Wolfgang Muthspiel solo: Etudes/Quietudes
In leichter Abwandlung zum millionenfach auf Polster gestickten Sinnspruch „Übung macht den Meister“, haben wir es hier vielmehr mit Übungen für den Meister zu tun, konkret für den österreichischen Gitarristen Wolfgang Muthspiel, der im Alter von 13 Jahren von der Geige zur Gitarre wechselte. Er hat in den 1980-ern an der Musikhochschule Graz klassische Gitarre studiert, perfektionierte dann seine Jazz-Ader am New England Conservatory und am Berklee College of Music, wurde bald einmal in der Gary Burton Band Nachfolger von Pat Metheny, spielte mit der US-Jazz-Elite, begeisterte in Projekten mit seinem Bruder Christian, mit Rebekka Bakken oder in Trios mit Marc Johnson bzw. Larry Grenadier oder Scott Colley am Bass und Brian Blade an den Drums – oder im Gitarren-Triumvirat mit Slava Grigoryan und Ralph Towner. Möglicherweise liefern die vom ihm komponierten, auf einer von Jim Redgate gefertigten Gitarre gespielten und nun als CD veröffentlichten Solo-Etüden einen Anhaltspunkt, wie man es als eklatantes Talent bei unermüdlichem Üben auf Muthspiel-Niveau bringen kann.
„Ich habe meine eigenen Etüden geschrieben, um bestimmte technische Aspekte zu üben. Dann verliebte ich mich in den Kompositionsprozess, den sie inspirierten. Etüden feiern das Handwerk. Handwerk ist für mich ein zentraler Punkt – alle Musiker, die ich bewundere, haben ein Leben lang an ihrem persönlichen Klang gearbeitet.“ Die elf Stücke sind einzelnen Schwerpunkten wie „Tremolo“, „Chords“, „Triplets“, „Vamp“, „Sixths“ oder „Arpeggio“ gewidmete, über bloßen Übungscharakter weit hinausgehende Konzertstücke, die Wolfgang Muthspiels brillante Technik, Eleganz und Geschmacksicherheit ins Scheinwerferlicht rücken. Die Partitur mit den elf Etüden ist als Download oder in Buchform erhältlich, und auch eine einschlägige, einstündige Masterclass steht zum Download bereit. (www.wolfgangmuthspiel.com). Auf dem Album schließen an die je nach Thematik perlenden, funkensprühenden oder lyrischen „Etudes“ vier weitere, als „Quietudes“ bezeichnete, ruhige Stücke an, die auf Muthspiels stilistische Vielfalt verweisen. Zwei davon sind Improvisationen zur ebenfalls zu Gehör gebrachten Sarabande aus J. S. Bachs Lautensuite in g-Moll. In Americana-Gefilde verweist hingegen „Abacus“ aus der Feder des genialen Drummers und Komponisten Paul Motian (zu finden auf dessen 1987-er Album „Misterioso“, allerdings mit Bill Frisell an der Gitarre), mit dem Muthspiel in den 1990-er Jahren vielfach zusammengearbeitet hat. Von Motian gibt es natürlich auch einen direkten Bezug zum genialen Bill Evans, in dessen verschiedenen Trio-Formationen er jahrelang die Trommel gerührt hatte. Wolfgang Muthspiel widmet dem wegweisenden Pianisten eine gleichermaßen fingerfertige wie emotionsgeladene Hommage – ein wundervoller Abschluss für dieses außergewöhnliche Album.
(Clap Your Hands)
Konzert-Tipp: Wolfgang Muthspiel stellt am 5.1.25 sein neues Solo-Programm beim Saumarkt Neujahrsjazzfestival in Feldkirch vor. Ebenfalls solo spielt am selben Abend auch der Schweizer Perkussionist Georgios Mikirozis, während am Tag davor das beliebte Duo von Filippa Gojo und David Helbock das Kurzfestival eröffnen wird.
Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der KULTUR Dezember 2024/Jänner 2025 erschienen.