Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Fritz Jurmann · 18. Nov 2014 · Aktuell

„Die Katze aus dem Sack gelassen“ - Intendantin Elisabeth Sobotka setzt bei den Bregenzer Festspielen 2015 neue Akzente

„Wir wollen Ihre Neugierde in Begeisterung umwandeln.“ Mit diesem Vorsatz entließ Elisabeth Sobotka, die neue Intendantin der Bregenzer Festspiele ab 2015, am Dienstagvormittag im Bregenzer Festspielhaus etwa 40 internationale Medienvertreter in ihre Redaktionen. Zuvor hatte die Führungscrew der Festspiele unter der fachkundig-lockeren Moderation von Pressesprecher Axel Renner in der um diese Zeit üblichen Programm-Pressekonferenz über viele weitere Details der knapp 80 Veranstaltungen der 70. Bregenzer Festspiele im kommenden Jahr informiert. Das Motto: „Exotisches, Unvernünftiges und Neues“.

Elisabeth Sobotka, geboren 1965 in Wien, studierte Musik und Theaterwissenschaft sowie Publizistik an der Universität Wien. Nach Stationen an den Opernhäusern in Leipzig, Berlin und an der Wiener Staatsoper war sie seit 2007 Intendantin der Oper Graz. Mit 1. Jänner 2015 übernimmt sie nun die Intendanz der Bregenzer Festspiele auf fünf Jahre und löst damit David Pountney ab, der nach elfjähriger Tätigkeit in Bregenz inzwischen an die Welsh National Opera in Cardiff gewechselt ist.

„Turandot“ und „Hoffmanns Erzählungen“ als Eckpunkte


Als sich Elisabeth Sobotka vor knapp einem Jahr in Bregenz erstmals mit ihren Programmideen der Presse vorstellte, blieb die Begeisterung der Medienleute zunächst verhalten. Um am See 2015/16 „Turandot“ und 2017/18 „Carmen“ zu spielen und dazu nächstes Jahr im Haus einen Knüller wie „Hoffmanns Erzählungen“, bedurfte es keines besonderen Mutes, war zu hören. Auch wenn Puccinis „Turandot“ nicht die Zugkraft von Mozarts „Zauberflöte“ besitzt und vom Sujet her und mit der Musik des 20. Jahrhunderts ein weit weniger gängiges Werk ist. Und natürlich wurden da auch sofort Vergleiche gezogen mit den überaus fantasievollen und aufregenden Programmen, die David Pountney allein mit seinen Opernuraufführungen im Haus und der „Kunst aus der Zeit“-Schiene in Bregenz gewagt hatte.

Inzwischen ist ein Jahr Vorbereitungsarbeit vergangen, und bei der aktuellen Pressekonferenz wurde nun „die Katze aus dem Sack gelassen“: Vieles von diesen zunächst nur angedeuteten Vorhaben wurde klarer definiert und ergab zusammen mit interessanten Neuheiten wie einem Opernstudio und einem Opernatelier das Bild einer inhaltlich deutlich neu strukturierten Ära der Bregenzer Festspiele. Denn Elisabeth Sobotka will ganz bewusst nicht in die Fußstapfen ihres Vorgängers treten, sondern als eigenständige Künstlerpersönlichkeit dem Festival Profil geben.

Erfolgreichste Saison aller Zeiten


Festspielpräsident Hans-Peter Metzler spricht einleitend vom deutlichen Rückenwind, mit dem man nach der erfolgreichsten Festspielsaison aller Zeiten im Vorjahr an neue Aufgaben herantrete. Ein starkes, gut aufgestelltes Team rund um die neue Intendantin vermittle Mut und Zuversicht, Sorgen gebe es nur in finanzieller Hinsicht. Das Problem der anhaltenden Kostensteigerungen im Personal- und Sachbereich bei seit vielen Jahren gleichbleibenden Subventionen der öffentlichen Hand könne man auf Dauer nicht ohne Qualitätseinbußen hinnehmen. Metzler sieht aber positive Signale für ein Einlenken des Bundes, der sich im Moment bezüglich einer längst notwendigen Valorisierung noch zurückhaltend gibt. Immerhin würden die Festspiele als wichtiger Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor sowie als bedeutendes Kulturunternehmen der Region rund 180 Millionen Euro an Umwegrentabilität erbringen – beeindruckende Zahlen, die nicht wegzudiskutieren sind.

Der Kaufmännische Direktor Michael Diem bestätigt, dass man im Vorjahr am See zu 100 Prozent, insgesamt zu 99 Prozent ausverkauft gewesen sei und dass im Moment der Kartenvorverkauf für „Turandot“ bei gut 40 Prozent liege und damit etwa bei den Vergleichszahlen der „Zauberflöte“. Im Moment sind 24 Vorstellungen geplant mit der Option von zwei weiteren, wenn die Nachfrage anhalten sollte. Insgesamt wurden für das Festival im nächsten Jahr 185.000 Karten aufgelegt. Die bisherigen Sponsoren konnte man fast alle für ein weiteres Engagement gewinnen.

