Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Gunnar Landsgesell · 20. Aug 2015 · Film

Southpaw

Starkes, wenngleich von Konventionen nicht freies Boxer-Drama, in dem Jake Gyllenhaal seine Waisenhaus-Erfahrungen in den Ring zerrt und selbstausbeuterisch zum Sieger wird - bis er im Leben auf der Schnauze landet und einen Neustart braucht.

In einem seiner Tracks verbreitet der Superstar des Gangster-Rap, 50 Cent, wie sein Körper von Kugeln durchbohrt wird, aber er dennoch überlebt. Während der andere liegen bleibt. Abgesehen von Selbst-Heroisierungen wie diesen ist die Erzählung vom schmalen Grat zwischen Triumph und Niederlage eine, die für das Rap- und noch länger für das Boxer-Genre gilt. Insofern hätte Curtis „50 Cent“ Jackson in „Southpaw“ auch die Rolle des Protagonisten verkörpern können, denn 50’s Leibthema „Get Rich or Die Tryin’“ erscheint in diesem Film als Handlungsmaxime schlechthin. (Jackson hatte aber genau unter diesem Filmtitel schon seinen triumphalistischen Auftritt.) Mit Jake Gyllenhaal wurde aber ein ganz anderer Schauspieltypus gewählt: der eines sozialen Underdogs, dem das Verlieren quasi in den Körper und bis in die Mimik eingeschrieben scheint. Zuletzt in „Nightcrawler“ bewies Gyllenhaal seine einschlägigen Qualitäten in diese Richtung. Weniger für den Sieg als für das Wiederauferstehen aus der Gosse interessiert sich auch das Drehbuch von „Southpaw“, und zwar auf geradezu konzeptionelle Weise: Billy Hope (Gyllenhaal) ist ein Mann, der es zum unbesiegten Weltmeister aller Boxverbände und damit zu einem beachtlichen Wohlstand gebracht hat. In einer der lebendigsten und glaubwürdigsten Szenen zu Beginn dieses Films, in der die kleine Tochter von Billy nach dem glorreichen Kampf die Wunden des Vaters abzählt, problematisiert Ehefrau Maureen (Rachel McAdams) just die Gossenbiographie ihres Mannes. Seine Siege im Ring würden doch nur unter einem unerhörten Körpereinsatz errungen, der auf reiner Selbstausbeutung beruhe. Billy solle sich aus dem Geschäft zurückziehen, solange es noch geht. Mit Billy, dem weißen Boxer, haben wir es aber mit einem ehemaligen Waisenhauskind zu tun (wäre er schwarz, käme er wohl aus dem Ghetto), der das nicht versteht. Immer wieder verweist Gyllenhaal auf seine Erfahrungen im „system“, dem Waisenhaus, aus dem er kommt. Ohne es reflektieren zu können schleppt er die Selbstverachtung von damals bis heute im Ring als Boxmethode mit. Regisseur Antoine Fuqua („Training Day“) visualisiert das in brachialen Bildern: offene Deckung, Schläge, Blut, bis der getretene Hund zurückbeißt. Das ist der Blick, aus dem letztlich auch „Southpaw“ selbst erzählt wird: ein Mann, der im Ring siegreich, im Leben aber an seinem eigenen Ruin arbeitet, ohne es zu merken. Fuqua forciert diesen Niedergang auf recht unsentimentale Weise, wenn Billy Hope alles, seine Familie, sein Haus, sein Team und seinen Dollarverliebten Manager (50 Cent) verliert, um zum programmatischen Kern der Geschichte zu finden: dem Neuanfang vom Nullpunkt. Hier findet auch der wuchtige, intensive und dennoch vielfach von Konventionen geprägte Regie-Stil von Fuqua zu einem zweiten Start: mit Forrest Whitaker als Trainer und Manager eines heruntergekommenen Boxstalls erhält die Geschichte des Underdogs neuen Elan. Gyllenhaal füllt diese Rolle mit einer Mischung aus verstörender körperlicher Anstrengung und defätistischer Geisteshaltung auf beeindruckende Weise aus. Die Geschichte vom weißen Boxer, der sich in seinem schwarzen Umfeld wieder aufrappelt und versucht, nun selbst zu wachsen, ist, von „Rocky“ bis „Raging Bull“, den Kernthemen des Boxerfilms geschuldet – und dennoch eine intensive, starke Variation.