Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Füssl · 07. Nov 2016 · Tanz

Intensiv, puristisch, konzentriert – tanz ist Festival Finale mit der Tanz Company Gervasi

Der im süditalienischen Cosenza geborene und in Wien lebende Choreograph Elio Gervasi zählt seit drei Jahrzehnten zu den wichtigsten Impulsgebern und Motoren des zeitgenössischen Tanzes in Österreich. Seine Produktionen sorgen für Diskussionen, so auch sein im Dezember 2015 uraufgeführtes Stück „What kind of animal is?, das Günter Marinelli im Rahmen seines mengenmäßig, aber nicht qualitativ reduzierten Herbstdurchgangs des tanz ist Festivals am Dornbirner Spielboden präsentiert hat.

Man zieht sich an und stößt sich ab ...

 

Auf eine Großbildleinwand im Bühnenhintergrund wird eine sich ständig wiederholende Filmsequenz aus einem asiatischen Wellenbad projiziert. Dicht an dich gedrängt, zum Teil in riesigen Schwimmreifen steckend, bewegen sich die Badenden im Rhythmus des Wellenschlages auf und ab. Eine grellbunte Menschmenge, deren Anblick in dieser Gedrängtheit den Zuschauer eher unangenehm berührt. Eine Tänzerin übernimmt den Rhythmus, das sich Heben und Senken der Körper in den Wellen und setzt sie zuerst solistisch um, ehe auch die anderen vier Akteure ins tänzerische Geschehen gezogen werden. Der Film wird weggeblendet, zur puristischen Beleuchtung bewegen sich die Japanerin Yukie Koji, die Australierin Hannah Timbrell, die Italienerin Alessandra Ruggeri, die durch besondere Wendigkeit und Geschmeidigkeit auffallende Kalifornierin Victoria McConnell und der Bregenzer Dominik Feistmantl solo und in Zweier- und Dreiergruppen. Man zieht sich an und stößt sich ab, erobert und unterwirft sich, manipuliert und wird manipuliert, verknotet, sucht Kontakt oder Einsamkeit, verkeilt und entwirrt sich.

Kompliziertheit sozialer Interaktionen

 

Man kann die Choreographie als Sinnbild für die Kompliziertheit sozialer Interaktionen sehen. Gervasi setzt dabei aber nicht auf große Effekte, auf Pompöses, sondern auf Intensität und Konzentration. Die Großbildleinwand wird nur noch zweimal kurz, aber effektiv eingesetzt, und der von Alberto Castello komponierte Soundtrack aus Sprachsplittern, Instrumentalschnipseln und Straßenlärm drängt sich nie in den Vordergrund. So ist das ganze Interesse permanent auf die Tanzenden ausgerichtet. „Elio Gervasi schaffte es, aus seinen Tänzern jene Urkraft herauszuholen, die beim Zuschauer einen Faszinationsflash auslösen kann“, erklärte Günter Marinelli einst in einem Interview in der KULTUR-Zeitschrift, was der sich perfekt in diese erstklassige Company integrierende Dominik Feistmantl bestätigt: „Was mich am meisten im Schaffensprozess mit ihm fasziniert, ist seine Intuition, das Fingerspitzengefühl – wie er es irgendwie immer wieder durch winzig klein scheinende Details schafft, die Essenz herauszukitzeln und zu unterstreichen.“

Es ist ein Abend, der eher Fragen stellt, als Antworten gibt.

 

Elio Gervasi macht es dem Publikum nicht leicht. Manchmal ist es gar nicht so einfach, die in Gruppen aufgeteilten, oftmals gleichzeitig agierenden Akteure zu verfolgen. Entscheidungen sind zu fällen, denn man ist gezwungen, sich auf die einen zu fokussieren und die anderen kurzfristig zu vernachlässigen. Es ist ein Abend, der eher Fragen stellt, als Antworten gibt. Dementsprechend entlässt er die einen total begeistert, andere ein bisschen ratlos. Aber so soll es sein beim tanz ist Festival, wo man risikobereit immer wieder Grenzen auslotet, Ansprüche stellt und Mittelmaß keinen Platz hat.