Am Spielboden Dornbirn wurde Ulrich Gabriels „Hop on Rauhnacht“ gefeiert. (© Silvia Thurner)
Michael Löbl · 02. Dez 2024 · Musik

Überraschend, außergewöhnlich, zukunftsweisend

Aus der fruchtbaren Kooperation zwischen dem Festival Montforter Zwischentöne und der Stella Vorarlberg, Privathochschule für Musik entstand im Festsaal des Instituts ein ganz besonderes Konzertformat

Einen Monat lang haben die Montforter Zwischentöne ihr 10-jähriges Jubiläum gefeiert und die Stadt Feldkirch in verschiedensten Variationen in Szene gesetzt. Am Mittwoch verabschiedet sich dieses absolut spezielle Festival und hinterlässt nicht nur zahlreiche Erinnerungen, sondern auch Vorfreude auf das nächste Jahr.

Einer der Höhepunkte war das am Freitag und Samstag zwei Mal gespielte Konzertprogramm „Stella Sinfoniekonzert – Mendelssohn trifft Schostakowitsch“. Es wären allerdings nicht die Montforter Zwischentöne, wenn sie dem Publikum einen ganz normalen Konzertabend kredenzt hätten, denn die Kombination von Dmitri Schostakowitschs erstem Cellokonzert und der „Schottischen Sinfonie“ von Mendelssohn ist an sich nichts Ungewöhnliches, Mainstream also. Darum hat sich Festivalmacher Folkert Ude einiges überlegt, um den Abend nicht nur musikalisch zu einem außergewöhnlichen und überraschenden Erlebnis zu machen. So gesehen sind auch die 32 Euro für Normalpreistickets in Ordnung, obwohl ja mit Ausnahme des Dirigenten alle Mitwirkenden noch an der Stella studieren.

Amuse-Bouches

Die Montforter Zwischentöne haben sich die Entwicklung neuer Konzertformate auf die Fahne geschrieben und dieses Versprechen wurde an diesem Abend voll und ganz eingelöst. Folkert Ude hat im Rahmen seiner Unterrichtstätigkeit an der Stella das Konzertprogramm dieses Abends aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und nicht nur die Musiker auf der Bühne in die Veranstaltung eingebunden. Wie in einem Haute-Cuisine-Restaurant, wo vor dem eigentlichen Menü bereits mehrere kleine Amuse-Bouches den Gast erreichen und ihn auf das kommende Menü einstimmen, gab es mehrere Einführungsveranstaltungen. Zwei Studierende führten ein hochinteressantes Gespräch über das Leben von Dimitri Schostakowitsch und dessen Weltruhm, der im Gegensatz stand zur ständigen Angst und den zahlreichen Repressionen, denen Künstler:innen im stalinistischen Russland ausgesetzt waren.
In einer weiteren Konzertvorbereitung führte Franziska Stemmer, die Konzertmeisterin des Orchesters, ein originelles Interview mit sich selbst. Sie beantwortete live ihre eigenen vorab aufgenommenen Fragen. Die sympathische Musikerin, Studentin der Klasse Rudens Turku, machte das mit viel Humor und gab Einblicke in verschiedene Interna des Orchesterlebens. Dass sie derzeit neben ihrem Master-Studium in Feldkirch auch eine Akademiestelle der Dresdner Staatskapelle ausfüllen muss, verdient aufrichtige Bewunderung.

Außergewöhnliche Solistin

Im ersten Teil des eigentlichen Konzertes blieben zwei Dinge nachdrücklich in Erinnerung. Erstens: Die Bebilderung von sinfonischer Musik funktioniert und generiert einen Mehrwert. Und zweitens: Man lernte eine fantastische junge Cellistin kennen. Die 23 Jahre alte Ida Riedel stammt aus Flensburg und studiert in der Klasse von Mathias Johansen. Ihre Interpretation des „Ersten Cellokonzertes“ von Dmitri Schostakowitsch war eine absolut erstaunliche Leistung. Die technischen Schwierigkeiten dieses wirklich anspruchsvollen Werkes werden von Ida Riedel souverän gemeistert. Sie verfügt über einen riesengroßen, tragenden Celloton, der bis in die höchsten Lagen rund und klangschön bleibt und den Stella-Festsaal bis in die letzte Ecke erfüllt. Absolut herausragend ist ihr musikalischer Ausdruck. Sie gestaltet jede Phrase und jede neue Wendung als Klangrede, als musikalische Botschaft von großer Intensität. Bravo! Das Sinfonieorchester der Stella Hochschule war in festivalreifer Topform und der Solistin ein Partner auf Augenhöhe. Die solistische und von Schostakowitsch sehr hoch gesetzte Hornstimme war bei dem jungen Südtiroler Josef Weissteiner aus der Klasse Michael Pescolderung in besten Händen. Dasselbe gilt für den sehr exponierten Part der Piccoloflöte gespielt von Inès Ulrich. 

Bilder als Mehrwert

Hinter dem Orchester sah man auf einer großen Leinwand sowohl zum Stück passende Bilder als auch Überblendungen mit Großaufnahmen von Musiker:innen aus dem Orchester oder der Solistin. Impressionen aus der Sowjetunion aus der Zeit Stalins und Nikita Chruschtschows visualisierten die Musik von Dmitri Schostakowitsch. Purist:innen mögen die Nase rümpfen, aber eine gut gemachte und zur Musik passende Bebilderung hat mehr Vor- als Nachteile. Es gibt einfach sehr visuelle Menschen, denen es zu wenig ist, einen ganzen Abend ein Orchester zu betrachten. Und dann gibt es natürlich auch solche, denen sinfonische Musik langweilig ist und die aus diversen nicht-musikalischen Gründen ein Konzert besuchen. Für beide ist eine Visualisierung ein willkommenes Zusatzangebot. Darüber hinaus kann die Verbindung von Bild und Musik durchaus das Verständnis für ein Werk erhöhen, Analogien erzeugen und musikalische Aussagen verstärken. Wenn man dadurch mehr Leute für klassische Konzerte begeistern kann – warum nicht?

Fulminante Orchesterleistung

Auch der „Schottischen Sinfonie“ von Felix Mendelssohn Bartholdy haben die Projektionen schottischer Landschaften und Bauten keineswegs geschadet, im Gegenteil. Zwischen den einzelnen Sätzen las Clemens Breuss aus Briefen Mendelssohns, die er auf seiner Schottland-Reise verfasst hat. So bekam beispielsweise der zweite Satz eine ganz neue Bedeutung, auch durch die dazu passenden Bilder. In der Pause wurde das Publikum in einen Raum eingeladen, einen Salon aus der Mendelssohn-Zeit, in dem drei Studentinnen Lieder des Komponisten zu Gehör brachten.
Über all diesen Zusatzangeboten darf man nicht vergessen, dass dem Hochschul-Symphonieorchester unter Benjamin Lack eine fulminante Wiedergabe von Mendelssohns „Dritter Symphonie“ gelang. Sowohl das hochromantische Schwelgen am Beginn des Werkes oder im langsamen Satz als auch das Funkeln im Scherzo oder die Kraft des Finales – alles gelang wirklich überzeugend und war zweifellos einer der musikalischen Höhepunkte der diesjährigen Montforter Zwischentöne.

Letzte Veranstaltung des Festivals: 
Adventskonzert mit Margret Köll (Harfe), APHRODITE (Sopran, Nickelharpa), Sławomir Zubrzycki (Streichklavier)
Mi, 4.12., 19 Uhr 
Montforthaus Feldkirch
www.montforterzwischentoene.at
www.stella-musikhochschule.ac.at