Der Zauber des Ortes


Der Schwerpunkt dieser Pressekonferenz gehört aber der Kunst, und da schwärmt Elisabeth Sobotka zunächst von diesem besonderen Ort Bregenz, der sie „als Landratte aus Wien“ gereizt habe, diese Aufgabe zu übernehmen: „Es gibt keinen vergleichbaren Ort, so wie hier in einer Bucht, die selbst schon eine Kulisse ist, in der man ein großartiges Gegenbild zur Natur in der Kunst erschaffen kann. Gleichzeitig hat man hier auch ein ideales Opernhaus und eine Werkstattbühne für Innovationen.

Puccinis Oper „Turandot“, die sie für ihr erstes Jahr am See ausgewählt hat, ist ein Nachtstück voll fernöstlicher Exotik und mit der berühmten Arie „Nessun dorma“ - „Keiner schlafe“ oder dem „Mondchor“ für die Seebühne wie geschaffen. Gleichzeitig gibt es aber auch beeindruckende Massenszenen und mit dem Tod der Liu auch eine der ergreifendsten Szenen der Oper überhaupt. Das Werk wurde bisher einmal 1979 auf der Seebühne gezeigt und war publikumsmäßig ein Flop, der den drei Jahre später erfolgten Abgang von Ernst Bär als Festspieldirektor einleitete.

Paolo Carignani, ein leidenschaftlicher Kenner der italienischen Oper, wird in Bregenz „Turandot“ erstmals szenisch dirigieren und die Oper anschließend auch an der New Yorker Met leiten. Als besondere Herausforderung sieht der sportive Maestro die Kommunikation zwischen dem seit 2005 im Haus spielenden Orchester der Wiener Symphoniker und dem Bühnengeschehen, das nur über Monitore, Assistenten und mit Hilfe der opulenten Bregenzer Soundanlage bewältigt werden kann. Carignani hat sich bereits im Sommer über diese Besonderheiten ein Bild gemacht. Bei Puccini wird die farbenreiche Orchesterbesetzung allerdings um einiges größer sein als bei Mozart.

Warum Turandot keinen Mann will


Über eine Videoeinspielung meldet sich der derzeit in Finnland tätige Marco Arturo Marelli, Regisseur und Bühnenbildner der Seeproduktion in einer Person. Er hat „Turandot“ schon dreimal inszeniert, Bregenz scheint ihm in Bezug auf die Größe der Szene besonders interessant. In seiner Regie will er auf einer psychologischen Ebene besonders deutlich machen, warum Turandot keinen Mann an ihrer Seite will, ebenso soll auch das Leiden des Komponisten Puccini während seiner vierjährigen Arbeit an „Turandot“ thematisiert werden.

Im Festspielhaus wird in fünf Aufführungen die Oper „Hoffmanns Erzählungen“ von Jacques Offenbach gegeben, die bisher bereits drei Mal am See zu sehen war. Als besonderen Clou wertet es Elisabeth Sobotka, dass sie dafür den international gefragten deutschen Regisseur Stefan Herheim gewinnen konnte, der zuletzt mit „Parsifal“ in Bayreuth oder dem „Rosenkavalier“ in Stuttgart punktete: „Das ist ein ungemein kreativer, fantasiebegabter Künstler, der gern ins Volle greift.“ Der bekannte deutsche Bariton Michael Volle wird die drei Bösewichte singen.

Die Schiene „Kunst aus der Zeit“ gibt es nicht mehr, dagegen wird das umfangreiche Kinder- und Jugendprogramm „Cross Culture“ beibehalten. Auf der Werkstattbühne gelangt in einer Koproduktion mit der Oper Frankfurt und dem Ensemble Modern das Musiktheaterwerk „Der goldene Drache“ von Peter Eötvös zur österreichischen Erstaufführung, das nicht in China, sondern in einem Chinarestaurant spielt. Eötvös wird auch in der beibehaltenen Reihe „Musik & Poesie“ ein Gesprächskonzert gewidmet sein. Auch in den Orchesterkonzerten der Wiener Symphoniker und des Sinfonieorchesters Vorarlberg findet man Werke von Eötvös und Jacques Offenbach, aber auch etwa Puccinis „Messa di Gloria“, um damit Querverbindungen herzustellen.

Neu: Opernatelier und Opernstudio


Neu im Programm von Elisabeth Sobotka sind ein Opernatelier und ein Opernstudio. Im Opernstudio erarbeiten sechs junge Sängerinnen und Sänger die Oper „Cosi fan tutte“ von Mozart, die an vier Abenden mit dem SOV am Kornmarkt präsentiert wird. Bereits vor dem offiziellen Start der Festspiele lässt eine Meisterklasse mit Kammersängerin Brigitte Fassbaender in die Probenarbeit des Opernstudios blicken. Das Opernatelier schließlich soll einen Austausch zwischen verschiedenen Künstlern ermöglichen und über einen längeren Zeitraum hinweg die Entstehung und Ideenfindung neuer Musiktheaterwerke fördern.

 

70. Bregenzer Festspiele vom 22. Juli – 23. August 2015
Weitere Infos unter www.bregenzerfestspiele.com