„Was gibt es Neues?“
So frug einst der längst verblichene Heinz Conrads in einer Radiosendung und meinte damit keineswegs originäre Musikströmungen abseits des Mainstreams. Die sechste Auflage des Soundsnoise Festivals geht im Spielboden glücklicherweise genau dieser Frage nach und füllt damit eine Lücke im regulären Festival-Betrieb. Vorneweg: Das Festival dauert noch bis Samstag, ein Besuch ist dem geneigten Leser dringend anempfohlen!
Den Auftakt in der Kantine gab „KMET“. Florian Kmet, auch als Komponist von Theatermusik umtriebig, steht allein mit seiner Akustikgitarre (deren Bemalung ja frappant an die typische Großmustertapete der 70er-Jahre erinnert) auf der Bühne. Na ja, nicht ganz allein, denn sein wichtigster Kamerad neben einigen anderen Gerätschaften auf dem Boden vor ihm ist ein Loop Sampler, mithilfe dessen er dichte Arrangements zaubern kann. Diese sind weniger Klangflächen als vielmehr dicht verzahnte rhythmische Patterns, die mitunter kräftig Fahrt aufnehmen können. Die Basis kann ein Gitarrenriff sein oder ein klassisches Beatboxing, die darauf aufgetürmten Songs sind eher konventionell, der versierte Umgang mit Gitarre und Technik sorgt allerdings für genügend Abwechslung.
Klug aufgebauter Minimal Techno
Im Saal dann das hoch gehypte Trio „Brandt Brauer Frick“ aus Deutschland. Das vor dem Konzert eingeblendete „Bitte leise sein!“-Logo mit dem Zeigefinger vor den Lippen ist allerdings mit Sicherheit keine „leise“ Ironie, geht es doch hier eher heftig zur Sache. Das Bild ist ungewohnt: neben einem Live-Schlagzeuger wiegen sich hinter Mischpult, Sequenzer und Synthesizern zwei adrette junge Herrn in hellen Hemden im Rhythmus. Dies kann sogar unfreiwillig komisch wirken, wenn plötzlich ein Sample „Phantasiemädchen, du rockst meine Welt!“ in wenig elegantem Neusprech vor sich hin deklamiert. Von der Musik kann man derlei allerdings nicht behaupten. Klug aufgebauter, reduzierter Minimal Techno wird hier geboten. Das Trio ist dafür bekannt, mit klassischem Instrumentarium selbst aufgenomme Samples live zu bearbeiten und diese sogar im „Ensemble“ genannten zehnköpfigen Großprojekt mit Harfe, Tuba, Flügel etc. quasi wieder zu „handgemachter“ Musik zurück zu übersetzen. Davon war im Spielboden leider wenig zu bemerken, der Preis für ordentliche Lautstärken ist halt ein wenig differenzierbares Gesamtbild, bei dem der Effekt der äußerst zahlreich gedrehten Knöpfe nur noch zum Teil nachzuvollziehen war.
Maß halten im Getöse
Zum Abschluss in der Kantine dann „Radian“ aus Wien. Diese haben in ihrer von längeren Pausen durchsetzten Karriere schon einige Häutungen vollzogen, vom extremen Reduktionismus der frühen Nullerjahre sind sie meilenweit entfernt. Keyboarder Stefan Nemeth hat die Band verlassen, Drummer Martin Brandlmayer hat stattdessen seinen Kollegen Martin Siewert von „Trapist“ ins Boot geholt. John Norman am wuchtig dröhnenden Bass ist der dritte im Bunde, das Resultat ist ein Paradebeispiel für die Dekonstruktion des klassischen Rocktrios. Über Siewerts noisige Klangcollagen, mit der Gitarre oder auch einem liegenden Saiteninstrument erzeugt, aber nur noch selten deren Ursprung preisgebend, bilden sich skelettierte Muster, manchmal auch monolithisch freistehend, dann in eher von elektronischer Musik beeinflussten kargen Rhythmen sich plötzlich in nichts auflösend. Intensiv, aber nie zuviel. Maß zu halten auch im Getöse ist eine Kunst. Radian beherrschen sie.