Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 19. Dez 2014 ·

Nicht nur die Engel frohlockten – Der Chor „Vocal Origen“ und das „Concerto Stella Matutina“ unter der Leitung von Clau Scherrer hinterließen einen großen Eindruck

Kurz vor Weihnachten gestalteten das Barockorchester „Concerto Stella Matutina“ und der Chor „Vocal Origen“ unter der Leitung von Clau Scherrer einen Konzertabend der Sonderklasse. Mit einer klugen Programmzusammenstellung konfrontierten die Sänger und Musiker das naiv erzählte Weihnachtsoratorium „Die Freude Hirten über die Geburt Jesu“ von Gottfried August Homilius mit dem Magnificat BWV 243 von Johann Sebastian Bach. Das Niveau und die plastische Gestaltungskraft des Orchesters und des Chores sowie das ausgezeichnete Niveau der Solisten begeisterten das Publikum in der voll besetzten Kulturbühne AmBach. Jubelnden Beifall erhielt der umsichtig, exakt und elegant dirigierende Clau Scherrer.

Es war ein geschickter Schachzug der Programmverantwortlichen, zwei so gegensätzliche Kompositionen wie jene von Homilius und Bach nebeneinander zu stellen. Das naiv, mit rührseligen und eingängig schönen Melodien erzählte Weihnachtsoratorium "Die Freude der Hirten über die Geburt Jesu" erreichte die Zuhörenden unmittelbar und stimmte sie zugleich auf ‚Größeres’ ein. Ein besonderes Augenmerk lenkte die schöne und vielgestaltige Instrumentierung des Werkes auf sich. Mit zahlreichen bildlichen Motiven entfalteten die Sänger und das Orchester die Weihnachtsgeschichte, erzählt aus der Perspektive der Hirten. So war auch das naive Verständnis der Naturverbundenheit und -frömmigkeit gut nachvollziehbar. Die Wortdeutlichkeit und die flexible Tongebung des Chores „Vocal Origen“ ergänzten sich hervorragend mit dem stets präsenten Orchester. Gemeinsam mit den Solisten formten sie die musikalische Erzählung plastisch aus.

Freudvolles Erwachen


Im Hinblick auf die musikalische Anlage und Satzstruktur, die Themengestaltung, den harmonischen Aufbau und die Rhythmik hätte der Kontrast zwischen Bachs Magnificat und Homilius' Oratorium größer nicht sein können. Dieser Unterschied bewirkte bereits nach den ersten Takten von Bachs Magnificat einen überraschenden Aha-Effekt. Verantwortlich dafür war auch der Sprachwechsel vom Deutschen ins Lateinische. Gut schöpften die Interpreten die große emotionale Bandbreite zwischen den Werken aus.

Ein Chor mit vielen Solisten


Die Leichtigkeit, mit welcher der Chor die teilweise komplex angelegten Linien ausformte, verdient Bewunderung. Es ist ein Markenzeichen des Chores „Vocal Origen“, dass zahlreiche Chormitglieder auch solistisch in Aktion treten. Jeweils den unterschiedlichen Charakterrollen entsprechend, füllten die Solistinnen Sybille Diethelm, Miriam Feuersinger, Noemi Sohn, Ulla Westvik, Markus Forster, Valentin Gloor, Martin Meiringer, Nino Gmünder, Johannes Schwendinger und Matthias Helm ihre Rollen aus. Zwar wirkt das demokratische Prinzip sympathisch, dass die Solisten zu ihren Auftritten jeweils aus den Chorreihen nach vorne treten, um sich dann wieder ins Kollektiv einzugliedern, doch besonders bei Bach, der die einzelnen Teile stringent zueinander in Beziehung gesetzt hatte, wurde der musikalische Fluss durch die Auf- und Abtritte teilweise empfindlich gestört.

Vielgestaltige Interpretation


Viele Details zeichneten die Werkdeutung aus. Beispielsweise verströmte die Arie von der „Niedrigkeit einer Magd“ im Trio von Sopran, Oboe und Orgel eine besondere Wirkung. Einen Botschaftscharakter beinhalteten der Akzent und die Generalpause in „Er übet Gewalt“. Die thematischen Gegensatzpaare zwischen den Mächtigen und Erniedrigten sowie den Hungrigen und Reichen wurden gut nachvollziehbar ausgestaltet. Ein besonderes Flair ergaben die Einlagesätze mit Bezug zur Weihnachtszeit.

Höhepunkt war der Jubelgesang „Der Zweig aus Jesse ist erblüht“. Von hier aus entwickelte sich eine Apotheose zum Schluss hin, die von der straffen Linienführung im Orchester unterstrichen wurde. Nach dem fulminanten Klangerlebnis applaudierten die Zuhörenden begeistert und lange. Gut dass sich die Sängerinnen und Sänger sowie das Orchester und Clau Scherrer nicht zu einer Zugabe „überreden“ ließen.

 

Tipp:
Der ORF hat das Konzert aufgezeichnet. Sendetermin: Sonntag, 28. Dezember 2014, um 20:04 Uhr in der Sendung „Konzert am Sonntag“