Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Fritz Jurmann · 16. Dez 2016 · Musik

Die jährliche Opernproduktion des Landestheaters mit dem SOV ist diesmal barock: Glucks „Orpheus und Eurydike“ als zeitlos gültige Liebesgeschichte

Wie üblich zu einer Zeit, da die Menschen eher an das bevorstehende Weihnachtsfest als an eine Sage aus der griechischen Mythologie denken, macht das Vorarlberger Landestheater auf seine jährliche Opernproduktion zusammen mit dem Symphonieorchester Vorarlberg aufmerksam. Mit „Orpheus und Eurydike“ („Orfeo ed Euridice“) von Christoph Willibald Gluck in italienischer Originalsprache mit deutschen Übertiteln wird in dieser langjährigen Kooperation ein neues Kapitel aufgeschlagen.

Premiere ist am 1. Februar, weitere zehn Aufführungen sind derzeit im langjährigen Durchschnitt gebucht. Erstmals wird nach bekannten Repertoireopern von Mozart, Verdi und aus dem Belcanto eine Barockoper mit ihren besonderen interpretatorischen Vorgaben gespielt. In einer Pressekonferenz am Freitagvormittag im Festspielhaus Bregenz wurden erste Details zu Besetzung und Regiekonzept dieser Produktion bekannt.

Ist die Liebe stärker als der Tod?

Die Regie ist heuer wieder Chefsache. Für Intendant Alexander Kubelka gilt diese allgemein bekannte Vorlage als „eine der größten und zeitlosen Liebesgeschichten der Weltliteratur, vergleichbar mit ‚Tristan und Isolde‘ oder ‚Romeo und Julia‘“. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die Liebe tatsächlich stärker ist als der Tod. Dem Sänger Orpheus jedenfalls gelingt es dank seines Gesangs, die Grenze zwischen Leben und Tod zu überwinden und seine verstorbene Geliebte aus dem Jenseits zurückzuholen. Auf dem Weg aus der Unterwelt wendet er sich allerdings gegen das Gebot der Götter zu Eurydike um und verliert sie erneut. Doch wo der Mythos endet, schenkt Gluck in seiner bis heute populär gebliebenen Oper von 1762 Orpheus eine zweite Chance, und nach einer der schönsten Arien der Musikgeschichte, „Che farò senza Euridice“ („Ach, ich habe sie verloren“), wird ihm Eurydike ein zweites Mal zurückgegeben.

Kubelka: „Für uns ist wichtig zu erzählen, wie Orpheus die Grenze zwischen Leben und Tod überwindet. Das ist natürlich eine tollkühne Ansage, es ist aber auch bezeichnend, dass gerade ein Künstler, ein Sänger, diese Grenze überschreiten darf und ihm das trotz aller existenziellen Bedrohung auch gelingt.“ Als besonderen Regieeinfall hat Kubelka dazu eine der Darstellerin der Eurydike täuschend ähnlich nachgebaute Puppe ersonnen, die nach dem Tod der Sängerin zurückbleibt. Sie kann bei Bedarf auch an einer Schnur hochgezogen und damit wieder zum Leben erweckt werden und wird damit zum Symbol für eine Doppelexistenz im  Grenzbereich zwischen Leben und Tod. Kubelka: „Im Elysium befinden sich dann sogar Eurydike und die Puppe gemeinsam auf der Bühne, weil sie sich noch in einem Zwischenreich befindet.“  

Das SOV ist kein Barockorchester

Bei der musikalischen Umsetzung durch das Symphonieorchester Vorarlberg gibt es diesmal allerdings ein Manko. Denn eigentlich erwartet sich das Publikum bei einer Barockoper heute eine authentische Wiedergabe im Originalklang auf Originalinstrumenten, wie es das heimische Barockorchester „Concerto Stella Matutina“ kürzlich in der Götzner Kulturbühne AmBach mit Jommellis „La Critica“ überaus eindrucksvoll vorgeführt hat. Warum hat man sich am Landestheater nicht dieser Möglichkeit bedient?
Alexander Kubelka: „Ich schätze dieses Orchester sehr, und idealerweise müsste so etwas bei uns parallel laufen. Dass man also nicht die eine langfristige Beziehung zum SOV deswegen beenden muss, sondern als zweites Musiktheaterwerk in einer Saison mit Stella Matutina eine Barockoper ansiedeln könnte. Das wäre natürlich eine starke Bereicherung für unser Programm, ist aber derzeit leider nicht zu verwirklichen.“

Mit Michael Hofstetter wurde als Dirigent immerhin ein Barockspezialist verpflichtet, der zusammen mit den flexiblen Musikern des Symphonieorchesters bei „Orpheus und Eurydike“ auch auf modernen Instrumenten die so genannte „historisch informierte Spielweise“ pflegen und damit ein größtmögliches Maß an Authentizität hervorbringen wird. Auch ist die Besetzung der drei Hauptpartien mit jungen, internationalen Sängern, die damit alle am Landestheater debütieren, mit Bedacht auf die Originalvorgaben erfolgt.

Internationale, barockkundige Besetzung

Der bereits international erfolgreiche kanadisch-koreanische David DQ Lee als Orpheus ist ein Countertenor und entspricht damit der Altlage, die Gluck in seiner Partitur für diese Rolle vorgeschrieben hat. Die deutsche Sopranistin Daniela Gerstenmeyer als Eurydike wurde unter anderem am Salzburger Mozarteum ausgebildet und wirkt nach dem Gewinn mehrerer Gesangswettbewerbe als Ensemblemitglied des Theaters Erfurt. Gemeinsam gaben die beiden bei der Pressekonferenz eine Kostprobe ihrer stimmlichen und darstellerischen Qualitäten. Die britische Sopranistin Keri Fuge als Amor hat bereits reichlich Erfahrung mit Barockopern. Diese Figur wird bei Kubelka übrigens nicht nur die Liebe, sondern auch die Kreativität verkörpern. Den Chor der Furien bilden Sängerinnen und Sängern des Bregenzer Festspielchores unter der Leitung von Benjamin Lack.       

Die Bühne von Florian Etti wird von mehreren sieben Meter hohen durchsichtigen Plastikrohren dominiert, die mehrdimensional beweglich sind, in entsprechendem Licht als Eis oder Wolken erstrahlen und auch zum „Schneewittchen-Sarg“ für die tote Eurydike werden. Die Kostüme von Andrea Hölzl sind durchaus heutig: Orpheus könnte als Rock- und Popsänger durchgehen, die Damen sind in bunten Designs aktuell gewandet. Und bei den Furien geht es um „Verstrickungen“ besonderer Art. Sie, die Orpheus den Zugang zur Unterwelt versagen, sind die Verkörperung seiner eigenen Ängste, und sein Pullover setzt sich analog bei den Chorleuten fort. 20 Strickerinnen aus dem Land waren mit der Herstellung dieses Materials beschäftigt. 

 

„Orpheus und Eurydike“, Oper von Christoph Willibald Gluck
Einführungs-Matinee: So, 22. Jänner 2017, 11.00 Uhr, ORF-Landesfunkhaus Dornbirn
Premiere: Mi, 1. Februar 2017, 19.30 Uhr, Landestheater Großes Haus
Weitere Vorstellungen: 3., 14., 16., 18., 20., 22., 24. und 26. Februar, jeweils 19.30 Uhr, 5. und 12. Februar, jeweils 16.00 Uhr

Karten: 0 55 74 / 42 870, Mail: ticket@landestheater.org, www.landestheater.org