Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Fritz Jurmann · 21. Aug 2015 · Musik

Jubelstimmung bei den Festspielen – Elisabeth Sobotka punktete in ihrer ersten Saison künstlerisch und kommerziell mit „Einheit in der Vielfalt“

„Endspurt“ nannten die Bregenzer Festspiele ihre traditionelle Abschluss-Pressekonferenz am Freitagvormittag im hinteren Teil der riesigen Seetribüne. Damit wurde darauf verwiesen, dass die präsentierten Zahlen drei Tage vor Ende des Festivals nur ein vorläufiges Ergebnis bilden, das sich in den drei noch ausstehenden „Turandot“-Aufführungen am See aus Witterungsgründen noch verändern könnte. Ohne diese Einschränkung weisen die Bregenzer Festspiele mit über 227.000 Besuchern und einer Gesamtauslastung von 98 Prozent ein beachtliches Einspielergebnis auf, das mit einer hohen künstlerischen Akzeptanz der Produktionen einhergeht – ein Einstand, wie ihn sich die neue Intendantin Elisabeth Sobotka für ihr erstes Jahr am Bodensee wohl kaum erträumt hat.

„Ein Start-Ziel-Sieg“


„Sehr, sehr glücklich“ zeigt sich auch Festspiel-Präsident Hans-Peter Metzler auf die Frage von Moderator Axel Renner, Pressesprecher der Festspiele, nach seiner Befindlichkeit am Ende der Saison und spricht spontan von einem „Start-Ziel-Sieg“. Das Programm habe nicht nur künstlerisch eingeschlagen, es habe ebenso auch wirtschaftlich funktioniert und einen bis zuletzt extrem interessanten Spannungsbogen ergeben.

„Noch nie im meinem Leben habe ich inklusive der Probenzeit zehn so spannende, motivierende und beglückende Wochen erlebt wie hier“, gesteht die langjährig im Theaterbereich tätige Elisabeth Sobotka. Die erste Saison mit ihren neuen Akzenten habe ihre hohen Vorstellungen weit übertroffen, weil sie nicht erwartet hatte, dass das Zusammenspiel der vielfältigen Produktionen eine solche Einheit in der Vielfalt ergeben würde.

„Turandot“ hat eingeschlagen


„Das beste Ergebnis einer Puccini-Oper“ habe man heuer mit „Turandot“ am See mit 171.230 Besuchern in einer Auslastung von 98 Prozent eingefahren, berichtet der kaufmännische Direktor Michael Diem. Man wolle die Zugkraft dieser Produktion für das kommende zweite Jahr noch beschleunigen, wo im Moment noch vorsichtige 22 Vorstellungen (gegenüber heuer 26) geplant sind, und setzt auch auf entsprechende Mundpropaganda. Die Rekordzahl von einer Million TV-Zuseher, vor allem auch im wichtigen Einzugsgebiet Süddeutschland, hat übrigens die länderübergreifende Fernsehübertragung der zweiten „Turandot“-Aufführung in den Sendern SWR, SRF und ORF erreicht, bei der man zwischen einer mit Backstage-Elementen angereicherten und einer „Normalfassung“ der Oper wählen konnte. Die Übertragung war allerdings durch die regenbedingte Absage nach ca. 50 Minuten beeinträchtigt, als Ersatzprogramm wurde eine Aufzeichnung der Premiere gesendet.

Apropos: Neu war für Elisabeth Sobotka in Bregenz der Umgang mit der spannenden Wettersituation, die heuer oftmals ein rasches Eingreifen erforderte: „Wenn es um eine Absage wegen Regens geht, wollen die Sänger lieber draußen bleiben als ins Festspielhaus zu übersiedeln. Die Stimmung am See sei eine völlig andere, auch wenn die Witterung für sie eine Herausforderung bedeutet.“ Während im vorigen Sommer 2014, der eigentlich als verregnet galt, keine einzige „Zauberflöte“ am See wegen Regens abgesagt wurde, musste man im heurigen so genannten „Traumsommer“ bis jetzt bereits dreimal mit „Turandot“ ins Haus übersiedeln.

