war, folgt Jutta Dieing nach, von der sich die Stadt einvernehmlich getrennt hat. Reichart war zuletzt Mitherausgeberin und Chefredakteurin des Magazins „ORIGINAL“. Annette Raschner hat mit ihr am Tag nach der Stadtratssitzung, bei der der Vorschlag von Bürgermeister Michael Ritsch mehrheitlich befürwortet wurde, gesprochen.

Eine Art Rückkehr ...

Annette Raschner: Wir befinden uns an Ihrem neuen Arbeitsplatz. Wann haben Sie die Arbeit aufgenommen?
Judith Reichart: Gleich am ersten Tag nach der Stadtratssitzung. Es gibt schließlich viel zu tun! In den kommenden drei Monaten werden ich und mein Team eine Neupositionierung in die Wege leiten. Ein Kulturservice wird das bisherige Kulturamt ablösen, dafür gilt es, eine Strategie zu erarbeiten.
Raschner: Sie waren elf Jahre lang Kulturstadträtin und sind nun auf eine gewisse Art und Weise zurückgekehrt, wenngleich in einer anderen Funktion ...
Reichart: Für mich ist es eine besondere Rückkehr, die mich mit Stolz und Freude erfüllt. Ich stelle hohe Erwartungen an mich, die ich gemeinsam mit meinem Team versuchen werde, umzusetzen.

„Wir brauchen die Strahlkraft nach außen“

Raschner: Ihre Ziele sind ehrgeizig. Die Landeshauptstadt soll wieder als Kulturhauptstadt in der Region und darüber hinaus verankert werden. Was hat Ihnen denn am Bregenzer Kulturleben zuletzt gefehlt?
Reichart: Kultur ist eine der größten Stärken, die Bregenz besitzt. Dafür steht die Stadt, und das muss wieder mehr spürbar werden. Ich denke, es ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, nicht mehr allzu viel Rückschau zu halten, sondern die Zukunft fest im Auge zu haben.
Raschner: Ihre Vorgängerin Jutta Dieing hatte die Akzente ganz im Sinne von Ex-Bürgermeister Markus Linhart auf die Breite gelegt. Sie sagen klar und deutlich: Qualitätsanspruch ohne Kompromisse. Eine andere Haltung ...
Reichart: Grundsätzlich sollte Kultur für jeden Menschen frei zugänglich sein. Darüber hinaus ist es wichtig, als Landeshauptstadt auch internationale Akzente zu setzen. Wir brauchen die Strahlkraft nach außen. In Bregenz gibt es einen dichten Nährboden; diesen gilt es zu aktivieren und zu vermitteln.

Das Magazin 4

Raschner: Was planen Sie für das Magazin 4, das Sie maßgeblich mitaufgebaut haben?
Reichart: Ich bin aufgrund meiner großen Leidenschaft für Kunst, Kultur und Gesellschaft davon überzeugt, dass wir hier neue Akzente setzen müssen, die selbstverständlich auch internationalen Charakter haben werden. Ich hoffe auf spannende Kooperationen mit verschiedensten Einrichtungen.
Raschner: Kooperationen werden bei einem doch knappen operativen Budget von rund einer Million Euro wohl auch notwendig sein ...
Reichart: Zum aktuellen Zeitpunkt kann ich nicht sagen, wie sich das Kulturbudget entwickeln wird. Aber ich werde mir in den nächsten drei Monaten ein klares Bild verschaffen, um dann notwendige Schritte einzuleiten.

Kultur für die ganze Stadt

Raschner: Sie wollen eine Beteiligung der Menschen, eine Öffnung der Kultur für die ganze Stadt. Könnten Sie sich ein ähnliches Projekt wie damals "Kunst in der Stadt" vorstellen?
Reichart: Unbedingt! Ich kann mich noch gut an die erste Performance im Rahmen von "Kunst in der Stadt" erinnern und habe noch den Katalog vor meinen Augen. Die Reihe war eine der wichtigsten Initiativen, die als Kooperation mit dem neu gebauten Kunsthaus Bregenz unter der Leitung von Edelbert Köb umgesetzt wurde. Die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land war in diesen Jahren hervorragend.
Kooperationen bündeln immer Kräfte. Sie stehen für eine lebendige und gut vernetzte Kulturszene. Dazu gehört eine professionelle Kommunikation, die für Kultur begeistert. Ich möchte die Menschen zu Beteiligten machen und wünsche mir einen wertschätzenden Umgang mit Kulturschaffenden. Ich freue mich schon auf die vielen Gespräche, die ich führen werde.
Raschner: Im Zuge der Pandemie sind die Kultureinrichtungen immer wieder mit den Freizeiteinrichtungen in einen Topf geworfen worden. Fehlt wirklich die entsprechende Lobby?
Reichart: Ich spüre zurzeit massiv eine Sehnsucht nach Kunst und Kultur. Wir haben alle unsere Erfahrungen mit Corona gemacht, jedoch möchte ich Kunst und Kultur in Bregenz unbedingt wieder erlebbar machen. Und ich bin überzeugt, dass es dafür Wege und Möglichkeiten gibt!

Die Bregenzer Kunstsammlung

Raschner: Die Bregenzer Kunstsammlung wurde heuer im Palais Thurn und Taxis präsentiert. Die Art der Präsentation wurde von vielen kritisiert. Unabhängig davon: Was soll mit ihr künftig passieren?
Reichart: Das ist ein wunderschönes Thema. Die Kunstsammlung birgt viele Schätze. Großartige Kunst wurde gesammelt, und hier gilt es wie in vielen anderen Bereichen, konzentriert zu sichten, auszuloten, um diese Kunst in hoher Qualität der Bevölkerung zugänglich zu machen.
Raschner: Wie lange mussten Sie eigentlich überlegen, um Ja zu ihrer neuen beruflichen Tätigkeit zu sagen?
Reichart: Eine Sekunde.