Chris Haring/Liquid Loft beim tanz ist Festival am Spielboden Dornbirn (Foto: Stefan Hauer)
Walter Gasperi · 31. Aug 2023 · Film

Aktuell in den Filmclubs (1.9. - 7.9. 2023)

Das Skino Schaan zeigt diese Woche noch zweimal Guy Nattivs fesselnden Spielfilm über die israelische Premierministerin Golda Meir ("Golda"). Raues und energetisches Kino aus Frankreich bietet dagegen das Filmforum Bregenz mit Lola Quivorons im Milieu einer Motorrad-Gang spielendem Debüt "Rodeo".

Golda: Am 6. Oktober 1973, dem höchsten israelischen Feiertag Jom Kippur, wird Israel vom Angriff Ägyptens und Syriens überrascht und erleidet schwere Verluste. Gefordert ist in dieser Situation die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir, die selbst mit einer Krebserkrankung zu kämpfen hat: In einem rein männlichen Kabinett muss sie schwerwiegende Entscheidungen treffen.
Guy Nattiv beschränkt sich nicht nur ganz auf die 20 Tage des Jom-Kippur-Kriegs, sondern auch ganz auf die politisch-militärischen Ereignisse. Große Dichte entwickelt der nüchtern erzählte Film dadurch, ebenso wie durch die Anlage als Kammerspiel, das weitgehend in den Regierungsräumen und Meirs Wohnung spielt. An einen Kriegsschauplatz führt "Golda" nur einmal, wenn Verteidigungsminister Mosche Dayan mit dem Hubschrauber das Kampfgebiet in den Golanhöhen überfliegt. Dabei signalisieren immer wieder aufflammenden Feuerblitze der Granateinschläge die schweren israelischen Verluste. 
Eindrücklich vermittelt Nattiv, unterstützt von einer nicht wiederzuerkennenden Helen Mirren in der Titelrolle, welchen Belastungen die israelische Premierministerin ausgesetzt ist. Man spürt, wie sie den Tod jedes israelischen Soldaten zutiefst bedauert, gleichzeitig wandelt sie sich im Laufe des Films. Ist sie zunächst so wie ihr Land schwer angeschlagen durch den Überraschungsangriff und die schweren Verluste, so zeigt sie sich bald entschlossen und kompromisslos, als sich eine Chance bietet Ägypten eine Niederlage zuzufügen und Präsident Sadat eine Handlung von großer symbolischer Kraft abzuringen. Ein fesselndes Porträt, das durch den trockenen Erzählton sowie durch die Vielschichtigkeit und die Genauigkeit im Detail nie das Gefühl einer hagiographischen Verklärung aufkommen lässt, allerdings in der Beschränkung auf Meirs und Israels Perspektive auch keine Objektivität beanspruchen kann und will.
Skino Schaan: Mo 4.9. + Mi 6.9. – jeweils 18.15 Uhr


Rodeo: Die von Motorrädern faszinierte junge französische Migrantin Julia möchte in einer rauen Motorrad-Gang aufgenommen werden, die mit halsbrecherischen Stunts auf Motocross-Maschinen ihr Können und ihre Maskulinität demonstriert. Wird sie zunächst abgewiesen, so findet sie Aufnahme, als ein Mitglied der Gang stirbt, wird aber weiterhin von den Männern mit Misstrauen betrachtet. Näher kommt sie nur der Ehefrau des Chefs der Gang, für den die Biker immer wieder Motorräder klauen, die dann in dessen Garage neu gespritzt und verkauft werden.
Man riecht in Lola Quivorons Debüt förmlich das Benzin und den Gummiabrieb, spürt das Metall und den Asphalt, aber auch Julias Faszination und Liebe zu diesen Maschinen, wenn sie mit der Hand ganz sacht über den Sattel streicht, als ob sie einen Geliebten berühre. Vom leidenschaftlichen Spiel der Pariser Motorradfahrerin und Laienschauspielerin Julie Ledru angetrieben, entwickelt sich "Rodeo" so zu einem rohen, aber pulsierenden Film, der Geschlechterrollen und Geschlechterklischees thematisiert. 
Hautnah ist die Kamera von Raphaël Vandenbussche vor allem an Julia dran, nie verlässt der auf Hyperrealismus setzende Film das Milieu dieser Parallelgesellschaft und entführt zu heruntergekommenen, aber authentisch eingefangenen Settings im Industriebrachland oder an Landstraßen. Die Dominanz von Nachtszenen verstärkt die düstere Ausstrahlung, doch nicht Niedergeschlagenheit und Pessimismus, sondern vielmehr Energie, Lebenslust und eine unbändige Sehnsucht nach Freiheit strahlt dieses Debüt aus.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Do 7.9., 18 Uhr

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