Das Nederlands Dans Theater 2 beim Bregenzer Frühling (Foto: Udo MIttelberger)
Walter Gasperi · 14. Sep 2023 · Film

Aktuell in den Filmclubs (15.9. – 21.9. 2023)

Der Filmkulturclub Dornbirn zeigt diese Woche den starken Schweizer Coming-of-Age-Film „Sehnsucht nach der Welt – L‘Amour du Monde". Am Spielboden Dornbirn steht unter anderem „Die Welt wird eine andere sein" auf dem Programm, in dem Anne Zohra Berrached von der verstörenden Liebe einer Deutschtürkin zu einem libanesischen Studenten, der sich zunehmend verändert, erzählt.

Sehnsucht nach der Welt – L‘Amour du Monde: Klein gehalten ist das Langfilmdebüt der schweizerisch-portugiesischen Regisseurin Jenna Hasse, besticht aber durch genaue Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen. Im Zentrum steht die 14-jährige Margaux (Clarisse Moussa), die sich in einem Kinderheim am Genfersee über den Sommer im Rahmen eines Praktikums um eine sechsjährige Halbwaise kümmern soll. Margaux aber ödet diese Arbeit an. Lieber streift sie durch die Uferlandschaft und lernt dabei den etwa 30-jährigen Fischer Joël (Marc Oosterhoff) kennen.
Nichts Spektakuläres passiert, doch eindrücklich vermittelt Hasse gerade im Unaufgeregten und Alltäglichen ihres Films mit ihrem genauen Blick für ihre Charaktere und ihren großartigen und großartig geführten Darsteller:innen, wie sich aus zufälligen Begegnungen langsam Beziehungen und Freundschaften entwickeln.
Großartig ist nicht nur die Einbettung der Figuren in das atmosphärisch dicht eingefangene Sommer-Ambiente, sondern auch Hasses Vertrauen auf die Kraft der Bilder. Nicht nur ihre introvertierte Margaux spricht sehr wenig, sondern auch der Dialog der anderen Figuren ist sehr reduziert. Viel Raum bleibt so für Blicke und Gesten, aber auch der prägnante Musikeinsatz trägt zur Stärke dieses kleinen, großen Coming-of-Age-Films bei.
FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 20.9., 18 Uhr + Do, 21.9., 19.30 Uhr


Die Welt wird eine andere sein: Schwierig ist es über einen Film zu schreiben, über dessen Inhalt man möglichst wenig bekannt geben sollte. Das gilt zwar im Grunde für alle Filme, besonders aber dann, wenn die Spannung daraus entsteht, dass das Publikum zusammen mit der Protagonistin erst langsam Hintergründe und Zusammenhänge entdeckt.
Ein Abschiedsbrief, in dem ein Mann seiner Geliebten dankt, dass sie ihn fünf Jahre begleitet und bei seinem Weg unterstützt habe, deutet zwar schon an, dass diese Geschichte nicht glücklich enden wird, doch wird gleichzeitig vieles im Dunkeln gelassen und Spannung aufgebaut. Nach diesem Einstieg blendet Anne Zohra Berrached zurück und erzählt in fünf, mit den Inserts „Erstes Jahr“ bis „Fünftes Jahr“ überschriebenen Kapiteln die in den späten 1990er Jahren spielende Geschichte dieses Paares.
Nah dran an der deutsch-türkischen Medizinstudentin Asli (Canan Kir) ist die dynamisch geführte Handkamera von Christopher Aoun beim Sezierkurs, auf einem Rummelplatz oder bei einer Party, auf der sie den libanesischen Studenten Saeed (Roger Azar) kennenlernt. Rasch werden so die Zuschauer:innen ins Geschehen und Aslis Perspektive hineingezogen und intensiv vermittelt Berrached die frische Liebe, wenn die junge Frau und Saeed im Meer herumtollen. Im wahrsten Sinne des Wortes hebt die Kamera ab, wenn Saeed Asli auf dem Rücken trägt, und lässt sie fliegen. Die Szene korrespondiert dabei mit dem Wunsch Saeeds. Denn nur auf Wunsch seiner reichen Eltern studiert er Zahnmedizin, er selbst möchte viel lieber Pilot werden.
Zwar heiratet das Paar trotz der Einwände von Aslis Mutter bald, doch das Glück bekommt Risse, als Saeed Asli immer klarere Vorschriften macht, ihr das Rauchen verbietet und heimliche Telefonate und Gespräche führt, bis er für längere Zeit ganz verschwindet, nachdem er Asli das Versprechen abgerungen hat, niemandem davon zu erzählen. Wie Asli erfährt auch das Publikum nichts über die Gründe für die Wandlung Saeeds und seine genauen Aktionen. Ganz auf ihrem Wissensstand bleibt man und spürt durch diese Nähe und das starke Spiel Canan Kirs die intensive Liebe dieser Frau, die stärker ist als alle Bedenken und die sie immer wieder zu Saeed halten und über seine Wandlung hinwegsehen lässt.
Spielboden Dornbirn: Mi 20.9., 19.30 Uhr

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