Zwischen überdrehter Inszenierung und verpasster Tiefe
„#dieteilzeitlosen“ im Theater Kosmos
Am letzten Freitag feierte das Stück „#dieteilzeitlosen“ von Renate Aichinger seine Premiere bzw. Uraufführung im Theater Kosmos und sorgte für eine beträchtliche Anzahl von Fragezeichen. Warum gerade dieser Text? Warum diese Inszenierung? Warum diese Produktion?
Ursprünglich als vierte Jahresproduktion geplant, musste die Uraufführung von „Die Erwachsenen“ von Irene Diwiak, dem zweitplatzierten Stück des ersten Inge-und-Ingo-Springenschmid-Preises, den das Theater Kosmos 2022 erstmals auslobte, aus nicht näher erklärten Gründen ersetzt werden. Die Wahl, stattdessen auf „#dieteilzeitlosen“ als Schulproduktion zu setzen, erscheint nicht gerade glücklich, hinterlässt das Stück am Ende den Eindruck einer doch eher oberflächlichen Abhandlung der Rolle der Mutter, der Teilzeitbeschäftigten, der Frau und einer Textfläche, die eher altbacken daherkommt, mit abgehackten, unvollendeten Sätzen. Aposiopese als Stilmittel weiß nur dann wirklich zu überzeugen, wenn es sowohl von Autor:in als auch Sprecher:in punktgenau und differenziert eingesetzt wird. Durchgängig eingesetzt nervt es mehr, als es Inhalte verstärkt oder das erwirkt, was es könnte, nämlich eine leidenschaftliche Ausdruckssteigerung.
Vieles gäbe es zu erzählen
Wen meint der Titel mit „Teilzeitlose“ – sind es diejenigen, die einen Teilzeitjob brauchen, aber keinen bekommen, sind es diejenigen, die schon mit 25 im Herbst des Lebens angekommen sind? Vieles gäbe es zu erzählen, wenig davon ist im Text zu finden. Weder Text noch Inszenierung erzählen wirklich von den Frauen, die in Not geraten sind, die sich in einer ausweglosen Situation befinden, die sich und ihr/e Kind/er mit unterbezahlten Teilzeitjobs jenseits ihrer Qualifikation durchschlagen müssen. Wiederholt und beharrlich dargestellt werden die Frauen, die immer hinterherlaufen und außer Atem sind, bevor sie ankommen, die im Netz suchen, was sie im realen Leben vermissen.
Junge Talente voller Energie
Inszeniert wurde die Textfläche „#dieteilzeitlosen“ von Florian von Hoermann, Dozent an der Athanor Fachakademie für Darstellende Kunst in Passau, mit sechs seiner Schauspielschülerinnen des dritten Lehrgangs. Tekla Farkas, Malaika Lermer, Lara Pauli, Julia Reisser, Olga Tomkowiak und Nele Wirth - junge für das Theater brennende und sich mit voller Energie hineinwerfende Talente wurden hier mächtig aufs Glatteis geführt. Naja, sie trugen keine Schlittschuhe, dafür aber Rollschuhe. Sie durften rumfahren, tanzen, schreien, kreischen, mit verzerrt grinsender Mimik und verzerrt weiblicher Gestik posen, vor einer Herde schöner Pferde dahinschmelzen und immer wieder und wieder tanzen. Choreografiert oder nicht, kommen die vielen Tanzeinlagen ziemlich beliebig daher, vergeblich sucht man den tieferen Sinn dahinter, außer vielleicht den Abend zu füllen, denn der Text allein reicht vermutlich maximal für 45 Minuten. Die von Kostüm- und Bühnenbildnerin Nicole Wehinger gestaltete Ausstattung passt in ihrer fröhlichen Buntheit zur Inszenierung, verstärkt die Dynamik der jungen Schauspielerinnen.
Großartiges Kosmodrom
Komplementär zu den vier jährlichen Hauptproduktionen, zu denen auch „#dieteilzeitlosen“ gezählt werden muss, hat das Theater Kosmos mit dem Kosmodrom schon vor Jahren eine bemerkenswerte und wunderbare Initiative ins Leben gerufen, die jungen Akteur:innen der darstellenden Kunst eine adäquate Plattform bietet. Hier erhalten junge Autor:innen, Regisseur:innen und Schauspieler:innen die Gelegenheit, sich auszuprobieren und sich und ihre Arbeit zu präsentieren. Dies ist im regionalen Kontext ziemlich einzigartig. „#dieteilzeitlosen“ unter dem Kosmodrom-Dach, gerne auch auf der großen Bühne, hätte wohl andere Erwartungen geweckt, eine andere Sichtweise und Anmutung generiert.
Weitere Vorstellungen:
18./24./25.11., 20 Uhr und 26.11., 17 Uhr
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