„Hirschfelds go to Izmir“ - die neue Produktion der freien Kompanie walktanztheater.com
Walter Gasperi · 17. Okt 2024 · Film

Aktuell in den Filmclubs (18.10. – 24.10.2024)

Der FKC Dornbirn zeigt diese Woche (und die Kinothek Lustenau sowie die LeinwandLounge in der Remise Bludenz in den kommenden Wochen) die bittersüße iranische Tragikomödie „Ein kleines Stück vom Kuchen – My Favourite Cake“. Im Alten Kino Rankweil brillieren dagegen Donald Sutherland und Helen Mirren in Paolo Virzis Drama „Das Leuchten der Erinnerung“ als altes Paar, das sich auf eine letzte Reise begibt.

My Favourite Cake – Ein kleines Stück vom Kuchen: Angeregt von ihren Freundinnen erwacht bei einer seit 30 Jahren verwitweten 70-jährigen Iranerin (Lily Farhadpour) die Sehnsucht nach einer Beziehung. Tastächlich findet sie in einem alleinstehenden Taxifahrer (Esmail Mehrabi) einen Seelenverwandten. Langsam kommen sie sich im Haus der Witwe näher, müssen aber im Land, in dem die Beziehung einer Witwe zu einem Mann als unschicklich gilt, auf der Hut vor der neugierigen Nachbarin sein.
Ganz auf das Alltägliche konzentriert sich das vom iranischen Staat mit Reiseverbot belegte Regieduo Maryam Moghaddam und Behtash Saneeha („The Ballad of a White Cow“). Sie erzählen zurückhaltend, benötigen keine spektakulären Kulissen und verzichten bis kurz vor Ende auch auf Filmmusik. In statischen Einstellungen fangen sie das monotone Leben Mahins ein, bis sie die Witwe langsam auftauen lassen. In die private Geschichte mischt sich dabei explizite Regimekritik, wenn die Witwe der Zeit vor der Revolution nachtrauert oder wenn sie in einem Park gegen die Sittenpolizei einschreitet, als diese eine junge Frau wegen ihres schlechtsitzenden Hijabs abführen will. 
Eher märchenhaft als realistisch ist zwar, wie rasch und bruchlos sich die beiden Senior:innen näherkommen. Dennoch ist es dank des warmherzigen Blicks des Regieduos und des großartigen Spiels der beiden Hauptdarsteller:innen Lily Farhadpour und Esmail Mehrabi beglückend zuzusehen, wie sie harmonieren, in der Wohnung zunehmend lockerer werden und beim Trinken von Wein – auch das eine regimekritische Spitze – aufblühen.
FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 23.10, 18 Uhr + Do 24.10., 19.30 Uhr
Kinothek extra in der Kinothek Lustenau: Mi 30.10, 20 Uhr + Mo 4.11., 18 Uhr
LeinwandLounge in der Remise Bludenz: Mi 20.11, 19 Uhr

Das Leuchten der Erinnerung: Der Italiener Paolo Virzi schickt in seinem ersten englischsprachigen Film ein altes und krankes Ehepaar mit seinem Wohnmobil auf eine letzte Reise durch den Osten der USA. Ella (Helen Mirren) will sich damit der bevorstehenden Krebsoperation entziehen, will noch eine kurze, letzte schöne Zeit mit John (Donald Sutherland) verbringen. Dieser leidet aber an Demenz und droht ihr zunehmend zu entschwinden. Momente von Vergesslichkeit, in denen er seine Kinder auf Fotos nicht mehr erkennt, wechseln mit geistiger Klarheit, in denen der ehemalige Literaturprofessor präzise Textstellen aus Werken Hemingways zitieren und über ihn referieren kann. Um seine Erinnerung zurückzuholen und damit die jahrzehntelange Nähe zu ihm zu erhalten, hat Ella einen Diaprojektor und alte Familienfotos mitgenommen, die sie ihm auf den diversen Campingplätzen abends immer wieder vorführt.
Ein Vergnügen ist es, Donald Sutherland und Helen Mirren zuzusehen, die sich locker und mit sichtlichem Vergnügen die Bälle zuspielen und mit viel Einfühlungsvermögen das alte Paar verkörpern. Auf Dauer wird aber auch spürbar, wie diese Rollen auf Wirkung beim Zuschauer angelegt sind, ihnen letztlich Natürlichkeit fehlt und gezielt auf emotionale Wirkung geschielt wird.
Sicher gelingt es Virzi zwar, auf dem schmalen Grat zwischen Komik und Rührung zu balancieren, in mancher Szene das Eine ins Andere übergehen zu lassen, und auch geschickt auf die Tränendrüsen zu drücken, doch dieses permanente Schielen auf Glätte und Bekömmlichkeit kann auch nerven und einen unangenehmen Beigeschmack zurücklassen: Zu beschönigend ist „Das Leuchten der Erinnerung“, wenn die schwere Krankheit Ellas auf einige wenige Schmerzanfälle reduziert und auch die Demenz von John insgesamt verharmlost wird.
Altes Kino Rankweil: Mo 21.10., 15 Uhr


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