Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Peter Füssl · 12. Jun 2015 · Tanz

Atemberaubender Tanz-Thriller – James Wilton rockt mit „Last Man Standing“ das tanz ist Festival am Dornbirner Spielboden

Dass sich Günter Marinelli mit seinem „tanz ist“ stets am Puls der Zeit und mitten drinnen im spannendsten Teil der zeitgenössischen Tanzszene tummelt, das ist für die immer zahlreicher werdenden Fans des kleinen, aber ausgesprochen feinen Festivals längst kein großes Geheimnis mehr. Dennoch gibt es offenbar immer noch Steigerungsmöglichkeiten, jedenfalls vermochte die James Wilton Dance Company beim Festivalauftakt am ausverkauften Dornbirner Spielboden selbst langjährige Besucher in ungläubiges Staunen zu versetzen. Soviel Kraft, Schnelligkeit und brillante Körperbeherrschung war schlicht atemberaubend – ein getanzter Thriller!

Kampfkunst und Sport als prägende Einflüsse

 

Innerhalb kürzester Zeit war klar, weshalb der erst 28-jährige Brite sowohl als Tänzer als auch als Choreograph in der internationalen Tanzszene als ganz großes Ausnahmetalent gehandelt wird. Mit seinem rohen, ungemein kraftvollen und dynamischen Stil – der auch von seinen Mitstreitern Sarah Jane Taylor, Naomi Tadevossian, Roger Fernandez Cifuentes, Michael Kelland und Harlan Rust kongenial umgesetzt wird – setzt er neue Maßstäbe. Wer angesichts der wirbelnden, oftmals der Schwerkraft zu trotzen scheinenden Körper an Capoeira oder andere Formen der Kampfkunst denkt, liegt genau richtig. Das ist vom Ansatz her eher vom Sport als vom Tanz geprägt, ist mitunter halsbrecherisch und geht bis an die äußersten Grenzen, wie James Wilton im Gespräch mit KULTUR erklärt: „Wir lassen jedes Quäntchen unserer Energie in das einfließen, was wir tun. Und bei der Partnerarbeit geht es nicht darum, den anderen zu unterstützen oder ihm Hilfestellung zu leisten, vielmehr geht es darum, sich gegenseitig anzutreiben und alles aus sich herauszuholen. Was wir tun ist sehr gefährlich, wenn man es falsch macht. Deshalb ist es wirklich wichtig, dass die Tänzer über die richtige Technik verfügen. Meine Tänzer müssen extrem fit sein, da die Arbeit körperlich sehr anstrengend ist.“ Deshalb wird das etwa eine Stunde dauernde spannende Spektakel auch durch eine kurze Erholungspause für die Tänzer unterbrochen.

„Last Man Standing“


„Life“ und „Death“ heißen die beiden Teile der letztes Jahr uraufgeführten Choreografie „Last Man Standing“, die am Spielboden ihre Österreichpremiere hatte. Es geht also um die menschliche Existenz an sich, um Bedrohung und Überlebenswillen, und das kommt auch ganz klar und unvermittelt herüber. Nicht zuletzt auch, weil die kalifornische Alternative Metal-Band Tool mit ihrem unglaublichen Drive und der enormen Kraft ihres kompromisslosen Sounds den perfekten Soundtrack zu diesem Thema liefert. Dass sich James Wilton auch noch von Fantasy-Autor Terry Pratchett und vom griechischen Mythologie-Klassiker „Orpheus und Eurydike“ inspirieren ließ, ist nett zu wissen und macht einige Aspekte noch klarer, für den umwerfenden Gesamteindruck ist es aber eher nebensächlich. Die Leistungen der gesamten Compagnie verdienen höchste Anerkennung. Wenn überhaupt jemand hervorzuheben ist, dann Sarah Jane Taylor, bei deren längerem, sehr expressiven Solo im zweiten Teil man eine Stecknadel hätte fallen hören. Denn „Last Man Standing“ ist nicht nur ein höchst explosives Feuerwerk an beeindruckender Körperlichkeit, sondern es beinhaltet auch eindringliche Momente der Reflexion und Stille. Ein besonders reizvoller Kontrast, dem man sich weder entziehen kann noch will. Kein Wunder, dass das Publikum die sympathischen jungen Briten mit begeistertem Applaus feierte.

 

Gestern keine Zeit gehabt? Es gibt noch eine 2. Chance:
Die James Wilton Dance Company zeigt „Last Man Standing“ nochmals am Samstag, 13.6. um 20.30 Uhr am Spielboden Dornbirn
www.spielboden.at, karten@spielboden.at, Tel. 05572 21933.