Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Gunnar Landsgesell · 17. Nov 2016 · Film

Paterson

Jim Jarmusch zelebriert in seinem jüngsten Film "Paterson" die Ereignislosigkeit. Bereits diese Zeile würde einen abschrecken, so einen Film zu sehen. Doch Jarmusch trickst nicht, "Paterson" folgt einem Busfahrer (Adam Driver), der Gedichte schreibt. Zum Beispiel über Zündholzschachteln. Ganz ohne Ironie sucht "Paterson" seine Schönheit in den "kleinen Dingen". Ob er sie findet liegt allein im Auge des Betrachters.

Jim Jarmusch hat eine weite Reise hinter sich, vom unterkühlten Nihilismus in „Stranger than Paradise“ und den Achtziger-Underground-Epigonen Tom Waits und John Lurie in „Down by Law“. In „Paterson“ ist der gleichnamige Busfahrer der Protagonist. Dessen Leben zeichnet sich durch absolute Ereignislosigkeit aus. Zwischen Aufstehen und Schlafengehen dreht er seine Runden und schreibt Gedichte, ein Liebesgedicht über eine Zündholzschachtel zum Beispiel. Patersons Ehefrau (Golshifteh Farahani) betätigt sich kreativ im Haus, bemalt Wände und Vorhänge mit immer neuen Farben und Mustern. Die Englische Bulldogge, die Paterson nicht ausstehen kann, und umgekehrt, führt der Mann – von Adam Driver mit unendlichem Gleichmut gespielt – dennoch jeden Abend aus. Seiner Frau zuliebe, und zur Strafe für den Hund. Schon um die Ecke wird der Vierbeiner angeleint vor der Bar, in der sich Paterson genau ein Bier genehmigt. Mit den gleichen Typen, so wie jeden Abend. Man könnte noch weitere Routinen berichten, doch schon ist klar, „Paterson“ ist das Werk einer bemerkenswerten Selbstbescheidung. Die Routinen dieses Busfahrers führen nirgendwohin; dieser Mann ist bereits ganz bei sich angekommen. Und das gleiche hat Jarmusch wohl auch im Sinn, für sein Publikum.

Schönheit der kleinen Dinge?

Ist Jarmusch nun unter die Langeweiler gegangen? Man denkt sich, hier muss doch noch etwas dahinter stecken, eine Pointe, ein subversiver Kniff. Das kann doch nun nicht alles sein. Ist es aber. Die Ereignislosigkeit ist in „Paterson“ Programm, und der mittlerweile 63-jährige Filmemacher hat in dem Lyriker William Carlos Williams einen kongenialen Schirmherrn für sein Projekt gefunden. Der Schriftsteller, der in der Stadt Paterson lebte, in der auch dieser Film spielt, der wiederum so heißt wie der Busfahrer, hatte seine gesamte Arbeit der „Schönheit der kleinen Dinge“ im Leben gewidmet. Einige seiner Gedichte sind als solche, im herkömmlichen Sinn, kaum erkennbar. Eine Notiz, die Williams seiner Frau an den Kühlschrank geklebt hatte (er hatte die Zwetschken daraus gegessen und sie hatten ihm vorzüglich gemundet) gilt als eines seiner bekanntesten Poeme. Wenn der Busfahrer Paterson dichtet, „Ich fahre durch eine Billion von Molekülen, die ausweichen, um für mich Platz zu machen. Aber Billionen von anderen Molekülen bleiben, wo sie sind.“, dann wandelt Jarmusch gemeinsam mit seinem Protagonisten auf Williams staubtrockenen Spuren. Glaubt man dem Film, dann geschieht das gänzlich ohne Ironie, eine größere Bedeutung ist nicht intendiert. Ein kleiner Mehrwert an freiwilliger oder unfreiwilliger Komik lässt sich dennoch nicht vermeiden. Bei aller Liebe zum Design der Ohio Blue Tip Zündholzschachtel.