Aktuell in den Filmclubs (23.5. – 29.5.2025)
Im Kinotheater Madlen in Heerbrugg steht in dieser Woche unter anderem das starke Schweizer Sozialdrama „Les Courageux“ auf dem Programm. Der Spielboden Dornbirn zeigt dagegen nochmals den irischen Spielfilm „Kneecap“, der fiktionalisiert die Geschichte des titelgebenden Hip-Hop-Trios nachzeichnet.
Les Courageaux: Vom ersten Moment an ist in Jasmin Gordons Langfilmdebüt die Anspannung und Nervosität der alleinerziehenden Jule (Ophélia Kolb) spürbar. Ansatzlos wirft die in Los Angeles geborene schweizerisch-US-amerikanische Filmemacherin die Zuschauer:innen in ihr Sozialdrama hinein und ist hautnah dran, wenn die Mutter mit ihren drei Kindern in ihrem Wagen durchs Wallis unterwegs ist. Dass sie sich nicht unbedingt an Regeln hält, wird schon klar, wenn sie trotz des Einwands ihrer etwa zwölfjährigen Tochter Kirschen von einem Baum klaut. Sie wolle nur kurz etwas einkaufen, erklärt sie, nachdem sie die Kinder in das Restaurant eines Supermarkts gebracht hat. Doch dann kommt sie nicht zurück. Als die Bedienung die Security ruft, fliehen die drei Kinder und schlagen sich allein nach Hause durch.
Was die Mutter, die erst nachts zurückkehrt, den ganzen Tag gemacht hat, bleibt offen und immer wieder arbeitet Jasmin Gordon mit solchen Auslassungen. Spannung entwickelt „Les Courageux“ auch dadurch, dass auf Erklärungen verzichtet wird und erst sukzessive und nur bruchstückhaft Einblick in die Situation der Mutter und ihrer Kinder geboten wird.
Die Ambivalenz dieser von Ophélia Kolb mit Verve gespielten Mutter gehört zu den großen Stärken dieses Spielfilms. Indem Gordon aus ihrer Perspektive erzählt, zieht sie die Zuschauer:innen auf ihre Seite, macht ihre Liebe zu ihren Kindern erfahrbar und lässt um sie zittern, auch wenn sie Gesetze in zunehmend massiverem Maß überschreitet.
Atmosphärisch dicht verankert in einem tristen von Supermarktparkplätzen, Tankstellen und Landstraßen bestimmten Wallis, entwickelt sich „Les Courageux“ so zum eindrücklichen Bild eines Lebens am Rande des Existenzminimums in der reichen Schweiz. Auf Schuldzuweisungen gegenüber den Behörden wird dabei aber verzichtet, denn auch ihnen gegenüber bleibt der Film erfreulich ambivalent.
Kinotheater Madlen, Heerbrugg: Mo 26.5., 20.15 Uhr (franz. OmU)
Kneecap: Von Anfang an gibt es hier kein Halten, sondern laut, lärmend, hektisch und wild beginnt Rich Peppiatts „Kneecap“, wenn der Ich-Erzähler mit Voiceover in den Film einführt. Das Klischeebild von Belfast evoziert er mit Archivbildern von Bombenanschlägen nur, um dieses sogleich mit der Schilderung einer Taufe im Wald zu brechen. Abrupt wurde diese Feier aber durch einen britischen Militärhubschrauber gestört.
Ständig prallen in „Kneecap“ Gegensätze aufeinander. Nie kommt dieser Film zur Ruhe. Unmittelbar in die Perspektive der jungen Erwachsenen Naoise (Móglaí Bap) und Liam (Mo Chara) versetzt Peppiat, wenn seine Protagonisten im Drogenrausch im Bus die Fahrgäste plötzlich doppelt und in knallbunten Kleidern sehen. Mit ihren Texten wollen diese jungen Hip-Hopper den Briten den Kampf ansagen, provozieren mit der Forderung nach Gleichberechtigung des Gälischen neben dem Englischen ebenso wie mit der Verherrlichung von Drogenkonsum und wildem Sex.
In jeder Szene vibriert dieser wilde Trip von einem Film nicht nur vor Leidenschaft, sondern auch und vor allem vor Engagement für die Bewahrung der irischen Kultur und speziell der irischen Sprache. Dass diese Bemühungen inzwischen Erfolg hatten, belegt die Info im Nachspann, dass Gälisch seit 2022 in Nordirland gleichberechtigt neben Englisch als Amtssprache anerkannt ist. Zum brav belehrenden Kino wird „Kneecap“ aber trotz dieses Nachspanns und seines Engagements nicht, sondern ist vor allem energiegeladenes und mitreißendes, in seinem erzählerischen Furor und seiner Atemlosigkeit, aber auch forderndes Kino.
Spielboden Dornbirn: Mi 28.5. - jeweils 19.30 Uhr (engl.-gälische OmU)
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