„Hoffmann“: Geniestreich und Meilenstein


Traumwerte, wie ihn sich jedes Festival nur wünschen kann, verzeichnen auch die meisten übrigen Produktionen dieses Sommers. Die Hausoper „Hoffmanns Erzählungen“ in der als sensationell eingestuften Regie von Stefan Herheim (Kritikerstimme: „Geniestreich und Meilenstein in der Rezeptionsgeschichte dieses schwierigen Stücks“) erreichte mit 7.500 Besuchern 98 Prozent Auslastung, das Opernstudio am Kornmarkt in junger Besetzung mit Mozarts „Cosi fan tutte“ 1.945 Besucher und 99 Prozent Auslastung. Die drei Orchesterkonzerte der Wiener Symphoniker und jenes des Symphonieorchesters Vorarlberg wurden von 5.513 Besuchern frequentiert (89 Prozent), die aktuelle Oper „Der goldene Drache“ von Peter Eötvös auf der Werkstattbühne von 587 Personen (100 Prozent).

Die restlichen drei Seeaufführungen, je eine der Opern „Cosi fan tutte“ und „Der goldene Drache“, die in den nächsten Tagen noch ausstehen, sind durchwegs ausverkauft. Restkarten gibt es noch für das letzte Orchesterkonzert der Wiener Symphoniker unter ihrem Chefdirigenten Philippe Jordan am Sonntag um 11.00 Uhr im Festspielhaus.

Flüchtlinge erleben Generalprobe


Zur Generalprobe dieser Aufführung am Samstag wurden über Initiative des Bludenzer Arztes und Politikers Dr. Mathias Scheyer sowie des ehemaligen ORF-Moderators Günter Polanec mehr als 600 Flüchtlinge und deren ehrenamtliche Helfer eingeladen, die sich derzeit im Land befinden, inklusive eines anschließenden Imbisses auf dem Platz der Wiener Symphoniker zum gegenseitigen Kennenlernen. Elisabeth Sobotka dazu, sichtlich bewegt: „Kunst kann bekanntlich Leben verändern. Wir wollen Menschen, die verzweifelt sind, zeigen, was wir machen und ihnen damit etwas Lebensfreude und ein Stück Menschenwürde geben können. Gerade Schuberts Große C-Dur-Symphonie ist Musik, die alle verstehen werden, auch wenn sie aus unterschiedlichsten Kulturen kommen.“

Ein Blick in die nächste Saison, für die es ab Montag bereits Karten gibt, verheißt neben der Wiederaufnahme von „Turandot“ am See die Premiere der unbekannten Oper „Hamlet“ von Franco Faccio im Haus, mit der 1865 der Geist von Shakespeares Drama im Stil der italienischen Opern erneuert werden sollte. Auf die Frage nach der zukünftigen generellen Richtung der Hausopern meint Elisabeth Sobotka: „Mein Herz ist groß, ich möchte mir das offenhalten. Dort hat in Zukunft alles Platz, was zwischen ‚Hoffmann‘ und ‚Hamlet‘ angesiedelt ist.“ Außerdem soll es nächstes Jahr wieder vermehrt Produktionen auf der Werkstattbühne geben.

 

Orchesterkonzert der Wiener Symphoniker, Leitung Philippe Jordan, Solist: Nikolaj Znaider, Violine
So, 23. August, 11.00 Uhr, Festspielhaus
Programm: Anton Webern – Variationen für Orchester; Johannes Brahms – Violinkonzert D-Dur: Franz Schubert – Symphonie Nr. 8 C-Dur
(Restkarten erhältlich)
Karten unter www.bregenzerfestspiele.com

TV-Wiedergabe der Hausoper „Hoffmanns Erzählungen“
So, 23. August, 20.15 Uhr, ORF III