Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 28. Sep 2017 · Film

Wir töten Stella

Marlen Haushofers Novelle "Wir töten Stella" ist noch vor "Die Wand" entstanden. Schon in diesem kühlen Ehedrama beschleicht die Protagonistin ein unheimliches Gefühl der Isolation. Freilich erst nach dem Tod von Stella, an dem sie sich schuldig fühlt.

Noch bevor Marlen Haushofer „Die Wand“ schrieb, hatte sie 1958 die kurze Novelle „Wir töten Stella“ verfasst. Sie beschreibt das Leben in der Provinz aus Sicht einer Frau, deren Beziehung zu ihrem Ehemann erkaltet ist. Bereits hier findet sich das Motiv einer Isolation, wiewohl sich dieses Gefühl eher durch eine rätselhafte Passivität ausdrückt. Einen verletzten Vogel im Garten vermag sie nicht zu retten, zwischen Anteilnahme und Distanzierung beobachtet sie ihn durch das Fenster.  

Aus der Kälte


Regisseur Julian Pölsler und Hauptdarstellerin Martina Gedeck (Anna) versuchen sich nach "Die Wand" mit „Wir töten Stella“ erneut an der Adaption eines Textes von Haushofer für die Leinwand. Pölsler weiß, was er an Gedeck hat. Immer wieder sucht er ihr Gesicht in extremen Großaufnahmen, eine Landschaft, in der sich weit blicken lässt. Der Text erweist sich mit dem Duktus eines inneren Monologs als nicht leicht zu verfilmen. Sämtliche Dramatik entwickelt sich auf paradoxe Weise in abwesenden Szenen oder im Inneren von Anna, der Erzählerin. Bei der Verfilmung führt das zu Herausforderungen, die erst gemeistert werden müssen. Immer wieder sucht der Film die Kälte dieser Familie mit zwei Kindern, um die Grundstimmung von Haushofers Novelle sicht- und spürbar zu machen. Zu sehen ist ein Ehepaar, das über leere Rituale längst nicht mehr hinauskommt. Anna stellt ihrem Mann (Matthias Brandt), einem selbstgefälligen Anwalt, das Essen und dann den Rotwein hin, sobald er von der Arbeit nach Hause kommt. Er hebt kaum je den Blick über seine Zeitung. Pölsler buchstabiert diese Szenen einer Ehe durch. Dann im Bett tritt die Verweigerung Annas ganz zutage, hier weist sie die Besitzansprüche ihres Mannes zurück, der, für sie kein Geheimnis, eine Affäre hat. Als Stella zur Familie stößt, gerät diese bizarre Pattstellung in Gefahr. Stella (Mala Emde) ist die Tochter einer Freundin Annas, die in die Stadt kommt, um hier zu studieren. Bei der Familie Annas findet sie lange keinen Anschluss. Der Mann nimmt sie kaum wahr, behauptet, sie sei unscheinbar, hässlich, was Anna dazu anstachelt, die misogyne Haltung ihres Mannes herauszufordern. Sie kauft Stella neue Kleider und am Ende hat sie selbst eine Affäre losgetreten, der sie keinen Einhalt zu gebieten vermag. Wie in einer Kreisbewegung ist man wieder angelangt bei der einer Frau, die sich duckt vor den Machtverhältnissen dieser Miniaturgesellschaft kapituliert. Der Tod Annas, den Pölsler schockhaft an den Beginn seines Films stellt, löst das moralische Dilemma aus, das die gesamte Erzählung befeuert, ja, überhaupt erst hervorbringt. Pölsler hat vorerst Mühe, eine passende visuelle Form und einen Rhythmus für die spezifische Tonalität der Erzählung zu finden. Immer wieder sucht er mit harten Bildkontrasten die kontinuierliche Bewegung ins Innere seiner enigmatischen Hauptfigur voranzutreiben. Martina Gedeck ist ihm dabei eine immense Hilfe.